9.
In seinem bisherigen Leben hat der kleine Schmetterling noch nie so große Ruhe und solch tiefen Frieden gefunden; dennoch aber ist er so unruhig, daß sein Anblick zum Lobe Gottes stimmt. Es ist, als ob er nicht wüßte, wo er sich niederlassen und ruhen sollte. Nach solchem Ruhegenuß widerstrebt ihm alles, was er auf Erden sieht, besonders wenn ihm Gott von diesem Wein oft zu kosten gibt, da er aus jedem neuen Genuß neuen Gewinn schöpft. Nun achtet er jene Werke für nichts, die er als Raupe naturgemäß vollzogen; sie bestanden darin, daß er allmählich seine Hülle spann. So sind ihm jetzt Flügel gewachsen; wie sollte er also, da er jetzt fliegen kann, sich damit begnügen, langsam voranzugehen? Alles, was die Seele für Gott tun kann, ist ihr im Verhältnis zu ihrem Verlangen zu gering. Was die Heiligen gelitten, kommt ihr nicht mehr so staunenswert vor, weil sie die Hilfe des Herrn aus Erfahrung kennt und weiß, daß Seine Majestät eine Seele so umgestaltet, daß sie selbst und ihre Gestalt eine ganz andere zu sein scheint. Die Schwäche, die sie früher bei Übung der Bußwerke zu fühlen glaubte, findet sie jetzt in Stärke verwandelt. Ihre Anhänglichkeit an Verwandte, Freunde und zeitliche Güter ist geschwunden; weder fromme Anmutungen, noch gute Vorsätze, noch das Verlangen, sich davon zu trennen, reichten ehedem hin. Ja, es schien ihr, als sehe sie sich nur um so mehr an diese Dinge gefesselt; jetzt aber fällt es ihr schwer, auch nur auf jene Rücksichten zu achten, über die sie sich nicht hinwegsetzen kann, ohne gegen Gottes Willen zu handeln. Alles Irdische ist ihr zum Überdruß, da sie ja aus Erfahrung weiß, daß ihr die Geschöpfe die wahre Ruhe nicht geben können.