6.
Zwischen diesen zwei Arten von Gebet ist ein großer Unterschied, den ich nicht zu erklären weiß. Tu ich mir auch im ersten Fall Gewalt an, vom Herrn etwas zu erflehen — und selbst dies geschieht nicht mit solchem Eifer wie sonst, wenn mir auch die Sache selbst nahe geht —, so gleiche ich einem, dem die Zunge gelähmt ist. Wenn er reden will, kann er nicht, und redet er, so merkt er wohl, daß man ihn nicht versteht. Bitte ich aber auf die andere Art, so ist es mir wie einem, der lebhaft und deutlich mit jemand redet und merkt, daß man ihn gern hört. In dem einen Falle betet man, so wollen wir sagen, wie beim mündlichen Gebete; im anderen Falle aber wie in erhabener Beschauung, wobei der Herr seine Gegenwart in einer Weise kundgibt, daß man sieht, er höre unser Gebet, freue sich darüber und wolle uns die gewünschte Gnade gewähren. Er, der so vieles verleiht, und dem ich so wenig gebe, sei in Ewigkeit gepriesen! Denn was tut der für dich, o mein Herr, der sich nicht ganz für dich verzehrt? Und wie viel, wie viel, und noch tausendmal möchte ich es wiederholen, wie viel mangelt mir noch hiezu! Ebendarum aber sollte ich, abgesehen von anderen Gründen, gar nicht mehr zu leben wünschen, weil mein Leben nicht dem entspricht, was ich dir schuldig bin; denn wie vielen Unvollkommenheiten bin ich unterworfen, wie lässig in deinem Dienste erblicke ich mich! Wahrhaftig, manchmal wünschte ich, wie mir scheint, ohne Verstand zu sein, um nicht so viel Böses an mir erblicken zu müssen. Möge der Hilfe schaffen, der die Macht dazu hat!