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Bittschrift für die Christen (BKV)
1. S. 273
Mächtigste Herrscher!
Obwohl Eure Untertanen die widersprechendsten Sitten und Einrichtungen haben, sieht sich doch keiner aus ihnen durch ein Gesetz und durch die Furcht vor Strafe gezwungen, von der Liebe zu den heimischen Bräuchen abzulassen, sollten diese auch noch so lächerlich sein. Der hier vergöttert seinen Hektor und betet Helena als Adrasteia 1 an; der Lazedämonier verehrt den Agamemnon als Zeus und Phylonoe, die Tochter des Tyndareos, als Hekate Enodia 2; der Athener opfert dem Erechtheus, den er mit Poseidon identifiziert; auch werden von den Athenern die Agraulos und die Pandrosos, die doch wegen Öffnung der Kiste 3 als Frevlerinnen galten, durch Weihungen und Geheimdienst verehrt. So hat, um es kurz zu sagen, eine jede Nation und ein jeder Volksstamm Opfer und Geheimdienst nach eigener Wahl. Die Ägypter verehren sogar Katzen, Krokodile, Schlangen, Nattern und Hunde als Götter. Und all diese werden weder von Euch noch von den Gesetzen behelligt. Ihr seht eben ein, daß der volle Atheismus Sünde und Frevel ist und daß man einem jeden die Götter seiner Wahl lassen muß, damit die Menschen aus Furcht vor der Gottheit das Unrecht meiden. [Wir dagegen werden angefeindet - wegen des bloßen Namens! O lasset Euch doch nicht wie die urteilslose Menge vom Hörensagen berücken! Denn S. 274 nicht die Namen verdienen Haß, erst das Unrecht verdient gerichtliche Verfolgung und Strafe 4.] Daher bewundert auch alles Eure Güte und Milde, Eure unbegrenzte Friedsamkeit und Menschenliebe. Denn es bekommt nicht nur jeder einzelne das ihm gebührende Recht, nicht nur jede Gemeinde die ihrer Stellung entsprechende Anerkennung, sondern dank Eurer weisen Regierung erfreut sich der ganze Erdkreis eines tiefen Friedens. Leider aber erstreckt sich Eure Fürsorge nicht auch auf uns, die sogenannten Christen. Obschon wir kein Unrecht verüben, sondern, wie im Laufe der Rede gezeigt werden soll, sowohl gegen die Gottheit als gegen Eure Herrschaft das Allerpietätvollste, gerechteste Verhalten beobachten, so lasset Ihr doch zu, daß man uns mißhandelt, ausraubt, fortjagt, indem der Pöbel auf den bloßen Namen hin mit uns Krieg führt. Daher haben wir uns ein Herz gefaßt, unsere Angelegenheiten zur Sprache zu bringen (diese Rede soll Euch den Nachweis liefern, daß wir widerrechtlich und gegen alle Satzung und Vernunft Verfolgung leiden), und legen Euch die Bitte vor, auch in unserer Sache nach dem Rechten zu sehen, damit wir nicht länger mehr Schlachtopfer der Angeber sein müssen. Denn unsere Verfolger haben es eigentlich nicht auf unsere Güter abgesehen, wenn sie unsere Bestrafung betreiben, nicht auf unsere bürgerliche Ehre, wenn sie Schimpf auf uns häufen, nicht auf sonst eines der geringeren 5 Güter, wenn sie uns in Schaden stürzen; solche Güter schlagen wir nämlich nicht hoch an, mögen sie auch der Menge erstrebenswert erscheinen. [Denn wir haben die Lehre empfangen, Leute, die uns quälen, nicht ebenfalls zu schlagen, und Leute, die uns vertreiben und ausrauben, nicht einmal vor Gericht zu S. 275 fordern, sondern ersteren, wenn sie uns schmählich auf die Schläfe schlagen, auch die andere Seite des Kopfes zum Schlage darzubieten und letzteren, wenn sie uns den Leibrock nehmen, auch noch den Mantel auszuliefern.] 6 Nein, unser Leib und unser Leben ist es, worauf die Nachstellungen der Verfolger zielen, wenn es keine Güter mehr bei uns zu holen gibt. So erklären sich auch die vielen Beschuldigungen, die sie über uns ausstreuen. Aber all diese Dinge lassen wir uns nicht einmal in Gedanken beikommen, während sie dagegen jenen Schwätzern und ihrer Zunft wirklich anhaften.
