206. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Ávila, im Dezember 1577
Vollkommenheit des Paters Gracián. Mahnung, sich die nötige Ruhe zu gönnen.
…Ich lobpreise den Herrn von ganzem Herzen, daß er Ihnen einen so tiefen Frieden und ein so lebendiges Verlangen, ihm in allem wohlzugefallen, verliehen hat. Daß er Sie manchmal einen Blick in so erhabene und kostbare Geheimnisse tun läßt, ist das Werk seiner großen Barmherzigkeit. Ganz gewiß wird Ihnen die göttliche Barmherzigkeit eine Hilfe gewähren, die mit Ihren Prüfungen im Verhältnis steht; wie diese groß sind, so sind es auch die Gnaden. Gepriesen sei sein Name in Ewigkeit!...
Ich versichere Sie, mein Vater, es wird gut sein, daß Sie sich den notwendigen Schlaf gönnen. Bedenken Sie, daß Sie viele Arbeit haben und die Schwäche nicht eher empfinden werden, als bis Ihr Kopf so eingenommen ist, daß keine Hilfe mehr möglich ist. Sie sehen ja wieviel an Ihrer Gesundheit gelegen ist. Folgen Sie in diesem Stücke, ich bitte Sie um der Liebe Gottes Willen, dem Gutachten anderer! Unterlassen Sie in der Zeit, die Sie dem Schlafe widmen sollten, die Ihnen obliegenden Arbeiten und verwenden Sie diese Zeit auch nicht zum Gebete! Erweisen Sie mir doch diese Gunst und bedenken Sie, daß der Teufel sehr oft, wenn er in uns Geisteseifer gewahrt, höchst wichtige Arbeiten und Beschäftigungen uns vorspiegelt, die zum Dienste Gottes geschehen sollen, um dadurch etwas Gutes hintanzuhalten, das er durch andere Mittel nicht verhindern konnte…