20. Die Gesetze des alten Bundes waren ganz nach dem Herzenszustande des jüdischen Volkes eingerichtet.
Das Gesetz aber ist der Dekalog, jene zehn Gebote, welche Gott mit lauter Stimme seinem Volke gab, ehe es S. 202 sich das Kalb machte, nämlich den Apis der Ägypter. Dieses Gesetz aber ist gerecht; deßwegen heißt es auch Gesetz, weil nach der Natur die Gerichte gerecht geschehen; und dieses Gesetz verachten die Anhänger Simons, meinend, von ihm nicht gerichtet zu werden und der Strafe zu entfliehen; dieses Gesetz ist gut, heilig und zwanglos. Denn der Herr sagt: „Wenn du nur einen Altar machest, so sollst du ihn mir aus Erde machen;” er sagt nicht „mache”, sondern, „wenn du machest”, er legt keinen Zwang auf, sondern er überläßt es dem freien Willen. Denn Gott bedarf der Opfer nicht, da er seiner Wesenheit nach Nichts bedarf; aber er wußte, daß auch schon ehedem der gotlliebende Abel und Noe und Abraham und ihre Nachkommen nicht gezwungen, sondern vom Naturgesetz bewogen von selbst aus dankbarer Gesinnung ihm Opfer dargebracht haben. Das Gleiche gestattete er den Juden, weit entfernt, es ihnen zu befehlen; er erklärte, ihre Opfer wohlgefällig anzunehmen, wenn sie selbe mit rechter Gesinnung darbrächten. Deßwegen sagt er: „Wenn du opfern willst, so opfere mir, nicht als ob ich dessen bedürfte, denn mir mangelt Nichts, mein ist der Erdkreis und was ihn erfüllt.”1Als aber Dieß bei den Israeliten in Vergessenheit kam, und sie ein Kalb statt Gott verehrten und diesem die Ursache des Auszugs aus Ägypten zuschrieben, indem sie sprachen: „Das sind deine Götter, Israel, welche dich herausgeführt aus dem Lande Ägypten!” und als sie gottloser Weise das Bild eines Heu fressenden Kalbes anbeteten, da verläugneten sie Gott, Denjenigen, welcher in ihrer Bedrängniß sie heimgesucht hatte durch Moses, welcher mit dem Stabe Wunder that und die Ägyptier mit zehn Plagen schlug, welcher das rothe Meer schied zur Theilung der Gewässer und die Israeliten mitten durch die Gewässer führte wie ein Pferd durch das Feld, der ihre Feinde und Verfolger versenkte, der die bittere Quelle süß machte, der S. 203 aus hartem Felsen Wasser in Fülle hervorlockte, der sie durch eine Wolkensäule vor allzu großer Hitze schützte und durch eine Feuersäule ihnen Licht gab, der sie führte, ohne daß sie wußten wohin; der das Manna vom Himmel ihnen spendete und Fleisch gab durch Wachteln, vom Meere kommend, der auf dem Berge das Gesetz ihnen gab; dessen Stimme zu hören Jene gewürdigt waren, die ihn nachher verläugneten, indem sie zu Aaron sprachen: „Mach' uns Götter, die vor uns hergehen.”2Und sie machten ein aus Metall geschmolzenes Kalb und opferten dem Götzen; da war Gott erzürnt ob ihrer Undankbarkeit, und er band sie mit unauflöslichen Fesseln und legte ihnen schwere Bürden und ein hartes Joch auf; er sprach nicht mehr: „Wenn du machst”, sondern: „Mach' einen Altar und opfere fortwährend,“ denn du bist vergeßlich und undankbar; bringe daher beständig ein Brandopfer, damit du meiner gedenkest; denn weil du mit der Freiheit Mißbrauch getrieben, so lege ich dir Zwang auf für die Zukunft und verbiete dir, von gewissen Speisen und Thieren zu genießen als reinen oder unreinen Thieren, obgleich alle Thiere gut sind, weil von mir geschaffen; auch mache ich dir Reinigungen, häufige Waschungen, Besprengungen und Sühnungen, verschiedene Festlichkeiten zur Pflicht; und wenn du im Einzelnen ungehorsam bist, so bestimme ich eine Strafe, wie es dem Ungehorsamen geziemt, damit du gedrückt und von diesem Joche beengt abstehest vom Irrthum der Vielgötterei und ablassend vom „Israel, das sind deine Götter” eingedenk seiest des „Höre, Israel, der Herr dein Gott ist nur e i n Herr,”3und du dich jenem Gesetze wieder zuwendest, das ich allen Menschen von Natur aus eingepflanzt habe: daß nur e i n Gott sei im Himmel und auf Erden, welchen man lieben müsse aus ganzem Herzen und aus allen Kräften und aus ganzer Seele, und daß ausser ihm ein Anderer nicht zu fürchten; daß man die Namen anderer Götter weder denken noch aussprechen dürfe. We- S. 204 gen ihrer Herzenshärte hat der Herr sie gebunden, damit sie durch Opfer, Feste und Reinigungen und ähnliche Observanzen wieder Anlaß nehmen, an Gott zu denken, der ihnen Solches befohlen.