6.
Meines Erachtens dürfte diese Unordnung bei Frauenspersonen häufiger vorkommen als bei Männern; und die Nachteile, die für eine geistliche Gemeinde daraus entstehen, sind ganz offenbar. Daher kommt
es, daß nicht alle gleichmäßig einander lieben, daß man empfindlich ist, wenn der Freundin eine Unbill angetan wird, daß man etwas zu haben wünscht, um es ihr zu verehren, daß man Zeit sucht, um mit ihr zu reden, und oft noch mehr, um ihr zu sagen, wie sehr man sie liebt, statt wie sehr man Gott liebt, und andere ungebührliche Dinge. Denn so große Freundschaften zielen selten auf die gegenseitige Förderung in der Liebe Gottes hin; vielmehr glaube ich, daß der böse Feind sie anstiftet, um in den Klöstern Spaltungen hervorzurufen. Hat eine Freundschaft den Dienst der göttlichen Majestät zum Ziele, so zeigt sich dies bald; dann geht der Wille nicht leidenschaftlich zu Werke, sondern sucht Vielmehr in der Freundschaft eine Hilfe, um andere Leidenschaften zu überwinden.