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Œuvres Écrits coptes-gnostiques Pistis Sophia Einleitung in die koptisch-gnostischen Schriften
B. Der Codex Brucianus.

§ 5. Verfasser, Zeit und Ort.

Es unterliegt m. E. keinem Zweifel, dass die beiden Abhandlungen des ersten Werkes trotz ihres abweichenden Inhaltes aus der Feder ein und desselben Verfassers geflossen sind. In der ersten Abhandlung heisst es zu Anfang: »Dies ist das Buch von den Erkenntnissen des unsichtbaren Gottes vermittelst der verborgenen Mysterien«, in der zweiten: »damit ich euch die grossen Mysterien des Lichtschatzes, die niemand an dem unsichtb aren Gotte kennt«, ln jener gilt der unnahbare Gott (S. 297, 29 u. ö.) als das höchste Wesen, ebenso auch in dieser (S. 320, 31). Beide kennen den Schatz des wahren Gottes (S, 320, 34. 30) und die zwölf Häupter (S. 320, 1) in jeder Ordnung, ebenso Jeu. den Vater des Lichtschatzes (vgl. S. 318, 36: 319, 2. 9). Damit ist zugleich die Zugehörigkeit zum Schriftorganismus ein und derselben Sekte bewiesen.

Bei Vergleichung mit den Schriften des Codex Askewianus fällt sofort die enge Verwandtschaft, besonders der zweiten Abhandlung, in die Augen. Nicht nur kehren die bekannten Aeonennamen innerhalb des Lichtreiches wieder, wie z. B. die drei Amen, die sieben Amen, die Zwillingserlöser, die fünf Bäume, die sieben Stimmen etc., sondern auch der ganze Mysterienapparat ist mit dem des 4. Buches identisch. In der zweiten Abhandlung werden ausführlich die Riten der drei Taufen geschildert, von denen das 4. Buch (Cap. 142) eine Probe giebt — die Taufe des ersten Opfers (S. 245, 17) entspricht der Wassertaufe (S. 305, 20) —, überhaupt bilden die gleichen Initiationsakte die Grundlage der gnostischen Sekte.

Aber wir können diese Doppelabhandlung noch etwas näher bestimmen. Wir finden in der »Pistis Sophia« an zwei verschiedenen Stellen einen Hinweis auf ein innerhalb der Sekte kursierendes gnos- tisches Werk von zwei Büchern des Jeu. S. 158 heisst es nämlich: 

S. XXIII "Dies sind die drei Erbteile des Lichtreiches. Die Mysterien dieser drei Erbteile des Lichtes sind sehr zahlreich; [ihr werdet sie in den beiden grossen Büchern des Jen finden', aber ich werde euch geben und euch sagen die grossen Mysterien jedes Erbteiles, diese, welche höher als jeder Ort sind. d. h. die Häupter gemäss jedem Orte und gemäss jeder Ordnung, welche das ganze Menschengeschlecht in die höheren Orter gemäss dem Raume des Erbes führen werden. Die übrigen niederen Mysterien nun habt ihr nicht nötig, sondern ihr werdet sie in den beiden Büchern des Jeu finden, die Henoch geschrieben hat. während ich mit ihm aus dem Baume der Erkenntnis und ans dem Baume des Lebens in dem Paradiese des Adam sprach. Jetzt nun, wenn ich euch die ganze Ausbreitung auseinaudergesetzt haben werde, werde ich euch geben und euch sagen die grossen Mysterien der drei Erbteile meines Reiches etc.« Ähnlich lautet es S. 22S. 30 ff.: »Jetzt nun wegen der Sünder habe ich mich gezerrt und bin in die Welt gekommen, damit ich sie errette, denn selbst für die Gerechten, die niemals etwas Böses gethan und die überhaupt nicht gesündigt haben, ist es notwendig. dass sie die Mysterien* finden, die in den Büchern des Jeu, die ich Heuoch im Paradiese habe schreiben lassen, indem ich mit ihm aus dem Baume der Erkenntnis und aus dem Baume des Lebens redete etc.« (vgl. auch S. 220, IG). Nach der letzten Stelle sollen in den Büchern des Jeu die Mysterien zur Reinigung der Sünden vorhanden sein. An der ersten Stelle wird deutlich unterschieden zwischen den Mysterien der drei Erbteile, die den Inhaber zu einem Platz innerhalb der drei Räume des Lichtreiches berechtigen, deren Offenbarung noch einer zukünftigen Zeit aufbehalten wird, und den niederen Mysterien, deren Mitteilung sich durch ihre Darstellung in den Büchern des Jeu erübrigt. Dem widerspricht aber S. 15S, 10, dass die Mysterien der drei Erbteile ebenfalls in demselben Werke zu lesen seien. Offensichtlich sind diese Worte zu streichen. Dann kann aber die Identität der beiden Bücher des Jeu mit unserm Werke nicht mehr zweifelhaft sein. Denn 1: umfasst unser Werk ebenfalls zwei Bücher; 2. sind im zweiten Buche ausführlich die niederen Mysterien, d. h. die Mysterien der Taufen zur Vergebung der Sünden dargestellt; 3. im ersten Buche spielt die Person des Jeu, des Hauptes der 60 Schätze, die Hauptrolle; 4. der Titel des ersten Buches müsste in Wirklichkeit lauten; »Das Buch vom grossen κατά μνΰτήριον λόγος des Jeu«, denn unmittelbar vorher lesen wir S. 301, 23 ff.: »Du bist ein Unnahbarer in ihnen in diesem grossen κατά μνΰτήριον λόγος des Jeu, des Vaters aller Jeü’s, welcher Du selber bist, denn was nun ist Dein eigener Wille, dass man Dir in ihnen naht, o (unnahbarer Gott), welchem man in S. XXIV diesem grossen κατά μνοτηρίον λόγος des -Jen, des Grössten aller Väter, genaht ist, o (unnahbarer Gott)« . — Demgemäss hat in der späteren Zeit das ganze Werk den Titel in abgekürzter Fassung »die beiden Bücher des Jeü« erhalten, obwohl im zweiten Buche die Person des Jen keine besondere Rolle spielt. Der Titel des ersten Buches ist auf das Ganze übertragen . Die von Preuschen (Theolog. Literatur- zeitg. 1S94, Nr. 7, Col. 184 f.) und von Liechtenhan (1. c. S. 24.5 ff.) gegen diese These geltend gemachten Argumente halte ich für gegenstandslos.

