12.
O mein Jesus, was bewirkt doch eine Seele, die von deiner Liebe entzündet ist! Wie hoch sollten wir eine solche Seele schätzen und wie sehr sollten wir den Herrn bitten, daß er sie recht lange in diesem Leben lasse. Wer dieselbe Liebe in sich fühlt, der solle womöglich solchen Seelen sich anschließen. Für einen Kranken ist es ein Labsal, einen anderen zu finden, der an der nämlichen Krankheit leidet. Es tröstet ihn sehr, wenn er sieht, daß er nicht allein leidet; und beide Kranke unterstützen sich gegenseitig im Dulden und Verdienen. So leisten auch jene einander vortreffliche Hilfe, die entschlossen sind, tausend Leben um Gottes Willen der Gefahr auszusetzen, und die nach Gelegenheit verlangen, ihr Leben wirklich zu verlieren. Solche Seelen sind Soldaten gleich, die Krieg wünschen, um Beute zu machen und sich dadurch zu bereichern; denn sie wissen, daß sie es nicht anders können als auf diese Weise. Leiden und Mühseligkeiten auszustehen, ist ihr Beruf. O was Großes ist es, wenn der Herr Licht verleiht, um zu erkennen, wieviel durch Leiden um seinetwillen zu gewinnen ist! Man erkennt dies aber erst dann vollkommen, wenn man alles verläßt. Denn wer noch an etwas hängt, der beweist dadurch, daß er einen Wert darauf legt; wer aber einen Wert darauf legt, dem wird es notwendigerweise leid tun, es zu verlassen, und es ist dann schon alles unvollkommen und verloren. Hieher paßt das Sprichwort: »Verloren ist, wer einem Verlorenen nachgeht.« Und wie könnte es einen größeren Verlust, eine größere Blindheit, ein größeres Unglück geben, als wenn man das hochschätzt, was nichts ist?