19.
Der Visitator erkundige sich, ob die Priorin zu irgendeiner Nonne eine besondere Freundschaft habe, so daß sie ihr mehr Gutes erweise als den anderen! Sonst soll man nicht viel darauf geben, wenn nicht in etwa das Maß überschritten wird. Die Priorinnen müssen immer mehr mit denen verkehren, die mehr Verständnis und Unterscheidungsgabe haben. Weil aber unsere Natur uns nicht zur Erkenntnis unseres wirklichen Wertes gelangen läßt, darum meint jede, sie passe ebenso als Ratgeberin wie andere, und so kann der Teufel diese Versuchung in manchen erwecken. Gibt es auch keine großen Versuchungen von außen, dann erregt er durch Kleinigkeiten solche im Innern, damit es ja nie an Kampf und an Verdienst im Widerstande fehle; deshalb meint man, diese oder jene Schwester beherrsche die Priorin. Überschritte diese wirklich das rechte Maß, so müßte sie sich Mühe geben, sich zu mäßigen; denn es wäre dies eine große Anfechtung für die Schwestern. Doch deshalb ist der Priorin der häufige Verkehr mit einzelnen Schwestern nicht zu verwehren; denn es können dies solche sein, deren sie, wie gesagt, notwendig bedarf. Allein immer ist es gut, sehr darauf zu dringen, daß sie mit keiner zu große Vertraulichkeit unterhalte. Aus der Art und Weise ihres Verkehres wird man bald erkennen, wie es hierin steht.