Ist nun die enge Verwandtschaft der gnostischen Schriften erwiesen, so ist mit der Bestimmung der Sekte zugleich die Frage nach Ort und Zeit der Entstehung in gewissen Grenzen gelöst. Das vorliegende Doppelwerk entstammt dem gleichen enkratitischen Kreise der Barbelo- Gnostiker und verdankt ebenfalls Ägypten seinen Ursprung. Jener zuchtlosen gnostischen Sekte, die wir im 4. Buche der »Pistis Sophia« erwähnt finden, gilt auch im zweiten Buche des Jeû (S. 304, 10 ff.) die energische Abwehr. Ferner muss dieses Werk ein höheres Alter repräsentieren als die im Codex Askewianus enthaltenen Schriften, speziell als das 4. Buch. Denn die einfachen Riten der Taufen bilden doch bei der Konstituierung eines Kultvereines die Grundlagen. Das 4. Buch setzt diese als bekannt voraus, denn wenn die Jünger nach Empfang der Wassertaufe zu Jesus sprechen (S. 245,20 ff.): »Rabbi, offenbare uns das Mysterium des Lichtes Deines Vaters, da wir Dich sagen hörten: Es giebt noch eine Feuertaufe, und es giebt noch eine Taufe des heiligen Geistes des Lichtes, und es giebt eine geistige Salbe, welche die Seelen zu dem Lichtschatz führen«, so findet man von einer darauf bezüglichen Mitteilung Jesu in diesem Buche keine Spur. Ich datiere deshalb die Entstehung der beiden Bücher des Jeü auf die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts.

Was nun die im Anhang (S. 330 ff.) publizierten Stücke betrifft, so gehören auch diese zu demselben gnostischen Gedankenkreise, tragen aber späteren Charakter. Die Anschauung von Jeu als dem Ordner der einzelnen Aeonen in Fragment A findet sich in der »Pistis Sophia« S. 15,30; 18, 39; 20, 38; 234, 4 ff.; 230, 25 f. Ferner kommt das erste Mysterium (Fragment A und Fragment B) in der »Pistis Sophia« in gleicher Stellung vor. Die Lehre vom Durchgang der Seele durch die Archonten des Weges der Mitte, von denen Paraplêx, Typhon und Jachthanabas S. XXV genannt werden (Fragm. C) ist die gleiche wie in der »Pistis Sophia« (vgl. S. 237, 34 ff.), sogar der Ausdruck »raubend (ύτερεΰίμως) die Seelen davontragen« (S. 333, 35; 334, 5. 11. 19) findet sich in der »Pistis Sophia« S. 230, 39; 237, 3. 31 etc., ebenso »das Mysterium der Furcht« S. 334,1. 7. 13. 2 t = Pist. Soph. S. 190, 5.

