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Œuvres Grégoire de Nysse (335-394) In sanctum Pascha Dritte Rede auf das heilige Osterfest und über die Auferstehung

6.

Was aber die Vertreter der gegentheiligen Ansicht am meisten waffnet und zum Unglauben verleitet, das ist, wie ich glaube, vor Allem die Annahme, daß eine gänzliche Zerstörung der Leiber eintrete. So aber verhält es sich nicht. Denn sie werden nicht völlig vernichtet, sondern in ihre Bestandtheile aufgelöst und befinden sich im Wasser, in der Luft, in der Erde und im Feuer. Da aber die S. 363 ursprünglichen Elemente bleiben, Das aber, was aus ihnen gebildet ist, sich nach der Auflösung mit ihnen verbindet, so bleiben im Ganzen auch die Theile erhalten. Für Gott aber ist es ganz leicht, aus Nichts Etwas zu erschaffen, denn so trat im Anfang Alles in’s Dasein, aber aus einem bestehenden Anfang Etwas ins Dasein rufen, ist gewiß bei Weitem das Leichteste und Bequemste. So wollen wir also die schöne Hoffnung der Menschen nicht zerstören, die sich auf die Aufrichtung unserer Ohnmacht bezieht, und wie man sagen könnte, auf unsere zweite Geburt, die frei ist vom Tode, und wollen wir nicht im Übermaß der Genußsucht die gute und menschenfreundliche Verheissung Gottes verachten. Denn mir scheinen die Gegner der vorliegenden Lehre Freunde des Schlechten und Feinde der Tugend, geil, habsüchtig, unenthaltsam in den Augen zu sein, und mit dem Gehör, dem Geruch und allen Sinnen die auf sie einströmende Lust aufzufangen. Da aber die Abhandlung von der Auferstehung es mit dem Gericht zu thun hat, und wir in der heiligen Schrift deutlich vernehmen, daß unser Leben von Rechenschaft nicht frei ist, sondern daß wir, wenn wir zum zweiten Leben erneuert werden, alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen werden, um von jenem Richter den im Leben verdienten Lohn zu empfangen, so läugnen sie, da sie sich der schändlichsten Thaten bewußt sind, welche schwere Strafe verdienen, aus Abneigung gegen das Gericht auch die Auferstehung, wie böse Knechte, die das Vermögen ihres Herrn verschwendet haben, den Tod und Untergang ihres Herrn sich einbilden und nach ihrem eigenen Verlangen sich leeren Gedanken hingeben.

Aber kein Vernünftiger wird so denken. Denn welchen Gewinn bringt Gerechtigkeit, Wahrheit, Rechtschaffenheit und alles Gute? Weßhalb plagen sich die Menschen und streben nach Weisheit, indem sie die Gelüste des Bauches bezähmen, sich der Mäßigkeit hingeben, den Schlaf abkürzen, Ungewitter und Hitze ertragen, wenn es keine Auferstehung gibt? Wollen wir mit den Worten des Paulus S. 364 ausrufen: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben?“1 Wenn es keine Auferstehung gibt, sondern das Ende des Lebens der Tod ist, so unterlaß die Anklagen und Beschuldigungen, gestatte dem Mörder volle Freiheit, gewähre dem Ehebrecher, ohne Scheu die Ehen zu zerrütten, übermüthig behandle seine Gegner der Wucherer, Niemand halte den Schmähsüchtigen im Zaum, beständig schwöre der Meineidige. Denn der Tod erwartet auch Den, dem der Eid heilig ist. Ein Anderer möge lügen, so viel ihm beliebt, denn die Wahrheit bringt keinen Gewinn. Niemand erbarme sich des Armen. Denn die Barmherzigkeit erhält keine Belohnung. Diese Gedanken bewirken eine ärgere Verwirrung als die Sündfluth, und verscheuchen jede vernünftige Überlegung, verschärfen dagegen jeden wahnsinnigen und raublustigen Gedanken. Denn wenn es keine Auferstehung gibt, gibt es auch kein Gericht. Ist aber das Gericht beseitigt, so wird zugleich auch die Furcht Gottes abgelegt. Wo aber die Furcht nicht in Schranken hält, dort hält der Teufel mit der Sünde seinen Freudentanz. Und sehr passend hat David gegen Solche jenen Psalm geschrieben: „Der Thor sprach in seinem Herzen: Es ist kein Gott. Sie ärnteten Verderben und Abscheu in ihren Bestrebungen.“2 Wenn es keine Auferstehung gibt, so ist eine Fabel Lazarus und der Reiche und die schreckliche Kluft und die unerträgliche Feuerhitze und die brennende Zunge und der ersehnte Wassertropfen und die Fingerspitze des Armen.3 Denn es ist deutlich, daß Dieß alles die bevorstehende Auferstehung sinnbildlich darstellt. Denn unter Zunge [ber: „Zunge“ statt „Zeuge“] und Finger sind nicht Glieder der körperlosen Seele, sondern Körpertheile zu verstehen, und Niemand halte dieß für etwas bereits Geschehenes, sondern für die Vorherverkündung der Zukunft. Es wird aber dann geschehen, wenn die Umgestaltung den Todten S. 365 belebt und Jeden zur Rechenschaft über sein Leben zieht, wenn er wie früher zusammengesetzt ist und aus Leib und Seele besteht.

