3.
Der Winter bewirkt, daß schiffbare Flüsse mit den Füßen betreten werden, und verwandelt das fließende Wasser zur Härte und Festigkeit der Steine, zersprengt Felsen, wenn er in die Tiefe dringt, und zerstört Körper von entgegengesetzten Eigenschaften in gleicher Weise, indem er weiche in Steine umwandelt und harte zersprengt. So nimmt der Wein, wenn er fest wird, die Gestalt des umschließenden Fasses an, und das flüssige Öl wird starr und gestaltet sich nach dem Raum des Gefäßes. Der Krystall aber und die Muschel werden von der Feuchtigkeit zerbrochen und zerbröckelt. Von den Thieren gehen Die, welche auf den Bergen und unter freiem Himmel leben, theils zu Grunde, theils vergessen sie im Übermaß des Elends sogar ihre Wildheit. Denn Hirsche und Rehe schlagen in Ställen ihren Wohnsitz auf und fürchten sich dann weder vor Hunden, noch ergreifen sie die Flucht, wenn man sich nähert. Denn das größere Ungemach verscheucht immer die Angst vor den geringeren Schrecken. Die Vögel kehren bei den Menschen ein und weilen unter ihrem Dache. Die Menschen aber graben das Meer auf und zerhacken mit Instrumenten, mit denen man sonst Steine bearbeitet, das Wasser, und Solche, die nicht weit von einander entfernt sind, heben ihren Verkehr auf. Diese Jahreszeit diente dem Tyrannen zur Waffe gegen die Martyrer. Denn er mußte, wie es scheint, die große und einstimmige Schaar der Seligen durch eine neue gemeinsame Art der Strafe bekämpfen, damit sie einen Ruhm der Frömmigkeit erlangten, mit dem der Ruhm der übrigen Martyrer keinen Vergleich aushält. Da standen sie also bebend, und es froren ihre Glieder, und sie wankten nicht in ihrer Gesinnung und boten Engeln, Menschen und Dämonen ein Schauspiel des Kampfes dar. Die Engel warteten auf die Lostrennung der Seelen, um sie S. 454 aufzunehmen und zu ihrem eigenen Wohnort zu führen, die Menschen waren auf den Ausgang gespannt, um die Kraft der gemeinsamen Natur kennen zu lernen, ob wir aus Furcht oder aus Hoffnung der Zukunft so heftigen Schmerzen überlegen sein könnten. Die Dämonen waren aber auf die Vorgänge sehr aufmerksam und wünschten den Fall der Streiter und ihr unmännliches Verzagen in den Kämpfen zu sehen. Ihre Erwartung wurde aber beschämt, weil Gott Kraft verlieh.
Denn sie sahen ihre Verstümmelungen, sowohl jeder Einzeln seine eigenen, als auch Alle ihre gegenseitigen. Da lag Einer, dem Fuß oder Zehen abgefallen waren, dort ein Anderer, dessen natürliche Wärme ganz erloschen war. Wie die heftigen Winde, wenn sie auf eine bewachsene Gegend losstürmen, dann die hohen Bäume erschüttern und entwurzelt auf die Erde hinstrecken, in gleicher Weise wurde vom Winterfroste die Schaar der Seligen niedergeworfen, die edlen Bäume des Paradieses, die Zierde des Geschlechtes, die Wurzeln unseres Wachsthums, die Streiter des Paulus,1 die Leibwache Christi, die Zerstörer der Altäre, die Baumeister der Kirchen, die, zum Kampfe gegen die Barbaren geworben, gegen den gemeinsamen Feind der Menschheit den Kampf vollendeten. Den Tod erlitten sie nicht aus Zwang und unvermeidlicher Nothwendigkeit, sondern die Rettung war ihnen gar leicht und stand in ihrer Macht, wenn sie ihren Widerstand aufgeben wollten. Es war nämlich ein Bad in der Nähe, das absichtlich nahe an der Stelle der Strafe angebracht war, und es war die Thür geöffnet, und Thürwärter luden ein. Denn der Tyrann war erfinderisch in der Verfolgung und in schlauer Bosheit und legte den Erstarrenden den Köder der Übertretung nahe und rieth ihnen, zur Linderung überzulaufen, S. 455 wie sein Vater den ersten Menschen, vom Baume zu essen. Sie aber zeigten sich da noch mannhafter, weil sie wußten, daß die Ausdauer dann ihre Probe besteht, wenn sie, obschon der Genuß möglich gemacht ist, sich enthaltsam zeigt, wie aus früherer Zeit eine solche Handlungsweise in Betreff des großen Daniel erzählt wird. Denn da ihm der Genuß reichlicher und angenehmer Lebensmittel und Getränke angeboten wurde, begnügte er sich aus Abscheu und Abneigung vor Götzenopfern mit dem Genuß von Gemüsen, und er blühte trotz seinem Fasten, und obschon er sich der Speise enthielt, sah er besser aus, als die ein schwelgerisches Leben führten. Denn es ist das ein besonderes Geschenk Gottes, daß er den treuen Dienern in ihrer Noth unerwartete Hilfe spendet.
