245. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Ávila, am 14. August 1578
Betrübnis über die Prüfungen des Paters Gracián. Verhaltungsmaßregeln zur Vermeidung der Gefahren, die ihm von seiten der Beschuhten drohten.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Wären Sie nicht hierher gekommen, so hätte ich mir aus all unseren Leiden nur wenig Verdienste gesammelt; denn mein Leiden war soviel wie nichts. Allein nachher mußte ich alles auf einmal büßen. Bei Ihrem Anblick wurde ich, ich versichere Sie, von solchem Mitleid erfüllt, daß es mir gestern, am Mittwoch, den ganzen Tag das Herz zersprengen wollte. Ich konnte mir in meinem Schmerze gar nicht mehr helfen und hatte wohl guten Grund dazu; denn ich sehe, daß Ihnen überall Gefahr droht und Sie wie ein Übeltäter sich verbergen müssen. Indessen verläßt mich doch keinen Augenblick die Hoffnung auf einen guten Ausgang. Wahrhaftig, mein Vater, der Herr hat ein treffliches Mittel gefunden, um mir Leiden zu bereiten, insofern nach seinem Willen die Schläge gerade dahin fallen, wo sie für mich weit schmerzlicher sind, als wenn sie mich selbst träfen.
Heute, am Vorabend von Mariä Himmelfahrt, übersandte mir der gute Rochus eine Abschrift der [königlichen] Verordnung, die uns großen Trost gewährt hat. Da der König sich in dieser Weise der Sache annimmt, sind Euere Paternität von der Gefahr frei. Dies war für uns alle die einzige Pein, während ich bei allen übrigen Angelegenheiten die Wahrnehmung mache, daß unseren Schwestern der Mut nicht fehlt. Es war der Wille des Herrn, daß mein Schmerz nur von kurzer Dauer war. Ein Glück war es, daß Euere Paternität gerade um diese Zeit die Reise unternahmen und sich nach dem Escorial begaben.
Durch Peter, der mir als Bote dient, können Sie mir das Ergebnis Ihrer Besprechung im Escorial und wie es überhaupt mit unserer Angelegenheit dort steht, berichten. Lassen Sie auch dem Kloster in Valladolid Nachricht geben, da man dort um Sie besorgt ist! Ihr Bote ist angekommen, und sie haben vernommen, was dem Pater Johannes von Jesu widerfahren ist. Vergessen Sie dabei auch nicht, ob man nicht für Pater Johannes vom Kreuz etwas tun könne, und berichten Sie mir, ob es nicht ratsam sei, jemanden an den Nuntius zu senden, um ihm zu zeigen, wie es mit dem Gehorsam der Unbeschuhten stehe, nachdem wir uns alle seiner Autorität unterworfen haben. Über den letzteren Punkt werden auch wir uns dahier beraten und tun, was uns als das beste erscheint für den Fall, daß Euere Paternität nicht mehr in Madrid sein sollten. Denn der Gerechtigkeit unserer Sache kann ein solcher Schritt nicht schaden, nachdem wir den Nuntius einmal als unseren Oberen anerkannt haben. Heute habe ich Briefe von Valladolid und Medina erhalten; dort haben die Beschuhten noch nichts bekanntgegeben. Diese müssen schon gewußt haben, was vorgeht, sonst hätten sich nach meinem Dafürhalten diese meine Brüder nicht so saumselig benommen.
Darüber bin ich, mein Vater, etwas besorgt, daß weder in der königlichen Verfügung, noch auch bei diesem allgemeinen Aufruhr ein anderer Visitator genannt wird als Pater Gracián. Ich wünschte nämlich nicht, daß in Rom Einspruch gegen ihn erhoben werde. Es dürfte darum gut sein, daß Euere Paternität sich an jene Vision erinnern, die Paulus geschaut und die durch jene andere, die der Angela zuteil geworden, bekräftigt zu sein scheint. Entfernen Sie von diesem Feuer alles, was Sie noch entfernen können; nur hüten Sie sich, dem König zu mißfallen, was auch Pater Mariano immer dagegen sagen mag! Denn Ihr Gewissen gestattet Ihnen nicht, in jenen Dingen ihm zu folgen, in denen Sie anderer Meinung sind, da Sie schon in Verwirrung geraten, wo nichts zu fürchten ist, wie dies in der letzten Zeit der Fall gewesen. Übrigens hätte alle Welt ein solches Verfahren gebilligt. Möchten sich doch diese Väter bezüglich ihrer Streitigkeiten vergleichen! Steht einmal alles fest und sicher, so werden Sie sich noch mancher Gefahr auszusetzen haben, ohne sich deshalb Skrupel zu machen. Ich versichere Sie, meine größte Pein in diesen Wirken war eine mir ganz unerklärliche Furcht, Sie von dem Amte eines Visitators noch nicht enthoben zu sehen. Will aber der Herr, daß Sie die Visitation weiterführen, so wird er Sie auch wie bisher beschützen; allein ich werde nie ohne Sorge sein.
