• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Gregor von Nyssa (335-394) In diem luminum Rede auf den Festtag der Lichter, an dem unser Herr getauft wurde. (Epiphanie.)

6.

Wie werden wir aber jenen Ausspruch des Isaias deuten, welcher den Verlassenen zuruft: „Freue dich, Verlassene, die du durstest. Juble, Verlassene, und blühe wie eine Lilie, und es wird blühen und jubeln die Wüste des Jordan?“1 Denn es ist offenbar, daß er nicht unbeseelten und empfindungslosen Gegenden Freude verkündet, sondern er stellt durch die Verlassene sinnbildlich die dürre und ungeschmückte Seele dar, wie auch David, wenn er sagt: „Meine Seele ist dir wie wasserlose Erde,“2 und hinwiederum: „Meine Seele durstet nach dem starken lebendigen Gotte,“3 und wiederum der Herr im Evangelium: „Wenn Einer durstet, so komme er zu mir und trinke,4 und zur Samariterin: „Jeder, der von diesem Wasser trinkt, wird wieder dursten; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, der wird in Ewigkeit nicht dursten.“5 Und die Ehre des Karmel wird der Seele verliehen werden, welche der Verlassenen ähnlich ist, nämlich die Gnade des Geistes. Denn weil Elias auf dem Karmel wohnte (der Berg aber wurde wegen der Tugend des Bewohners bekannt und berühmt) und der Täufer Johannes, der im Geiste des Elias S. 292 hervorleuchtete, den Jordan heiligte, deßhalb weissagte der Prophet, daß die Ehre des Karmel dem Flusse werde verliehen werden. Und die Ehre des Libanon hat er in dem Gleichniß der hohen Bäume auf den Fluß übergetragen. Denn wie jener Libanon hinlänglichen Stoff zur Bewunderung schon in den Bäumen darbietet, die er hervorbringt und erhält, so wird der Jordan verherrlicht, weil er den Menschen die Wiedergeburt verleiht und sie in den Garten Gottes pflanzt; und da die Wiedergebornen nach dem Ausspruch des Psalmisten immer blühen und Tugenden aus ihnen hervorsprossen, so wird ihr Laub nicht abfallen,6 sondern Gott wird zur rechten Zeit ihre Frucht in Empfang nehmen und sich freuen und als ein guter Pfleger des Gewächses an seinen Werken sich ergötzen. Der göttliche David, der auch den Ausspruch prophezeit, welchen der Vater vom Himmel herab bei der Taufe des Sohnes that, auf die Hörenden natürliche Würde der Gottheit hinzuleiten, wenn sie auf die bis dahin sinnlich wahrnehmbare Niedrigkeit im Menschen sähen, hinterlegte folgenden Ausspruch in der Schrift: „Das Wort des Herrn über den Gewässern, das Wort des Herrn in Herrlichkeit.“7

Aber die Zeugnisse aus der heiligen Schrift müssen wir damit beschließen, denn es würde die Rede endlos anwachsen, wenn man alles Einzelne ausheben und in ein Buch zusammenstellen wollte. Ihr alle aber, die ihr euch brüstet mit dem Geschenke der Wiedergeburt und stolz seid auf die heilsame Erneuerung, zeigt mir nach der mystischen Gnade die Veränderung der Sitten und lasset, wie sehr ihr euch zum Bessern umgewandelt habt, an der Reinheit eueres Lebens erkennen. Denn in dem, was in die Augen tritt, ändert sich Nichts, die Gestalt des Körpers bleibt unverändert, und in der Bildung der sichtbaren Natur tritt kein Wechsel ein. Wir müssen aber nothwendig einen S. 293 offenbaren Beweis haben, um den neugebornen Menschen zu erkennen und an gewissen offenbaren Zeichen den neuen vom alten zu unterscheiden. Dieß aber, glaube ich, sind die freiwilligen Bewegungen der Seele, durch welche sie sich selbst von der alten Lebensweise losreißt und einen neuen Lebensweg einschlägt und so Denen, die mit ihr in Berührung kommen, offen zeigen wird, daß sie anders geworden ist und kein Merkmal der alten Seele an sich trägt. Folgendes aber ist die Art und Weise der Umgestaltung, wenn ihr mir folgen und meine Worte zur Richtschnur nehmen wollt. Der Mensch war vor der Taufe zügellos, habsüchtig, fremdem Eigenthum gefährlich, schmähsüchtig, lügenhaft, verleumderisch, und wenn sonst Etwas dem ähnlich ist und damit zusammenhängt. Er werde nun eingezogen, mäßig, zufrieden mit seinem Eigenthum, und theile von demselben den Armen mit, werde wahrheitsliebend, lasse Jedem seine Ehre, sei zugänglich und übe, um es kurz zu sagen, jedes lobenswerthe Werk aus. Denn wie durch das Licht die Finsterniß verscheucht wird, und das Schwarze durch das Hinzukommen der weissen Farbe verschwindet, so verschwindet auch der alte Mensch, wenn man mit den Werken der Gerechtigkeit ihn schmückt. Du siehst, wie auch Zachäus durch die Umwandlung seines Lebens den Zöllner ablegte und Denen, welche er durch seine Ungerechtigkeit beschädigt hatte, vierfachen Ersatz leistete, das Übrige aber unter die Armen vertheilte,8 da er es früher aus dem Säckel der bedrängten Armen in verkehrter Weise angesammelt hatte.