Das in dem Codex Brucianus überlieferte zweite Werk mit unbekanntem Titel trägt einen systematischen Charakter an sich. Hier ist von Offenbarungen resp. Gesprächen Jesu mit seinen Jüngern keine Bede, ebensowenig von Mysterien, Taufen und anderen Riten eines Kultvereins, vielmehr giebt ein gnostischcr Verfasser in theoretischer Form eine eingehende Beschreibung der Entstehung und Entwicklung der transzendentalen Welt. Für die Bestimmung des Sektenkreises bietet nun dieses Werk viel positivere Anhaltspunkte.

  1. Unter den oberen Aeonen nimmt ein gewisser Setheus eine hervorragende Stellung ein. Hier erscheint im griechischen Gewände der alttestamentliche, von den Sethianern als höchste Autorität verehrte Seth.

  2. Auf S. 3G2, 14 f. werden die 4 Lichter (φωθτ7]ρες): Eleleth, David, Oroiaêl1 . . . angeführt. Diese 4 luminaria kennt auch Irenaeus 1, 29, 2 im Systeme der Barbelo-Gnostiker: Et Charin quidem magno et primo luminario adiunctam; hunc autem esse Sotera volunt, et vocant eum Harmogenes; Thelesin autem secundo, quem et nominant Raguel; Synesin autem tertio luminario, quem vocant David; Phronesin autem quarto, quem nominant Eleleth.

  3. Auch die von Irenaeus angeführten Aeonennamen, wie z. B. Autogenes, Monogenes, Logos, Christus, Adamas u. a. kehren in unserem Werke wieder.

  4. Auf S. 341, 32 ff. lesen wir; Denn jegliches Ding folgt seiner Wurzel; weil nämlich der Mensch ein Verwandter der Mysterien ist, deshalb hat er das Mysterium vernommen. Es haben die Kräfte aller grossen Aeonen der in Marsanês befindlichen Kraft gehuldigt und gesagt: »Wer ist derjenige, welcher dieses vor seinem Angesicht geschaut, dass er sich seinetwegen in dieser Weise offenbart hat? Nicotheos hat von ihm geredet und ilm geschaut, denn er ist jener.« Ohne Zweifel gilt hier Marsanês als Prophet, der zu den grossen Aeonen entrückt ist, die ihm bei dieser Gelegenheit gehuldigt haben. Nun erwähnt Epiph. h. 49, 7 (Archontiker): ουτοι 0ε και αλ?.ονς προφήτας φαο'ιν είναι, Μαρτιάόην τινά και Μαροιανόν, αρπαγέντας εις τους ουρανούς και ôià ημερών τριών καταβεβηκοτας. Marsanês und Marsianos sind identische Namen.1

S. XXVI 5. Über den an gleicher Stelle erwähnten Nicotheos erhalten wir nähere Kunde in der Vita Plotini c. 16 des Porphyrius , der innerhalb der Offenbarungsliteratur einer in Rom zur Zeit Plotins (244—270 n. Chr.) blühenden gnostischen Schule des Adelphius und Aquilinus eine Apokalypse des Nicotheos aufzählt. Die von Porphyrius beschriebeneu und von Plotin in seiner Schrift προς τους Γνωϋτιχοΰς (Eim. II, 9) bekämpften römischen Gnostiker gehören zu der grossen Gruppe der Γνωϋτικοί, speziell zu den Sethianern-Archontikern, wie die von Porphyrius erwähnte Apokalypse des Allogènes beweist, denn 'Αλλογενής ist nach Epiph. h. 40, 7 ein Beiname des Seth. Die Archontiker und Sethianer benutzten 7 Bücher des Seth und 7 Bücher der Allogeneis (letztere gelten als Söhne des Seth).

Diese fünf Beobachtungen machen die Zugehörigkeit des zweiten koptischen Werkes zur Literatur der sethitisch-archontischen Gruppe der Gnostiker evident. Übrig bleibt noch die Frage nach dem Orte und der Zeit. Die Entstehung des Werkes auf dem Boden Ägyptens ist wohl in Rücksicht auf die übrigen gnostischen Schriften kaum zu bezweifeln, wenn auch keine bestimmten Gründe dafür angegeben werden können. Meine frühere Datierung aber, dass das Werk in der Blütezeit des Gnostizismus, etwa 170—200 verfasst sei, kann ich angesichts der im Codex Berolinensis enthaltenen Schriften nicht mehr aufrecht halten. Es zeigt eine unter dem Einfluss des Hellenismus fortgeschrittene Phase des von Irenaeus 1, 29. 30 beschriebenen Systems; die Spekulation ist bereits verwildert, die himmlische Topographie überwuchert. Deshalb datiere ich das Werk jetzt auf das 3. Jahrb., wahrscheinlich auf die 1. Hälfte. Den Beweis gedenke ich in meinen Untersuchungen über die unpublizierten koptisch-gnostischen Schriften zu liefern. 


  1. 1) Der letzte Name ist durch den Verlust des folgenden Blattes nicht erhalten. ↩

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