Um sich von dem angedeuteten Feuer fernzuhalten, bedürfen Sie Ihrer ganzen Klugheit, damit Sie keine andere Furcht an den Tag legen außer jener, Gott zu beleidigen; und Sie haben auch in der Tat nichts anderes zu fürchten. Wenn Sie mit dem Nuntius sprechen können, so rechtfertigen Sie sich, falls er Sie anhören will; erklären Sie ihm, daß Sie sich stets gerne seiner Autorität fügen werden; wenn dies bisher nicht der Fall gewesen, so sei es geschehen, weil Sie gewußt hätten, daß Pater Tostado die Absicht gehabt habe, ein so gottgefälliges Werk wie die Reform in seinem Beginne zu zerstören. Sie können ihm auch sagen, er möge sich selber über den gegenwärtigen Stand der Klöster unterrichten lassen, und anderes mehr.
Außerdem müssen Sie die Errichtung einer eigenen Provinz mit allen möglichen Mitteln betreiben und sich auf alle Bedingungen einlassen, die man verlangt. Daran ist für uns und für das Gedeihen der Reform alles gelegen. Darüber sollte man mit dem König, mit dem Präsidenten, mit dem Erzbischof und allen anderen sich besprechen und ihnen begreiflich machen, daß alle Ärgernisse und Streitigkeiten darin ihren Grund haben, daß noch keine eigene Provinz errichtet wurde. Dies sei besonders in Kastilien der Fall, wo die Beschuhten tun, was sie wollen, weil über sie weder ein Visitator noch eine Autorität, die sie zurückhielte, gesetzt sei. Euere Paternität werden dies besser zu sagen wissen als ich, und ich bin so einfältig, daß ich Sie jetzt darauf aufmerksam mache; ich rede nur deshalb davon, weil Sie bei Ihren anderen Sorgen vielleicht das vergessen könnten.
Ich weiß nicht, ob Peter Ihnen diesen Brief bringen wird, da er kein Maultier bekommt; jedenfalls aber werde ich für einen zuverlässigen Boten sorgen. Um der Liebe willen bitte ich Sie, mir über alles Nachricht geben zu wollen, wenn Sie auch nur wenig Zeit haben sollten; teilen Sie mir auch mit, wie es dem Pater Mariano ergeht.
Die Schwestern des hiesigen Klosters empfehlen sich angelegentlich Ihrem Gebete. Könnten Sie sehen, mit welcher Teilnahme sie von Ihren Leiden reden, Sie würden gerührt werden; das alles geschieht meinem Vater zulieb. Die Schwestern in Veas und Caravaca dauern mich; wir haben einen Boten an sie gesandt. Diese sind jetzt wohl sehr betrübt, da sie nicht sobald andere Nachrichten erhalten werden. Die an sie gesandten Briefe enthalten zwar große Hoffnungen, aber zugleich auch die Nachricht von Ihrem Leiden, damit sie Euere Paternität um so angelegentlicher Gott empfehlen. Wenn Sie in Madrid jemand finden, durch den Sie ihnen Nachricht geben können, so sagen Sie es um der Liebe willen dem Rochus. Gestern habe ich ihm fünfzig Dukaten geschickt; heute sende ich ihm, was von den tausend Realen noch fehlt.
Es würde mir sehr leid tun, wenn Euere Paternität bei dieser Hitze in Madrid bleiben müßten und besonders da, wo Sie jetzt sind. Da sich die Untersuchung dieser Angelegenheit in die Länge ziehen wird, so wäre es wohl gut, wenn Sie sich nach Mancera begeben würden; sorgen Sie um der Liebe willen dafür, da Sie näher bei uns wären. Benachrichtigen Sie mich doch, was mit den Gefangenen in Pastrana geschehen ist. O wenn doch eine andere Schauung die Qual verdrängen würde, die Ihnen jene verursacht hat, die sie einst gehabt! Gott gebe dies und verleihe mir die Gnade, Sie in einem solchen Zustand zu sehen, daß ich nicht mehr so sehr um Sie besorgt sein muß! Amen.
Heute ist der Vorabend des Festes unserer Lieben Frau im August.
Es ist dies mit einem Worte eines ihrer Feste, an denen wir die Leiden und Freuden als Geschenke ihrer Hand empfangen.
Euerer Paternität unwürdige Untergebene und Tochter
Theresia von Jesu