Ein anderer Zöllner, der Evangelist Matthäus, ein Standesgenosse des Zachäus, legte sogleich nach seiner Berufung wie eine Maske sein bisheriges Leben ab. Paulus ist ein Verfolger, aber nach empfangener Gnade ein Apostel, der für Christus schwere Ketten trägt zur Abbitte und Sühne für jene ungerechten Ketten, die er einst vom S. 294 Gesetze empfing, und mit denen er die Anhänger des Evangeliums bekämpfte. So mußte die Wiedergeburt beschaffen sein, so mußte man die Gewohnheit der Sünde ausrotten, so einen Wandel mußten die Kinder Gottes führen. Denn nach dem Empfang der Gnade heissen wir seine Kinder. Und deßhalb mußten wir genau die Eigenschaften unseres Schöpfers betrachten, damit wir mit dem Vater gleiche Gestalt und Bildung annehmen und als wahre Kinder Desjenigen erscheinen, der uns in die Kindschaft der Gnade aufgenommen hat. Denn ein schlimmer Vorwurf ist ein unächter und unterschobener Sohn, der in seinen Werken den Adel seines Vaters Lügen straft. Deßwegen, glaube ich, bedient sich auch der Herr selbst, da er im Evangelium uns die Lebensregeln vorschreibt, jener Reden an seine Jünger: „Thut Denen Gutes, die euch hassen, betet für Die, welche euch mißhandeln und verfolgen, damit ihr Söhne eueres Vaters im Himmel seid; denn er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.“9 Denn Söhne, will er sagen, werden sie dann werden, wenn sie die Ähnlichkeit mit der Güte des Vaters durch ihre Liebe gegen ihre Stammesgenossen ihrer eigenen Gesinnung einprägen.

Deßhalb setzt uns auch, nachdem wir zur Würde der Kindschaft gelangt sind, der Teufel um so heftiger zu, indem er neidischen Blickes fast vergeht, wenn er die Schönheit des neugebornen Menschen sieht, der zum himmlischen Leben eilt, aus dem er selbst vertrieben wurde; und da facht er in euch heftige Versuchungen an und bemüht sich, euch auch den zweiten Schmuck zu rauben, wie die erste Zierde. Aber wenn wir seine Anfälle fühlen, so ziemt es sich, das Wort des Apostels auf uns anzuwenden: „Wir alle, die wir in Christus getauft sind, sind auf seinen Tod getauft.“10 Wenn wir aber dem Tode gleich geworden sind, so ist S. 295 nothwendig fürderhin in uns auch die Sünde todt, durchbohrt von der Lanze der Taufe, wie jener Unreine von dem Eiferer Phineas.11 Fliehe also von uns, Unglücklicher, denn du willst einen Todten plündern, der einst auf deiner Seite stand, der längst die Empfindungen der bösen Lust abgelegt hat! Ein Leichnam hat keine Liebe zu den Körpern, ein Leichnam wird nicht vom Reichthum gefesselt, ein Leichnam verleumdet nicht, ein Leichnam lügt nicht, raubt nicht, was ihm nicht gehört, schmäht nicht über Das, was ihm begegnet. In einer andern Weise habe ich mein Leben eingerichtet. Ich habe gelernt, die Welt zu verachten, das Irdische fahren zu lassen und nach dem Himmlischen zu streben, wie auch Paulus ausdrücklich bezeugt, daß „die Welt ihm gekreuzigt ist und er der Welt.“12 Das sind die Worte der in Wahrheit wiedergebornen Seele, das die Aussprüche des neuen Menschen, welcher sich an sein Versprechen erinnert, das er bei der Mittheilung des Geheimnisses Gott machte, wo er sich bereit erklärte, jede Pein und jede Lust aus Liebe zu ihm zu verachten.

