Kap. 1. Vorwort.
S. 798Unser Herr Jesus Christus, die Quelle der Weisheit, das wahre Licht der Erkenntnis, das Wort des Allerschaffers Gottes, weiß, daß unsere Natur sich fort und fort gegen die schlüpfrigen Abgründe der Sünden neigt, er hat für uns das innige Mitleid seiner menschenfreundlichen Natur gezeigt, zur Erfüllung des Wohlgefallens an Abraham, das kund ward über die Opferung seines einzigen Sohnes; und er schwor bei sich und sprach: „Wahrlich, mit meinem Segen werde ich dich segnen wie die Sterne des Himmels“,1 und wiederum: „In deinem Geschlechte werden gesegnet sein alle Völker der Erde“.2
Er wußte bei seiner göttlichen Natur, daß uns von hier aus emporsprießen sollte das fleischgewordene Geheimnis der Mittlerschaft Christi. Jeder der Propheten hat diese Heilsverkündigung gekannt und gewußt, es sei unmöglich, daß Gott jemals lüge, und so hat er mannigfach gegen die menschlichen Leiden den einzigen Arzt gerufen. Gott aber kam unseren Bitten zuvor, er, der niemals die zurückstößt, welche ihn lauteren Herzens als Gott suchen, er hat in der Fülle der Zeiten seine Verheißung vollendet, geboren aus der heiligen Jungfrau, er hat gelitten im Fleische, er hat durch die Ähnlichkeit mit unserem Tode den besiegt, der da Gewalt hat über den Tod. Er selbst aber blieb, was er war, ohne Teil am Leiden, kraft seiner Gottesnatur. Er befreite uns aber vom Tode und den unlösbaren Ketten der Herrschaft der Hölle.
S. 799So hat er seine Heilsordnung erfüllt und jedem Volk durch die Wiedergeburt der Taufe und durch den Glauben aller an ihn Nachlaß der Sünden geschenkt, durch den Mund der heiligen Apostel, welche in seinem Auftrage hingingen; denn er sagt: "Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes„.3
Als sich die Heilsbotschaft über die ganze Erde ausbreitete und sich viele für die Kindschaft Gottes gewinnen ließen, da erzürnte der Teufel gar sehr gegen uns und bemühte sich, noch schwerere Versuchungen gegen die Diener Gottes zu erproben, um ans, voll Wut, die Wege zum Heil zu versperren. Aber auch hierin war sein vielgestaltiges Ringen umsonst bei den Wachsamen.
Mit Zulassung Gottes nämlich erregten heidnische Kaiser zur Prüfung im Glauben und zur Ausdauer im Streite für die, welche nach göttlicher Vorschrift bereit waren, seinen Kampf zu kämpfen, überall auf der Erde gewalttätig eine wilde Verfolgung gegen die Christen. Und sogleich erstanden zahlreiche Blutzeugen durch viele und mannigfache Marten, die bis zum Tode im Glauben an Christus, den Heiland, verharrten. Sie wurden zugleich mit Petrus, dem Erzbischof von Alexandria,4 unsterblicher und ewiger Siegeskränze gewürdigt.
S. 800Wie die Zeiten aber wuchs und wurde stark der Glaube an ihn. In jedem Lande und auf jeder Insel erhoben sich überaus viele Kirchen und überall die Heiligtümer der Gebetshäuser, so daß endlich auch Klöster entstanden und die Reinheit der Asketen und ihre Entsagung von allem weltlichen Besitz die Wüsten heiligte. Als nämlich die Gläubigen unter den Heiden die Kämpfe der Märtyrer sahen und ihren kindlichen und lauteren Glauben an Christus, den Heiland, da begannen auch sie, gestärkt durch die Gnade des Herrn, das Leben der heiligen Propheten nachzuahmen, von denen der Apostel, das Werkzeug der Erwählung, sagt: “Sie wandelten umher in Schaffellen und Ziegenhäuten, Mangel leidend, bedrängt, gequält, umherirrend in Wüsten, auf den Bergen, in den Höhlen und Schlupfwinkeln der Erde, sie, derer die Welt nicht wert war„.5 Denn durch die weise Ruhe und ihre Zurückgezogenheit erwarben sie ihr eigenes Heil und boten sich vielen anderen dar als Beispiel von herrlicheren Tugenden in den Augen Gottes. Sie entäußerten sich aller irdischen und vergänglichen Güter, sie eiferten im Fleische nach dem Wandel der körperlosen Wesen und bestrebten sich dadurch, sich selbst hinzuführen zum Gipfel der Tugenden durch Askese und Frömmigkeit, durch Sanftmut und Milde, so daß sie in nichts weniger wert erschienen als die früher lebenden Heiligen, ja daß sie sogar durch ihre Kämpfe denen gleichkamen, welche für den Namen unseres Herrn Jesus Christus treu gekämpft hatten. Denn auch sie stritten tapfer gegen die unbesiegbaren und unsichtbar kämpfenden Feinde und überwanden ihre Macht nach den Worten dessen, der da sagt: “Es gilt den Kampf für uns nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte, gegen die Gewalten, gegen die Herrscher der Finsternis dieser Welt, gegen die Geister der Schlechtigkeit im Himmel„.6 Sie wurden ewiger und unsterblicher Güter gewürdigt, von denen es heißt: “Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herz ist es gekommen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben„.7
Das Leben des größten Asketen, unseres Vaters Antonius8 war in Wahrheit eine Nachahmung des großen Elias und Elisäus und des Johannes des Täufers, jener Besiedler der Wüste und Liebhaber himmlischer und ewiger Güter. Über sein Leben legt in Aufzeichnungen bis in das Einzelne der heilige Erzbischof Athanasius Zeugnis ab, der auch selbst des Lebenswandels des Antonius wert war. In diesen Aufzeichnungen erwähnt er auch unseren heiligen Vater Ammun,9 der selbst durch die Gnade des Herrn die Askese der Brüder im Gebirge von Nitria10 begründet hat; außerdem erwähnte er auch noch seinen Genossen Theodorus,11 einen überaus asketischen Mann, der große Macht besaß und durch seinen vollkommenen Glauben an Christus und seine bis aufs Höchste gesteigerte Askese die vielgestaltigen Anschläge des Feindes herrlich niederkämpfte.
