1.
S. 584 Der treue und kluge Verwalter, ― denn ich entnehme meinen Eingang Dem, was aus dem göttlichen Evangelium vorgelesen worden ist, ― welchen der Herr über dieses Haus gesetzt hat, um zur rechten Zeit den seiner Verwaltung Anvertrauten die Lebensmittel zuzutheilen,1 hat bis jetzt in entsprechender Weise die Rede zum Schweigen verurtheilt, weil er gar wohl die Größe des Unglücks empfand und den Schmerz durch die Ruhe ehrte. Ich weiß aber nicht, warum er in der gegenwärtigen Versammlung wieder die Rede in die Kirche einführt und seinen eigenen Entschluß in Betreff der Rede wieder zurücknimmt. Obschon ich nun den Lehrer in Vielem wegen seiner Einsicht ausserordentlich bewundere, so bewundere ich ihn doch ganz vorzugsweise darin, daß im Unglück seine Rede in geziemender Weise verstummte. Denn ein naturgemäßes und geeignetes Heilmittel für die Trauernden scheint mir das Stillschweigen zu sein, indem es die Wallungen der Seele durch die Zeit und Trauer ruhig ausgähren läßt. Denn wenn man, da in der Seele noch die Leidenschaft kocht, etwa mit der Rede einwirken will, so wird die Wunde des Schmerzes unheilbarer werden, indem sie durch die Erinnerung an das Schmerzliche wie von Dornen aufgeritzt wird. Wenn es aber nicht zu vermessen ist, daß auch ich den Lehrer in etwas verbessere, so geziemte es sich wohl auch jetzt noch, daß wir uns ruhig verhielten, damit nicht die Rede, wenn sie sich zum Trauerfall fortreissen läßt, die Ohren unangenehm berührt. Denn es liegt noch keine so lange Zeit in der Mitte, daß sich das Herz an das Unglück gewöhnt hätte; frisch ist noch der Schmerz der Seele, und vielleicht wird das Schmerzgefühl im ganzen Leben frisch bleiben. Noch ist unser Herz in Aufruhr und einem wellenbewegten S. 585 Meere gleich, wenn es vom Sturme des Unglücks in seinen Tiefen aufgewühlt wird. Noch sind die Gedanken in kochender Aufwallung bei der Erinnerung an das Unglück.
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Matth. 24, 45. Der Redner vergleicht den Patriarchen von Konstantinopel, Nektarius, mit dem an dieser Stelle von Christus erwähnten Knecht, welchen der Herr über sein Gesinde gesetzt hat. ↩