6.
O unendliche Güte meines Gottes! So erscheinst du mir, und von solcher Art erblicke ich mich. O Sonne der Engel, wie sehr wünschte ich bei dieser Erwägung ganz in Liebe zu dir aufzugehen! Wie wahr ist es: wer deine Nähe nicht erträgt, den erträgst du! Welch ein treuer Freund, o mein Herr, bist du ihm doch! Wie beschenkst du ihn, wie duldest du ihn, wie wartest du zu, bis er deine Art annimmt, indem du inzwischen die seine erträgst! Du, o mein Herr, rechnest ihm die Stunden in denen er dich liebt, zum Verdienste an, und auf eine augenblickliche Reue hin vergissest du alles, womit er dich beleidigt hat. Unverkennbar habe ich dieses an mir selbst erfahren. Ja begreife darum nicht, o mein Schöpfer, warum nicht die ganze Welt darnach strebt, durch diese besondere Freundschaft mit dir in Verbindung zu treten. Die Bösen, die nicht nach deiner Art sind, sollten dir deshalb nahen, damit du sie, wenn sie dich täglich auch nur zwei Stunden bei sich litten, gut machest; und sei es auch, daß sie nur mit tausend beunruhigenden Sorgen und weltlichen Gedanken erfüllt bei dir verweilten, wie ich ehemals. Um der Gewalt willen, die sie sich antun, in einer so guten Gesellschaft auszuharren — denn du siehst schon, daß sie am Anfange, und manchmal auch später noch, nicht mehr tun können —, übst auch du, o Herr, Gewalt an den bösen Geistern, daß sie ihnen nicht mehr so heftig zusetzen und von Tag zu Tag immer mehr die Kraft gegen die Seelen verlieren; diesen aber verleihst du Stärke zum Siege über die bösen Geister. Nein, du Leben des Lebens aller, die auf dich vertrauen und dich zum Freunde haben wollen, du verursachst keinem von ihnen den Tod; du erhältst sogar, während du der Seele das Leben gibst, auch das Leben bei besserer Gesundheit.