a) Theodorets Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes.
Außer den angeführten christologischen Irrtümern Theodorets sind noch einige andere zu verzeichnen, die nur deswegen weniger Bedeutung haben, weil sie zu jener Zeit noch nicht Gegenstand des Streites waren und daher auch wenig oder gar nicht beachtet wurden. An erster Stelle sei erwähnt seine Anschauung über den Ausgang des Heiligen Geistes.
Cyrill von Alexandrien hatte im neunten Anathematismus1 behauptet, daß der Heilige Geist, durch den der Herr Jesus Christus die Wunder gewirkt, der eigene Geist desselben sei2, und er hatte diejenigen anathematisiert, welche das leugneten und meinten, Christus habe die Wunderkraft erst vom Heiligen Geist empfangen als eine ihm (Christus) an sich fremde Kraft.
Theodoret erwiderte, mit seinem Anathematismus habe Cyrill die Propheten, die Evangelisten, die Apostel, den Erzengel Gabriel, ja den Erlöser selbst S. 083 anathematisiert. Denn diese sagen uns, daß der Herr vom Heiligen Geist empfangen wurde, daß der Heilige Geist auf ihm geruht, daß er mit dem Heiligen Geist gesalbt worden sei, daß er im Geiste Gottes die Dämonen ausgetrieben habe. „Wir behaupten, daß nicht der dem Vater gleich wesentliche und gleich ewige Gott Logos, sondern die in den letzten Zeiten von ihm angenommene menschliche Natur vom Heiligen Geiste gebildet und gesalbt worden sei.” Wenn mit dem Ausdruck: „der dem Sohne eigene Geist” gesagt sein soll, daß er gleicher Natur mit demselben sei und aus dem Vater ausgehe, so bekennen wir diese Lehre ebenfalls und nehmen sie als rechtgläubig an; wenn aber damit behauptet sein soll, daß er seine Existenz aus dem Sohne oder durch den Sohn habe, so verwerfen wir das als blasphemisch und gottlos. Wir glauben dem Herrn, wenn er sagt: „der Geist, der aus dem Vater ausgeht3”.
Es wird darüber gestritten, ob Theodoret den Ausgang des Heiligen Geistes aus dem Sohn ganz allgemein leugnet oder nur eine Schöpfung des Heiligen Geistes durch den Sohn im Sinne der Pneumatomachen in Abrede stellt. Die Griechen berufen sich auf Theodoret als auf einen Hauptgegner des filioque. Auch Bellarmin, Petavius, Garnier sind derselben Ansicht4. Hergenröther neigt dieser Ansicht zu5. Andere dagegen, wie Kuhn6, Franzelin7, Perrone8, Nirschl9, verteidigen ihn. Sie meinen, er habe nur den Ursprung aus dem Sohn oder durch den Sohn im Sinne der Häretiker verworfen, die den Heiligen Geist als das erste und schönste Geschöpf des Sohnes bezeichneten.
Letzteres ist insoferne richtig, als Theodoret bei seinem Widerspruch gegen den Cyrillischen Ausdruck S. 084 zunächst an Apollinaris und Macedonius dachte. Wir ersehen das aus dem Briefe Theodorets an die orientalischen Mönche, wo er sich also äußert: „Er (Cyrill) lästert auch den Heiligen Geist, indem er behauptet, dieser gehe nicht aus dem Vater hervor gemäß dem Ausspruch des Herrn, sondern habe seine Existenz aus dem Sohne. Das ist eine Frucht aus dem Samen des Apollinaris, die nahe bei dem schlechten Ackerfeld des Macedonius gewachsen ist10”.
Die damaligen pneumatomachischen Streitigkeiten drehten sich nicht um die Frage, ob der Heilige Geist vom Vater allein oder auch vom Sohne ausgehe, sondern um die Frage, ob der Heilige Geist vom Vater ausgehe oder vom Sohn erschaffen worden sei. So dachte Theodoret, wie leicht verständlich, auch nur an diese letztere Alternative und glaubte, Cyrill wolle mit dem „eigenen Geist des Sohnes” den Heiligen Geist als ein Geschöpf des Sohnes bezeichnen. Diese vermeintliche Ansicht des Cyrill weist er kategorisch zurück, solche Meinung nennt er blasphemisch und gottlos. Die Frage, ob der Heilige Geist außer vom Vater auch vom Sohne ausgehe, hat sich Theodoret gar nicht gestellt. So kommt es, daß er überall, wo er ex professo vom Ausgang des Heiligen Geistes handelt, denselben unter Berufung auf Joh. 15, 26 nur vom Vater ausgehen läßt11.
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Mg 76, 429. Hefele CG II², 171 f. ↩
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Vgl. Röm. 8, 9: „Spiritus Christi” und Gal. 4, 6: „Spiritus Filii.” ↩
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Repr. anath. 9; Mg 76, 429 sqq. ↩
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Garnier diss. III, bei Mg 84, 403 sqq. ↩
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Hergenröther, Photius I 687. ↩
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Kuhn, Dogmatik II, 485. ↩
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Franzelin, De Deo trino (Rom 1869) 516 sq. ↩
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Perrone, Praelectiones theol., ed. 27, Ratisb. 2. (1856), vol. I p. 476. ↩
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Nirschl, Lehrb. d. Patrol. u. Patristik III (1885) 199. ↩
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Ep. 151, Mg 83, 1417 D. ↩
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Vgl. Repr. anath. 9; Mg 76, 429 sqq. Hfc V 3; Mg 83, 453 D. 456 A. Interpr. ep. ad Rom. 8, 11; Mg 82, 132 AC. ↩