Was wollte der gottbegeisterte Ezechiel, der die großen Gesichte schaute, andeuten, als er jene weit ausgebreitete Ebene sah, die mit Menschengebeinen angefüllt war, über welche zu prophezeien ihm aufgetragen wurde? Und es wuchs um sie sogleich Fleisch, die von einander getrennten und ordnungslos durch einander geworfenen Gebeine aber verbanden sich wieder mit einander zu einer bestimmten Ordnung und Verbindung.4 Ist es nicht offenbar, daß er durch solche Worte die Wiederbelebung dieses Fleisches uns hinlänglich anzeigt? Mir aber scheinen Die, welche diese Lehre bekämpfen, nicht nur gottlos, sondern sogar wahnsinnig zu sein. Denn Auferstehung, Wiederbelebung, Umgestaltung und alle ähnlichen Namen lenkt die Gedanken Desjenigen, der diese Namen vernimmt, auf den Leib, welcher der Verwesung ausgesetzt ist, da die Seele für sich betrachtet niemals auferstehen wird, da sie nicht stirbt, sondern unverwüstlich und unvergänglich ist. Während sie aber unsterblich ist, hat sie einen sterblichen Theilnehmer an ihren Handlungen, und deßhalb wird sie vor dem gerechten Richter zur Zeit der Rechenschaft wieder bei ihrem Lebensgenossen wohnen, damit sie gemeinsam mit ihm Strafe oder Belohnung empfange. Wollen wir aber vielmehr, damit die Untersuchung uns mehr regelgerecht verlaufe, in folgender Weise die Betrachtung anstellen. Was nennen wir Mensch, beide Theile oder den einen von ihnen? Es ist nun klar, daß die Verbindung beider das lebende Wesen ausmacht, und es geziemt sich nicht, bei unbezweifelten und bekannten Dingen länger zu verweilen.

S. 366 Da aber Dieß sich so verhält, so wollen wir auch Jenes noch erwägen, ob wir Das, was die Menschen thun, als Ehebruch, Mord, Diebstahl und Alles, was damit in Zusammenhang steht oder ihm entgegengesetzt ist, Mäßigung, Enthaltsamkeit und jede dem Laster entgegengesetzte Thätigkeit, als Wirkungen beider erklären oder die Thaten der Seele allein zuschreiben. Aber auch hier liegt die Wahrheit offen da. Denn nirgends trennt sich die Seele vom Leibe, um einen Diebstahl auszuüben oder einen Einbruch zu unternehmen, noch auch gibt sie allein dem Hungrigen Brod oder tränkt den Durstigen oder eilt munter zum Gefängnisse, um gegen Den dienstfertig zu sein, der im Gefängnisse schmachtet, sondern bei jeder Handlung verbinden sich beide miteinander und bringen die That zu Stande. Wie nun trennst du, da dieß sich so verhält und du zugibst, daß es ein Gericht über die Thaten des Lebens geben werde, das Eine vom Andern, und beschränkst, da die Thaten gemeinsam sind, das Gericht bloß auf die Seele? Wenn Einer die menschlichen Verirrungen genau beurtheilen und sorgfältig untersuchen will, woher die Sünde ihren ersten Ursprung nimmt, so wird er wohl finden, daß bei den Verschuldungen zuerst der Körper ausschreite. Denn oft, wenn die Seele ohne Aufregung ist und eine ungetrübte Ruhe genießt, nimmt das Auge mit Leidenschaft wahr, was es besser nicht gesehen hätte, und verwandelt, indem es der Seele die Krankheit mittheilt, die Ruhe in Sturm und Brandung. Ebenso strömt das Gehör, wenn es unzüchtige oder reizende Reden vernimmt, wie durch gewisse ihm eigene Kanäle den Unrath der Aufregung und des Schmutzes in die Vorstellung aus. Manchmal versetzt auch die Nase durch den Geruch und die Dünste den inneren Menschen in große und unbegreifliche Leiden. Auch die Hände vermögen durch die Berührung die Festigkeit einer starken Seele zu schwächen. Und indem ich so Alles einzeln durchgehe und betrachte, finde ich als Ursache der vielen Sünden den elenden Körper. Er erträgt aber auch die Anstrengungen für die Tugend und leidet Mühsal in den Kämpfen für das S. 367 Gute, indem er sich mit Eisen schneiden, mit Feuer brennen, mit Geißeln zerfleischen und mit schweren Ketten fesseln läßt und jede Mißhandlung erträgt, um nicht die heilige Lehre zu verrathen, die wie eine wohlbefestigte Stadt vom Krieg der Bosheit umringt ist. Wenn er also bei guten Thaten in Verbindung mit der Seele thätig ist und bei Sünden nicht ferne weilt, welchen Grund hast du, um sie allein ohne den Körper vor den Richterstuhl zu führen? Fürwahr, das Verfahren ist weder gerecht noch vernünftig, wenn sie allein und ohne Gesellschaft gesündigt hat, wird sie ein gerechter Richter auch allein strafen. Wenn sie aber offenbar einen Genossen hat, so wird er diesen nicht leer ausgehen lassen.

