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Was geschah nun weiter? Die Hochseligen gelangten an das erwünschte Ziel. Der Peiniger aber fand den Sieg der Martyrer unausstehlich und führte Krieg gegen die todten Leiber. Er befahl, daß die Wohnungen der heiligen Seelen dem Feuer übergeben würden, und ahmte in einer einzigen That die wilden Thiere und die grausamen Männer nach. Denn die ersteren zerreissen, wenn die verfolgten S. 457 Menschen die Flucht ergreifen, die ihnen vorgeworfene Kleidung, die letzteren aber zünden, wenn die Feinde fortziehen, ihre Häuser an und zerstören sie. Und einer der Martyrer hatte mit Recht zu ihm gesagt: Ich fürchte, o Thor, deine Grausamkeit nicht. Denn ich war in Furcht, so lange die Seelen in den Erstarrenden wohnten, es möchte die übermäßige Pein über den Muth der Frommen siegen. Nachdem aber diese Furcht verschwunden ist, so treibe mit dem zurückgebliebenen Staube, was dir beliebt, und wenn du mein Fleisch verzehrest, ist es mir gleichgiltig. Denn eine je wüthendere Grausamkeit du zeigst, eine desto herrlichere Siegeskrone bereitest du den Abgeschiedenen. Denn die muthigen Angriffe der Feinde sind leuchtende Beweise von der Tapferkeit der Sieger.
Doch wozu die langen Umschweife? Die Leiber wurden verbrannt und vom Feuer aufgenommen. In jenen Staub aber und in die Überreste des Ofens theilte sich die Welt, und fast jedes Land hat den Segen dieser heiligen Gegenstände. Auch ich habe einen Theil des Geschenkes und habe die Leiber meiner Väter zu den Überresten der Krieger gelegt, damit sie zur Zeit der Auferstehung mit den mächtigen Schützern auferweckt werden. Denn ich weiß, welche Kraft sie haben und sah deutliche Beweise ihrer Macht bei Gott und will nur eine ihrer Wunderthaten anführen. Dem mir zugehörigen Dorfe, in welchem die Überreste dieser Hochseligen ruhen, ist eine Stadt benachbart, die Ibor heißt. Da nun in dieser nach der hergebrachten Sitte der Römer eine Abtheilung Soldaten in Besatzung lag, kam einer der Kriegsleute in das genannte Dorf, den der Hauptmann zum Schutze des Ortes abgeordnet hatte, um die Excesse seiner Kameraden im Zaum zu halten, die das Militär aus Übermuth gegen die Landleute zu begehen pflegt. Dieser aber war an einem Fuß lahm und mußte hinken, und dieser sein Zustand war veraltet und unheilbar. Als er nun ins Martyrium und in die Ruhestätte der Heiligen getreten war und zu Gott betend S. 458 die Hilfe der Heiligen angerufen hatte, erschien ihm bei Nacht ein Mann von würdevollem Aussehen und sagte, nachdem er einiges Andere mit ihm gesprochen hatte: „Du hinkest, o Krieger, und bedarfst der Heilung? Laß mir doch deinen Fuß anrühren.“ Und das Traumbild berührte ihn und zog ihn kräftig an. Und während dieß in der nächtlichen Erscheinung vor sich ging, vernahmen die Wachenden ein Geräusch, wie es zu entstehen pflegt, wenn ein Bein, das aus der natürlichen Verbindung getreten ist, wieder mit Gewalt eingefügt wird. Darüber erwachten die übrigen Schläfer und auch der Krieger, und kaum war dieser erwacht, so ging er wie ein Gesunder in natürlichem Gange einher. Dieses Wunder sah ich an und traf mit dem Manne selbst zusammen, der es Allen verkündete und die Wohlthat der Martyrer pries, und die Menschenliebe der Krieger verherrlichte.
Soll ich aber Etwas beifügen, was mich persönlich betrifft, so will ich es anführen. Als wir nämlich im Begriffe standen, das erste Fest bei den Überresten zu feiern und die Urne in der heiligen Kapelle beizusetzen, lud mich meine Mutter, denn diese hatte das Fest für Gott angeordnet und vorbereitet, zur Begehung desselben ein, obschon ich weit entfernt und noch jung war und dem Laienstande angehörte. Wie es aber zu geschehen pflegt, wenn man dringende Geschäfte hat, nahm ich, da ich keine Muße hatte, den Ruf der Mutter übel auf und grollte ihr, daß sie das Fest nicht auf eine andere Zeit verlegte, sondern mich von vielen Sorgen abwendig machte und mich dorthin zog und bevor eine Versammlung stattgefunden hatte, kam ich an den Ort. Als nun in einem Garten eine Nachtfeier war, wo die Überreste der Heiligen durch Psalmengesänge geehrt wurden, erschien mir, während ich in einem benachbarten Häuschen schlief, folgendes Traumgesicht. Es kam mir vor, als wollte ich in den Garten eintreten, wo von den Wachenden die Nachtfeier begangen wurde. Als ich in der Thüre stand, sah ich eine Schaar Soldaten am Eingang sitzen. S. 459 Diese erhoben sich sogleich insgesammt, schwangen ihre Stäbe gegen mich und verwehrten mir, indem sie drohend auf mich losgingen, den Eingang, und ich hätte selbst Schläge davon getragen, wenn nicht, wie es mir schien, ein wohlwollenderer Mann für mich Fürbitte eingelegt hätte. Als ich aber vom Schlafe erwachte und meines Fehltrittes bei der Einladung gedachte, fiel mir ein, worauf die furchtbare Erscheinung der Krieger hinaus wollte, und ich beweinte meine Thorheit mit vielen Thränen und ließ auch auf das Behältniß der Reliquien eine bittere Thräne fließen, damit mir Gott gnädig wäre, und die heiligen Krieger mir verzeihen möchten.