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Werke Tatian (120-173) Oratio ad Graecos Rede an die Bekenner des Griechentums (BKV)

6.

S. 203 (1) Und deshalb hegen wir den Gauben, daß nach der Vollendung aller Dinge auch die Leiber auferstehen werden, nicht, wie die Stoiker meinen, indem nach bestimmten zyklischen Perioden dieselben Dinge immer wieder zwecklos entständen und vergingen1, sondern überhaupt nur einmal, nach Vollendung der gegenwärtigen Zeit, und zwar dazu, um einzig und allein die Menschen des Gerichtes wegen zu versammeln. (2) Es richten uns aber nicht Minos und Rhadamanthys, vor deren Tod, wie man fabelt, keine Seele gerichtet worden sei, sondern Richter wird Gott der Schöpfer selbst sein2. (3) Mögt ihr uns auch für Schwätzer und Possenreißer halten3, uns kümmert das nicht, da wir dieser Lehre Gauben geschenkt haben. Denn wie ich nicht war, bevor ich wurde, und deshalb auch nicht wußte, wer ich sein würde, sondern nur potentiell in der fleischlichen Materie existierte4, dann aber, da ich ja nicht von Anfang an war, erst infolge meiner Geburt die Überzeugung von meiner Existenz erlangte: ebenso werde ich, der Gewordene und durch den Tod wieder Ausgelöschte und von keinem mehr Erschaute, abermals sein, wie ich ja dereinst, da ich nicht von Anfang an existiert habe, auch erst zum Leben geboren werden mußte5. (4) Ob auch Feuer mein Fleisch vernichte, das All nimmt die in Dampf verwandelte Materie auf; ob ich in Strömen oder in Meeren zugrunde gehe oder von wilden Tieren zerfleischt werde, in der Schatzkammer eines reichen Herrn werde ich geborgen. Der arme Gottesleugner freilich kennt die dort niedergelegten Schätze nicht; Gott aber, der Herrscher, wird, wann er will, die ihm allein sichtbare Potenz6 in S. 204 den früheren Zustand zurückversetzen.


  1. Vgl. Kap. III 4. ↩

  2. Hebr. 9,26. ↩

  3. Vgl. Kap. XXV 6. ↩

  4. *ἐν ὑποστάσει τῆς σαρκικῆς ὕλης, s. Anm. zu Kap. V 1. ↩

  5. Vgl. Tertull. apol. 48. ↩

  6. *τὴν ὁρατὴν αὐτῷ μόνῳ (so mit V statt μόνην MP oder μόνον Schw.) ὑπόστασιν, vgl. Kap. XV 8 f., s. Anm. zu Kap. V 1. ↩

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