54.
Als der Mann noch ein einsames Leben führte und das Weib noch nicht gebildet war,
wurde, wie erzählt wird, ein Garten von Gott gepflanzt, der mit den jetzt bei uns vorhandenen keine Ähnlichkeit hatte. In diesen ist das Material unbeseelt, denn es besteht aus verschiedenartigen Bäumen, die teils zu beständiger Augenweide immer grünen, teils zur Frühlingszeit sich verjüngen und knospen; manche von ihnen tragen edle Früchte für den Menschen, nicht nur zu notwendigem Nahrungsbedarf, sondern auch zu entbehrlichem Genuss für ein üppiges Leben; andere tragen wilde Frucht, die den Tieren überwiesen werden muss. In dem göttlichen Garten dagegen sind alle Pflanzen mit Seele und Vernunft begabt; denn die Früchte, die sie tragen, sind die Tugenden und die reine Erkenntnis und Geistesschärfe, durch die das Schöne und das Hässliche erkannt wird, ferner gesundes Leben und Unvergänglichkeit und ähnliches dieser Art. Ich glaube jedoch, dass dies eher sinnbildlich als im eigentlichen Sinne aufgefasst werden muss; denn Bäume des Lebens oder der Erkenntnis sind weder früher jemals auf Erden zum Vorschein gekommen, noch ist es wahrscheinlich, dass sie in Zukunft sich zeigen werden. Vielmehr deutet er, wie es scheint, mit diesem Garten auf den führenden Teil der Seele (die Vernunft) hin, der ja gleichsam wie von Pflanzen von unzähligen Vorstellungen erfüllt ist; mit dem „Baume des Lebens" deutet er auf die grösste aller Tugenden hin, die Gottesfurcht, durch die die Seele unsterblich wird, und mit dem „Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen" auf die mittelste Tugend, die Einsicht, welche die von Natur gegensätzlichen Dinge unterscheidet.