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Eine troisch-phrygische Berggöttin, die auch mit Rhea, Kybele und Nemesis konfundiert wird; derartige Theokrasien, Zeichen des Niedergangs, sind für die hellenistische Zeit charakteristisch. ↩
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Hekate Enodia ist mit der Mondgöttin Artemis dientisch. Nach Gessner: der Tenedier den Tennes. ↩
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Athene hatte den Töchtern des Kekrops - Agraulos, Herse und Pandoros - den jungen Erichthonios (ursprünglich identisch mit Erechtheus) in einer verschlossenen Kiste übergeben mit dem Verbote, diese zu öffnen; als sie neugierig die Kiste öffneten, wurden sie wahnsinnig. ↩
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Diese Stelle stört den Gedankenzusammenhang. Schwartz hält sie für eine Interpolation. ↩
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Der Übersetzer folgt hier der von Schwartz vergeschlagenen Textverbesserung, welche einen logischen Übergang zum folgende Satz herstellt. Auch wo sonst noch notwendig schien, richtet sich, wie der Kenner des Textes merken wird, die Übersetzung nach Schwartzschen Konjekturen. ↩
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Auch diese Stelle unterbricht den Gedankenzusammenhang. Dem Sinne nach ist Luk. 6,29 oder Matth. 5,39.40 zitiert. ↩
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A Plea for the Christians
Chapter I.--Injustice Shown Towards the Christians.
In your empire, greatest of sovereigns, different nations have different customs and laws; and no one is hindered by law or fear of punishment from following his ancestral usages, however ridiculous these may be. A citizen of Ilium calls Hector a god, and pays divine honours to Helen, taking her for Adrasteia. The Lacedaemonian venerates Agamemnon as Zeus, and Phylonoë the daughter of Tyndarus; and the man of Tenedos worships Tennes. 1 The Athenian sacrifices to Erechtheus as Poseidon. The Athenians also perform religious rites and celebrate mysteries in honour of Agraulus and Pandrosus, women who were deemed guilty of impiety for opening the box. In short, among every nation and people, men offer whatever sacrifices and celebrate whatever mysteries they please. The Egyptians reckon among their gods even cats, and crocodiles, and serpents, and asps, and dogs. And to all these both you and the laws give permission so to act, deeming, on the one hand, that to believe in no god at all is impious and wicked, and on the other, that it is necessary for each man to worship the gods he prefers, in order that through fear of the deity, men may be kept from wrong-doing. But why--for do not, like the multitude, be led astray by hearsay--why is a mere name odious to you? 2 Names are not deserving of hatred: it is the unjust act that calls for penalty and punishment. And accordingly, with admiration of your mildness and gentleness, and your peaceful and benevolent disposition towards every man, individuals live in the possession of equal rights; and the cities, according to their rank, share in equal honour; and the whole empire, under your intelligent sway, enjoys profound peace. But for us who are called Christians 3 you have not in like manner cared; but although we commit no wrong--nay, as will appear in the sequel of this discourse, are of all men most piously and righteously disposed towards the Deity and towards your government--you allow us to be harassed, plundered, and persecuted, the multitude making war upon us for our name alone. We venture, therefore, to lay a statement of our case before you--and you will learn from this discourse that we suffer unjustly, and contrary to all law and reason--and we beseech you to bestow some consideration upon us also, that we may cease at length to be slaughtered at the instigation of false accusers. For the fine imposed by our persecutors does not aim merely at our property, nor their insults at our reputation, nor the damage they do us at any other of our greater interests. These we hold in contempt, though to the generality they appear matters of great importance; for we have learned, not only not to return blow for blow, nor to go to law with those who plunder and rob us, but to those who smite us on one side of the face to offer the other side also, and to those who take away our coat to give likewise our cloak. But, when we have surrendered our property, they plot against our very bodies and souls, 4 pouring upon us wholesale charges of crimes of which we are guiltless even in thought, but which belong to these idle praters themselves, and to the whole tribe of those who are like them.
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There are here many varieties of reading: we have followed the text suggested by Gesner. ↩
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We here follow the text of Otto; others read hemin. ↩
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[Kaye, 153.] ↩
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[For three centuries the faithful were made witnesses for Jesus and the resurrection, even unto death; with "spoiling of their goods," not only, but dying daily, and "counted as sheep for the slaughter." What can refuse such testimony? They conquered through suffering. The reader will be pleased with this citation from an author, the neglect of whose heavenly writings is a sad token of spiritual decline in the spirit of our religion:-- "The Lord is sure of His designed advantages out of the sufferings of His Church and of His saints for His name. He loses nothing, and they lose nothing; but their enemies, when they rage most and prevail most, are ever the greatest losers. His own glory grows, the graces of His people grow; yea, their very number grows, and that, sometimes, most by their greatest sufferings. This was evident in the first ages of the Christian Church. Where were the glory of so much invincible love and patience, if they had not been so put to it?" Leighton, Comm. on St. Peter, Works, vol. iv. p. 478. West's admirable edition, London, Longmans, 1870.] ↩