Weil übrigens an die großen Thaten sich die Mißgunst hängt, so wäre die selige Schaar beinahe verringert worden, und es fehlte nicht viel, so wäre uns die Vollzähligkeit der vierten Dekade verloren gegangen. Denn Einer von ihnen ließ sich durch die Kälte entmutigen, und schon dem Siege nahe verließ er, ach! seine Kampfgenossen und ging von der List des Tyrannen überwunden in das Bad, indem er aus Liebe zum Leben seines fast aufgeriebenen Fleisches schonte. Denn er ging der Hoffnung verlustig und gewann das zeitliche Leben nicht, da er bald nach seiner Übertretung starb, ein unglücklicher Judas unter den Martyrern, weder ein Jünger noch reich, und noch dazu den Strick hinter sich nachschleppend. Und man wundere sich nicht! Denn das ist die gewöhnliche boshafte Handlungsweise des Teufels gegen Die, welche sich ihm unterwerfen. Er betrügt sie und schmeichelt ihnen auf mannigfache Weise, um sie zum Falle zu bringen. Hat er sie aber zum Falle gebracht, so tritt er sie sogleich mit Füßen und häuft Spott auf den Gefallenen und fügt höhnend Schande zum Unglück und freut sich über die Schande des Verlockten. Daher nennt ihn auch der Psalmist einen Feind und S. 456 Rächer,2 um durch den Gegensatz der Namen die Veränderlichkeit der Lebensrichtung zu bezeichnen. Denn mit den Menschen schließt er niemals Bündniß und Freundschaft. Er heuchelt aber dann Freundschaft, wenn er sich in die Larve des Betruges stecken will. Aber der uns in unserer Ohnmacht beisteht und in uns die guten Reden und Handlungen pflanzt, fand wie Abraham ein Schaf zum Opfer, einen Verwandten unter den Feinden, einen Bekenner unter den Lästerern und einen Martyrer unter der Schaar der Verfolger. Einer nämlich von den Henkern des Tyrannen, der des Anblicks der Engel, die über die Martyrer herabschwebten, gewürdigt und von der Erscheinung der heiligen Geister, wie einst Paulus bei seiner Reise nach Damaskus von der Herrlichkeit Christi umstrahlt wurde, änderte sogleich seine Gesinnung, legte seine Kleidung ab und mischte sich unter die Erstarrenden. Und er wurde Alles zugleich innerhalb eines kurzen Zeitmomentes: Neubekehrter, Bekenner, Martyrer, im eigenen Blute ins Bad der Wiedergeburt getaucht, im erstarrten, nicht im fließenden Blute, ein gekrönter Mann, der Alles werth ist. Ihm verdanke ich es, daß ich in der Kirche die vierzig Männer zähle. Durch diesen Hochherzigen ist die Schaar der Martyrer ohne Verlust. Durch den Neubekehrten feiern wir bei unverkümmerter Zahl ein unverkümmertes Fest. Dem Teufel aber wurde ein hübscher und lustiger Streich gespielt. Indem er nämlich den Krieger stahl, wurde ihm der Verfolger und Henker entwendet.