Überallhin nun ergoß sich in reichlicher Fülle die Gnade Gottes nach dem Wort der Schrift: “Du blicktest hin auf die Erde und machtest sie trunken„,12 Denn der Friedensstifter unserer Seelen gab statt Schmerz und Jammer Freude und Heiterkeit, und statt zeitlicher Sorge gewährte er ewigen Jubel denen, die ihn in Wahrheit suchen. Daraus erstanden nun in jedem Lande bewunderungswürdige Mönchsväter, deren Namen im Buche des Lebens aufgezeichnet sind. In Ägypten aber und der Thebais13 gab es noch nicht viele Mönche. Denn erst nach der Verfolgung des Diokletian14 und Maximianus15 erfüllte sich die Sinnesänderung der Heiden,S. 802und die Zunahme der Kirche trug herrliche Früchte, da auch die heiligen Bischöfe sie nach der Lehre der Apostel auf den Weg zu Gott wiesen. Unter ihnen war auch ein gewisser Pachomius, der gleichfalls von den Vorfahren her ein Heide war und in der Thebais lebte; er wurde des Mitleids und der Menschenfreundlichkeit von Gott gewürdigt und wurde so Christ. Er eilte von früher Jugend an zur höchsten Vollendung in der Askese. Indessen ist es nötig, zur Ehre Gottes, der uns aus der Finsternis in sein überaus herrliches Licht gerufen, und zum Nutzen der Leser dieser Erzählung seinen Lebenswandel von Jugend auf in den einzelnen Abschnitten zu berichten. Denn wert seiner Vollkommenheit sind auch die Vorbemerkungen, wie sie die heidnische Rhetorik lehrt.
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Gen 12,3. ↩
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Ebd. ↩
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Mt 28,19. ↩
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Petrus wurde als Nachfolger des Theonas im Jahre 800 Erzbischof von Alexandria. Während der Verfolgung unter Diokletian kam es zum Bruch zwischen ihm und Keletius (vgl. S. 49 Anm. 2 [827].), der der strengeren Richtung der Bekenner angehörte, aber auch in die Amtsgewalt des P. eingegriffen hatte. Die Einkerkerung und Hinrichtung des P. scheint unerwartet erfolgt zu sein (311), als die Verfolgung durch Maximinus plötzlich wieder aufgenommen wurde. Er gilt als das letzte Opfer dir großen diokletianischen Verfolgung und heißt bei den Griechen "Das Siegel der Martyrer“. P. war ein entschiedener Gegner des Origenes vgl. S. 48 Anm. 2 [826]. Auf seiten der Meletianer stand anfangs auch Arius (vgl. S. 49 Anm. 1 [827]), verließ aber ihre Partei und wurde von P. zum Diakon geweiht. Später aber trat er wieder zu den Meletianern über und wurde von P. aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen. ↩
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Hebr 11,37 ↩
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Eph 6,12. ↩
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1Kor 2,9. ↩
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Vgl. die Vita Antonii von Athanasius. ↩
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Vgl. die vita Ant. Kap. 60. ↩
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Ein Flecken in Unterägypten. ↩
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Vgl. die vita Ant. Kap. 60. ↩
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Ps 64,10. ↩
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Landschaft in Oberägypten, benannt nach der Stadt Theben. ↩
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Diokletian, geb. 245, Kaiser 284 bis 305. ↩
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Maximian, der Freund des Diokletian, seit 286 Mitregend (über Italien u. Afrika). Die (letzte) Christenverfolgung dauerte 302 u. 303. ↩