22. Brief — An Pater Anton de Segura, Guardian der unbeschuhten Franziskaner im Kloster zu Cadalfo
Toledo, in der Fasten 1570
Klage darüber, daß sie von ihm vergessen sei.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Ihnen, mein Vater!
Auf dieser Welt ist so wenig etwas zu achten, und ich erkenne noch so ungenügend die Wahrheit, daß ich gar nicht weiß, was ich darüber sagen soll. Dies schreibe ich deshalb, weil ich nie geglaubt, daß Sie Theresia von Jesu so ganz vergessen könnten. Obwohl Sie mir so nahe sind, so kann es doch nicht sein, daß Sie sich meiner erinnern, wenigstens scheint dies nur wenig der Fall zu sein, da Sie bei Ihrer jüngsten Anwesenheit hier nicht einmal dieses Ihr Kloster besuchten, um ihm den Segen zu erteilen.
Soeben empfange ich einen Brief von Pater Julian de Ávila, worin er mir mitteilt, Sie befänden sich als Guardian in Cadalfo. Da könnten Sie doch, wenn Sie auch nur ein wenig sich meiner erinnerten, zuweilen etwas von mir erfahren. Gebe der Herr, daß Sie mich nicht ebenso auch in Ihren Gebeten vergessen! Dann will ich alles andere gern ertragen. Ich meinerseits vergesse Sie in meinen Gebeten gewiß nicht, so armselig ich auch bin.
Pater Julian schreibt mir auch, mein Neffe komme wenigstens auf der Durchreise dorthin. Wenn er nicht schon abgereist ist, so bitte ich Sie, ihm zu sagen, er möchte mir wohl über sein inneres als äußeres Leben ausführlich schreiben; denn weil er im Gehorsam immer auf Reisen sein muß, so wird er entweder große Fortschritte machen oder ein sehr zerstreutes Leben führen. Gott stärke ihn! Denn man behandelt ihn nicht so, wie man nach meinem Dafürhalten eine Person behandelt, die mir so nahesteht. Ist es notwendig, daß ich ihn der Gunst seiner Vorgesetzten empfehle, so benachrichtigen Sie mich, denn da ich die Doña Maria de Mendoza und andere einflußreiche Personen für mich habe, so werde ich leicht erwirken können, daß man ihm wenigstens etwas Ruhe gönne.
Sollten Euere Hochwürden auf einer Reise wieder hierher kommen, so beachten Sie, daß Sie nicht unterlassen dürfen, dieses Ihr Kloster zu besuchen. Der Herr leite uns auf dem Wege zum Himmel! Ich befinde mich wohl, und es geht uns gut. Gott sei Dank! Weil ich nicht weiß, ob Pater Johannes von Jesu dort ist, so schreibe ich ihm nicht. Der Herr verleihe ihm immer Stärke! Denn er bedarf ihrer wohl. Er sei mit Ihnen! Unser Pater Bartholomäus von der heiligen Anna befindet sich während der ganzen Fastenzeit bei der Doña Luise in Paracuellos.
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu, Karmelitin