Das nun mag genug sein über den heiligen Gegenstand des Tages, den der Kreislauf des Jahres in dem festgesetzten Zeitabschnitte uns gebracht hat. Passend ist es nunmehr, mit dem menschenfreundlichen Geber eines so großen Geschenkes die Rede zu beschließen, indem wir ein schwaches Wort für großartige Dinge als Ersatz darbieten. Denn du bist in Wahrheit, o Herr, eine reine und ewige Quelle der Güte, der du mit Recht uns von dir gewiesen und dann liebevoll dich unser erbarmt hast. Du hast uns gehaßt und hast dich ausgesöhnt, du hast uns verflucht und hast uns gesegnet, du hast uns aus dem Paradiese verstoßen und wieder zurückgerufen, du hast die Feigenblätter, das schmucklose Kleid, uns ausgezogen und uns in einen kostbaren Mantel gehüllt, du hast das Gefängniß aufgeschlossen und die Verurtheilten <296> entlassen, du hast uns besprengt mit reinem Wasser und vom Schmutze gereinigt. Nicht mehr wird Adam, wenn er von dir gerufen wird, sich schämen, und nicht wird er vom Gewissen überführt sich verhüllen und unter den Bäumen des Paradieses sich verbergen. Auch wird fürwahr nicht das feurige Schwert das Paradies rings absperren und Denen, welche nahen, den Eingang unzugänglich machen. Alles vielmehr ist für uns, die Erben der Sünde, in Freude umgestaltet, und zugänglich ist für den Menschen das Paradies und selbst der Himmel. In Freundschaft hat sich die Schöpfung vereinigt, die irdische und überirdische, die einst in sich selbst uneins war, und wir Menschen stehen in Einklang mit den Engeln und halten ihre Gotteserkenntniß heilig. Deßhalb wollen wir Gott den Freudengesang singen, den ein vom Geiste erfüllter Mund einst prophetisch angestimmt hat: „Es juble meine Seele im Herrn. Denn er hat mir angezogen das Kleid des Heiles und mich bekleidet mit dem Mantel der Freude. Wie einen Bräutigam hat er mich umgürtet und wie eine Braut mich mit Schmuck geziert.“13 Der die Braut schmückt, ist nothwendig Christus, der ist und war und sein wird hochgelobt jetzt und in Ewigkeit. Amen.III. Rede auf das heilige Osterfest und die dreitägige Feier der Auferstehung Christi.


  1. Is. 35, 1. ↩

  2. Ps. 142, 6 [hebr. Ps. 143, 6]. ↩

  3. Ebd. [Ps.] 41, 3 [hebr. Ps. 42, 3]. ↩

  4. Joh. 7, 37. ↩

  5. Ebd. [Joh.] 4, 13. ↩

  6. Ps . 1, 3 [hebr. Ps. 1, 3]. ↩

  7. Ebd. [Ps.] 28, 3 [hebr. Ps. 29, 3]. ↩

  8. Luk. 19, 8. ↩

  9. Matth. 5, 44. 45. ↩

  10. Röm. 6, 3. ↩

  11. Num. 25, 8. ↩

  12. Gal. 6, 14. ↩

  13. Is. 61, 10. ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Übersetzungen dieses Werks
Rede auf den Festtag der Lichter, an dem unser Herr getauft wurde. (Epiphanie.)

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung