5.
Einmal, als ich mit den übrigen Schwestern die Horen betete, geschah es, daß meine Seele plötzlich in eine Sammlung versetzt wurde, in der sie mir wie ein klarer Spiegel erschien. An ihm war weder rückwärts, noch an den Seiten, noch oben, noch unten etwas, was nicht ganz klar gewesen wäre; in der Mitte aber zeigte sich mir Christus, unser Herr, in der Weise, wie ich ihn gewöhnlich schaue. Auf allen Seiten meiner Seele glaubte ich ihn klar, wie in einem Spiegel, zu sehen, und dieser Spiegel war — ich weiß nicht wie — durch eine sehr innige Liebesvereinigung, die ich nicht erklären konnte, ganz in den Herrn selbst versenkt. Ich weiß, daß mir diese Vision sehr förderlich war, so oft ich mich ihrer erinnerte, vorzüglich nach der Kommunion. Es ward mir auch zu verstehen gegeben, daß dieser Spiegel, wenn die Seele in einer Todsünde sich befindet, wie mit einem dicken Nebel überzogen und ganz schwarz ist, so daß der Herr darin sich weder darstellen noch gesehen werden kann, wiewohl er uns, indem er uns das Sein gibt, immer gegenwärtig ist. In den Ketzern aber ist der Spiegel wie zerbrochen; und dies ist weit ärger, als wenn er nur verdunkelt ist. Es ist etwas ganz anderes, diese Dinge zu schauen, als sie zu beschreiben; denn sie lassen sich sehr schwer erklären. Mir aber hat dieser Anblick großen Nutzen gebracht, doch auch vieles Leid verursacht, weil ich so oft durch meine Sünden meine Seele verdunkelt habe, so daß ich den Herrn nicht darin sehen konnte.