4.
Wann nun geschah dieß? Am Abend der Sabbate ruft Matthäus. Das also ist die Stunde der Auferstehung nach dem Worte des Engels. Das ist der Termin des Aufenthaltes des Herrn im Herzen der Erde. Denn als bereits später Abend geworden ist, ― es war aber der Abend der Anfang jener Nacht, auf welche der erste Tag der Sabbate folgt, ― da tritt das Erdbeben ein. Da wälzt der Engel in glänzendem Gewande den Stein vom Grabe. Die Frauen aber, die sich etwas vor Tagesanbruch auf den Weg machten, als bereits die Morgendämmerung anbrach, und im Aufgang sich einiger Sonnenglanz zeigte, erfahren, daß bereits die Auferstehung geschehen sei. Diese nahmen das Wunder wahr, über die Stunde wurde ihnen nichts mitgetheilt. Denn daß er auferstanden sei, sagte ihnen der Engel, wann aber, fügte er nicht bei. Aber der große Matthäus hat allein unter allen Evangelisten die Zeit genau angegeben, indem er sagt, der Abend des Sabbats sei die Zeit der Auferstehung. Wenn aber dieß sich so verhält, so haben wir den Termin in Ordnung, indem wir vom Abend nach dem fünften bis zum Abend des Sabbats die Zeit bemessen, und durch die eingeschobene Macht [wohl eher „Nacht“ statt „Macht“], wie gesagt die Parasceve in zwei Tage und eine Nacht getheilt wird. Denn es mußte Der, welcher in seiner Macht über die Zeit selbst gebietet, seine Thaten nicht nothwendig nach bestimmten Zeitmaßen bemessen, sondern nach Erforderniß der Umstände das Zeitmaß neu gestalten, und es mußte, da die göttliche Macht das Gute mit wenigeren Umständen vollbringt, das Zeitmaß kürzer zusammengefaßt werden, so daß die Zeit nicht kürzer als zu drei Tagen und drei Nächten gezählt wird. Denn diese Zahl verlangt die mystische und geheimnißvolle Anschauungsweise, und nicht, daß die göttliche Macht, indem sie die gewöhnlichen S. 310 Zeiträume der Tage und Nächte abwartet, in der raschen Wirksamkeit aufgehalten werde. Denn der die Macht hatte, die Seele abzulegen und sie wieder zu nehmen, wann er wollte, hatte als Schöpfer der Zeiten die Macht, in seinen Werken sich nicht sklavisch an die Zeit zu binden, sondern seinen Werken die Zeit anzupassen.
Aber noch hat die Rede den wichtigsten Punkt nicht berührt. Denn die Lernbegierigen müssen untersuchen, wie der Herr in der nämlichen Zeit Dreien sich hingibt, dem Herzen der Erde, dem Paradiese mit dem Schächer und den Händen des Vaters. Denn zu den Pharisäern sagt er, daß, wie Jonas im Bauche des Seethieres war, so der Menschensohn im Herzen der Erde eine Zeit von drei Tagen sein werde;1 zu dem Räuber: „Heute wirst du bei mir im Paradiese sein“;2 zum Vater: „In deine Hände empfehle ich meinen Geist.“3 Es wird doch Niemand das Paradies in der Unterwelt, noch die Unterwelt im Paradiese suchen, so daß er in beiden zugleich wäre, oder die Hand des Vaters darunter zu verstehen wäre. Aber das bedarf für fromme Forscher ohnehin keiner Untersuchung. Denn der durch seine göttliche Macht überall ist, ist auch bei jedem Dinge zu treffen und ist nirgends abwesend.
Ich habe jedoch hierüber auch eine andere Erklärung gefunden, die ich euch, wenn ihr es nicht verschmäht, kurz auseinandersetzen will. Als der heilige Geist auf die Jungfrau herabkam, und die Kraft des Höchsten sie überschattete, da der neue Mensch in ihr den Anfang nahm, der deßhalb neu heißt, weil er nach Gott, nicht in menschlicher Weise geschaffen wurde, so daß er eine nicht von Menschenhänden gemachte Wohnung Gottes ward, denn es wohnt der Höchste, nicht in Werken von Händen,4 in solchen nämlich, die von Menschen gemacht sind, da, als ihnen die Weisheit das Haus baute,5 und durch die Umschattung der S. 311 Kraft wie in einem Siegelabdruck im Innern das Gebilde Gestalt annahm,6 da tritt zu beiden Bestandtheilen der menschlichen Natur, nämlich zu Seele und Leib, die göttliche Kraft hinzu, und geht mit beiden eine entsprechende Mischung ein. Denn da diese beiden durch den Ungehorsam dem Tode verfallen waren, so mußte, indem der Tod der Seele im Verluste des wahren Lebens, der des Leibes aber in der Verwesung und Auflösung bestand, durch die Beimischung des Lebens an diesen beiden der Tod verbannt werden. Da nun mit beiden Theilen des Menschen sich in entsprechender Weise die Gottheit vereinigt hatte, so traten an beiden Theilen die Merkmale der stärkeren Natur hervor. Denn der Körper gab die in ihm wohnende Gottheit zu erkennen, indem er durch die Berührung die Heilungen bewirkte, die Seele aber zeigte durch jenen mächtigen Willen die göttliche Kraft. Denn wie dem Körper die Sinnestätigkeit des Tastsinnes, so ist auch der Seele die Willensbewegung eigen. Es tritt hinzu der Aussätzige, schon in körperlicher Auflösung und in körperlichem Verfalle begriffen. Wie nimmt an ihm der Herr die Heilung vor? Die Seele will, der Leib berührt ihn, durch beide wird die Krankheit gehoben.7 Denn es verließ ihn, heißt es, der Aussatz. Wiederum will er diejenigen, die zu vielen Tausenden in der Wüste ihn umgeben, nicht nüchtern entlassen, und er bricht mit seinen Händen die Brode.8 Du siehst, wie durch Beides die in jedem Theile wohnende Gottheit sich offenbart, durch den thätigen Leib und durch den Akt des in der Seele befindlichen Willens.