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Ferner dichten sie uns gottlose Mahlzeiten und Beilager an, einerseits um sich einzureden, daß sie uns mit Recht hassen, anderseits in der Erwartung, uns durch Einschüchterung von unserer Lebensweise abzubringen oder durch die Schwere der Anklagen die Behörden gegen uns einzunehmen und zu schonungslosem Vorgehen aufzureizen; aber das ist doch nur ein dummer Spaß Leuten gegenüber, die in dem Kampfe der Schlechtigkeit gegen die Tugend eine ganz gewöhnliche, uralte und nicht erst in der Gegenwart hervortretende Erscheinung erblicken, welche die notwendige Folge eines göttlichen Gesetzes und Planes ist. So starb Pythagoras mit dreihundert Gefährten den Feuertod; Heraklit wurde aus dem Staate der Ephesier, Demokrit aus dem der Abderiten ausgewiesen, jeder, weil man ihn für wahnsinnig erklärte; auch den Sokrates verurteilten die Athener zum Tode. So wenig aber nun die öffentliche Meinung jenen Männern in Hinsicht auf Tugend Abbruch tun konnte, so wenig wirft auch auf uns die unverständige Verleumdung, mit der gewisse Leute uns angreifen, in Hinsicht auf die Rechtlichkeit des Lebens einen Schatten, da wir bei Gott anerkannt sind. Aber dennoch will ich auch diesen Vorwürfen begegnen. Euch freilich sind schon meine bisherigen Darlegungen gewiß eine ausreichende Rechtfertigung; denn da Ihr an Einsicht alle überragt, so wißt Ihr auch, daß wir uns nie auch nur eine ganz kurze Gedankensünde erlauben, denn da Gott die Richtschnur für unser Leben bildet, so ist es unser eifrigstes Bestreben, daß das Leben eines jeden von uns in Gottes Auge schuldlos und S. 320 untadelig sei. Hätte wir nämlich den Glauben, daß sich unser Leben auf diese Welt allein beschränke, so könnten wir wohl auch in den Verdacht kommen zu sündigen, etwa indem wir den Regungen des Fleisches und Blutes nachgeben oder der Gewinnsucht und Begehrlichkeit unterliegen. Nachdem wir aber wissen, Gott wacht Tag und Nacht über unsere Gedanken und Worte, er sieht, da er ganz Licht ist, auch unser Inneres, nachdem wir ferner überzeugt sind, wir werden nach diesem Leben ein anderes Leben führen, entweder ein besseres als das gegenwärtige, ein himmlisches, kein irdisches, insofern wir bei Gott und mit Gott sein werden, durch nichts mehr in der Seele beeinflußt und beirrt, nicht als Fleisch, obwohl wir Fleisch noch haben werden, sondern als himmlischer Geist, oder, wenn wir mit den übrigen zusammenfallen, ein schlechteres, ein Leben im Feuer (denn Gott hat uns nicht wie Herdenvieh und Zugtiere als Nebensache erschaffen mit der Bestimmung umzukommen und zu verschwinden), nach all dem ist nicht zu erwarten, daß wir Schlechtes begehen und uns der Bestrafung des großen Richters aussetzen wollen.