Ich höre aber, daß die Schrift auch Dieses sagt, daß über die Verurtheilten gerechte Strafen werden verhängt werden, das Feuer, die Finsterniß, der Wurm, was lauter Strafen der zusammengesetzten und materiellen Leiber sind. Denn die Seele für sich allein würde niemals vom Feuer ergriffen, noch von der Finsterniß gepeinigt, da sie keine Augen und Sehwerkzeuge hat. Was würde ihr aber auch ein Wurm zufügen, welcher die Leiber verzehrt, aber nicht die Geister? Und deßhalb werden wir von allen Seiten durch folgerichtige Schlüsse zur Annahme der Auferweckung der Todten gedrängt, welche Gott zu seiner Zeit bewerkstelligen wird, indem er seine Verheissungen in der That erfüllt. Wollen wir also Dem glauben, welcher sagt: „Er wird mit der Trompete blasen, und die Todten werden auferstehen,“5 und wiederum: „Es kommt die Stunde, in der Alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorkommen, die Gutes gethan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses thun, zur Auferstehung des Gerichtes.“6 Denn er verheißt nicht S. 368 nur, sondern er zeigt auch durch die Werke, die er täglich verrichtet, deutlich seine Allmacht. Denn weder macht ihm am Anfang seine Schöpfung Mühe, noch wird es ihm zur Umgestaltung an Weisheit gebrechen. Wollen wir die Gegenwart betrachten, und wir werden in Betreff der Zukunft nicht ungläubig sein. Denn da jede Thätigkeit Gottes das Erstaunen im Gefolge hat, und groß und unaussprechlich die Verwunderung ist, wenn wir sehen, daß die Abbilder der Väter und Urgroßväter genau auf die Gestalten der Nachkommen übergehen und die Kinder Abdrücke der Großväter werden, so staune ich vorzugsweise die unendlich weise Kunst Gottes, des besten Künstlers und Erhalters, ungemein an, wie Nachbildungen von weder bestehenden noch erscheinenden Originalen7 durch ein tiefes Geheimniß geschaffen und gebildet werden, indem sie die Todten gleichsam in anderer Gestalt durch den Ausdruck der Formen hervorbringen. Oft aber werden auch die besonderen Eigenschaften vieler Personen zugleich in einem Körper ausgeprägt, vom Vater die Nase, vom Großvater das Auge, vom Onkel der Gang, von der Mutter die Sprache, und ein einzelner Mensch nimmt sich aus wie ein Baum, auf den die Zweige mehrerer Bäume gepflanzt worden sind, und von dem man eine große Zahl von Fruchtgattungen abpflücken kann. Dieß alles ist nun wunderbar, und wir wissen nicht, wie es geschieht, aber für den Schöpfer ist es ohne Schwierigkeit und wird, wie wir wissen, mit großer Leichtigkeit vollbracht. Es ist aber sehr ungereimt und ein Zeichen der Unwissenheit, zuzugeben, daß die Kennzeichen der verfaulten und verwesten Körper in Dem, was jetzt täglich an’s Licht tritt, auferweckt werden, und daß das Fremde auf Andere übergeht, aber nicht zuzugeben, daß das Eigene und Besondere an Denen selbst, die es einst besaßen, sich erneuere und wieder auflebe, sondern es im Gegentheil zu S. 369 verwerfen und zu bekämpfen und die Verheissung Desjenigen für eine Fabel und nicht für Wahrheit zu halten, der diese ganze sichtbare Welt hervorgebracht und, wie es ihm beliebte, eingerichtet hat. Wir aber glauben an die Auferstehung und erweisen die Ehre dem Vater, dem Sohne und heiligen Geiste, jetzt und immer von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.VI. Vierte Rede auf das heilige und heilbringende Osterfest.


  1. I. Kor. 15, 32. ↩

  2. Ps. 13, 1 [hebr. Ps. 14, 1]. ↩

  3. Luk. 16, 20―24. ↩

  4. Ezech. 37, 1―8. ↩

  5. I. Kor. 15, 52. ↩

  6. Joh. 5, 28. 29. ↩

  7. Weil die Großväter nicht mehr leben. ↩

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Dritte Rede auf das heilige Osterfest und über die Auferstehung

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