IV, 2.
Weiter wollen wir ein anderes verblüffend sinnloses und verfehltes Sophisma, das er gesprochen, betrachten. Er sagt: »Wir, die Lebenden, die wir überbleiben, werden bei der Erscheinung des Herrn den Entschlafenen nicht zuvorkommen. Denn der Herr selbst wird mit einem Feldgeschrei und Stimme des Erzengels und der Posaune Gottes herniederkommen vom Himmel, und die Toten in Christo werden zuerst auferstehen. Darnach werden wir, die Lebenden, zugleich mit ihnen entrückt S. 73werden in einer Wolke dem Herrn entgegen in die Luft, und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein.« Wirklich, das ragt in den Himmel und ist erhabener ..., eine übergewaltige und allzuhohe Lüge; bei solch einer Theatervorstellung müssen selbst die unvernünftigen Creaturen blöken und kreischen in übertäubendem Lärm, wenn sie Menschen von Fleisch wie die Vögel in der Luft werden fliegen oder von einer Wolke getragen sehen. Das ist denn doch der Gipfel der Aufschneiderei, daß lebende Wesen, die mit dem Gewicht ihrer Leiber belastet sind, die Natur von Vögeln annehmen und die ganze Luft wie ein Meer auf einer Wolke als Fahrzeug durchfahren. Denn wenn es auch möglich wäre, so wäre es doch ein Mirakel und widerspräche der gegebenen Ordnung. Denn die von oben wirkende schöpferische Natur hat den erschaffenen Wesen passende Räume zugeteilt und den Besitz einer angemessenen Behausung verfügt, den Wassertieren das Meer, den Landtieren das Festland, den Vögeln die Luft, den Gestirnen den Äther. Wenn sich nun eines dieser Wesen aus der eigenen Behausung entfernt, wird es vernichtet werden, da es zu einer fremden Lebensweise und Wohnung übergegangen ist. Z. B. wenn man das Wassertier nimmt und nötigen wollte, auf dem Festland zu leben, wird es eher eingehen und sterben; umgekehrt, wenn man ein ans Trockene gewöhntes Landtier ins Wasser wirft, wird es ersticken, und wenn man einem Vogel die Luft versagt, wird er das nicht ertragen, und wenn du einen Sternkörper aus dem Äther entfernst, wird er es nicht überstehen. Aber der göttliche und Göttliches schaffende Logos hat dies auch niemals getan noch wird er es je tun, obschon er die Macht hat, das Los seiner Creaturen zu ändern; denn nicht seine Macht ist die Richtschnur seines Handelns und Wollens, sondern damit die Dinge ihre innere Regel bewahren, beobachtet er (selbst) das Gesetz der Ordnung. Daher läßt er auch nicht die Erde mit Schiffen befahren, obschon er es kann, noch anderseits das Meer aufpflügen und bearbeiten, noch macht er, obschon er auch das kann, die Tugend zum Laster, oder das Laster zur Tugend; auch rüstet er nicht die Menschen mit dem Apparat der Vögel aus und stellt nicht die Sterne nach unten und die Erde nach oben. Also folgt mit Grund, daß es eine capitale Ungereimtheit ist zu sagen, die Menschen sollten dereinst in die Luft entrückt werden. Vollends S. 75deutlich aber ist die Lüge des Paulus auch in der Wendung: »Wir, die Lebenden«; denn seit diesem Wort sind †30† Jahre verflossen, und nirgendwo ist irgend etwas, auch Paulus selbst nicht, mit andern Leibern, in die Luft entrückt worden. Und so möge denn dies in Trümmer geschlagene Wort des Paulus nunmehr in Schweigen begraben sein.
