Einleitung
S. 523 Das zweiteilige Jugendwerk des hl. Athanasius „Gegen die Heiden“ (κατὰ Ἑλλήνων - contra gentes, MPG XXV, 1-96) und „Über die Menschwerdung des Logos und dessen leibliche Erscheinung unter uns“ (περὶ τῆς ἐνανθρωπήσεως τοῦ λόγου καὶ τῆς διὰ σώματος πρὸς ἡμᾶς ἐπιφανείας αὐτοῦ - de incarnatione Verbi, MPG XXV, 96-198) ist eine Apologie des Christentums gegen das Heidentum und Judentum. In der ersten Schrift wird das Heidentum in seiner Verkommenheit und Torheit bloßgestellt und verurteilt und dem heidnischen Götzenwahn gegenüber der christliche Monotheismus als allein vernünftig und heilsnotwendig begründet. Im zweiten Teilwerk wird das christliche Mysterium des Heils in der „Menschwerdung des Logos“ erläutert, als vernunftgerecht dargelegt und gegen heidnische und jüdische Einwände verteidigt.
Die beiden Schriften als ein Werk anzusprechen und zu behandeln, dazu berechtigen ihre gegenseitigen formellen und inhaltlichen Beziehungen: „Über die Menschwerdung“ stellt im ersten Kapitel ausdrücklich die Überleitung vom ersten zum zweiten Buch her und gibt außerdem wiederholt ähnliche Rückverweisungen (in cc. 4. 11) zu lesen. Der Autor der ersten Schrift „Gegen die Heiden“ kündigt aber gleich in seiner Einleitung (c. 1) auch eine Abhandlung über ein speziell christologisches Thema an, die er tatsächlich erst im zweiten Buch liefert. Daraus erhellt, daß die beiden Schriften von Anfang an auch inhaltlich aufeinander angelegt sind.
Eine Apologie des Christentums im strengen Sinn stellt das Werk dar, insofern es einmal die charakteristische Zweiteilung der Apologie enthält: den Angriff auf die gegnerische Position und die Verteidigung der eigenen, sodann auch die doppelte Bestimmung hat, einem bereits christlichen Leserkreis eine S. 524 noch notwendige weitere Belehrung zu geben, wie auch dem Christentum noch Fernstehende über die Wahrheit aufzuklären und für Christus zu gewinnen.
Die zwei Abhandlungen sind nämlich nicht an einen bestimmten Freund Makarius 1 adressiert, sondern an einen weiteren, und zwar zunächst 2 an einen christlichen Leserkreis, der allerdings noch einer Unterweisung und Befestigung im Glauben bedarf: Der Adressat wird wiederholt (contra gentes cc. 1. 47; de incarnatione cc. 1. 56) als μακάριος und φιλόχριστος angeredet, und die Angaben des Athanasius über den Zweck seines Schreibens (im Schlußabschnitt von contra gentes c. 1 sowie in de incarnatione c.1) stellen außer jeden Zweifel, daß der Leser desselben sich bereits zum Christentum bekehrt hat. Anderseits sollte das Werk wohl auch einem noch außenstehenden Leserpublikum zugänglich werden. Zu solcher Annahme rieten schon die einläßliche Bloßstellung des Götzendienstes und die wiederholte Aufforderung zum Schriftstudium (contra gentes c. 1; de incarnatione c. 57. u. ö.) und raten mehr noch einzelne Stellen der einen wie der anderen Schrift: In contra gentes c.1 stößt der Leser auf die Warnung, „die bei uns vorgetragene Lehre geringzuschätzen oder den Glauben an Christus für unvernünftig zu halten“. In c.21 werden durchweg die Heiden direkt angeredet. In de incarnatione ergeht an den Leser wiederholt (cc. 28. 55) der Appell, sich zum christlichen Glauben zu bekennen und seine Vorurteile aufzugeben. 3
Die Herkunft dieser doppelgliedrigen Apologie von S. 525 Athanasius wurde vorübergehend mit ganz unzulässigen Gründen bezweifelt und bestritten, von einer besonnenen Kritik aber sichergestellt. 4
Entstanden ist das „Jugendwerk“ des Athanasius wohl vor dem Auftauchen der arianischen Streitigkeiten und jedenfalls vor dem Nizänum, mit ziemlicher Sicherheit ca. 320. Der alexandrinische Diakon wäre dann bei seiner Abfassung etwa 25 Jahre alt gewesen.
Bei der Bestimmung des Abfassungsortes wird man auf Ägypten und näherhin auf Alexandria weisen müssen. Die Bemerkung in contra gentes c. 1: „Da wir aber die Traktate der Lehrer augenblicklich nicht zur Hand haben, so müssen wir das, was wir von jenen gelernt haben, dir mitteilen und schreiben“, spricht nicht ernsthaft dagegen. K. Hoß 5 beurteilte sie einfach als „eine ungeschickte Motivierung des eigenen schriftstellerischen Unternehmens“ und meint, „es dürfte kaum möglich sein, dieser“ - ziemlich belanglosen - „Stelle einen vernünftigen Sinn abzugewinnen“. - Indes darf man mit Grund annehmen, daß Athanasius mit der zitierten Äußerung sich kommunikativ in die Lage des Adressaten dachte. Unmittelbar zuvor schreibt er ja, wer in der Lage sei, nebst den heiligen Büchern auch die Väterschriften studieren zu können, werde erwünschten Aufschluß finden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Nun bedarf aber doch nicht Athanasius erst noch solcher Erkenntnis und damit eines weiteren „Väter“studiums, sondern sein Leser. Ihm, der hierzu die „Vätertraktate“ benötigte, aber solche nicht zur Verfügung hat, will er nun in mitfolgender Schrift einen Ersatz dafür liefern.
Mit diesen zwei Traktaten hat Athanasius zweifellos einen wertvollen Beitrag zur apologetischen Literatur geliefert. Mögen auch beide an Weitschweifigkeit und lästigen Wiederholungen leiden, gelegentlich auch S. 526 wenig gelungene Bilder und Vergleiche bringen oder eine klare Gedankenabfolge missen lassen, - stilistisch gewertet, zählen sie doch zu den besten Arbeiten des Alexandriners, und sachlich betrachtet, mangelt ihnen kaum ein wesentliches apologetisches Beweismoment. „Über die Menschwerdung“ darf geradezu als „die klassische Darstellung der altkirchlichen Erlösungslehre“ bezeichnet werden. 6
Der Übersicht halber schicken wir eine detailliertere Inhaltsangabe für die zwei Schriften voraus:
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Die lateinische Übersetzung des Ambrosius von Kamaldoli trug erstmals die irrige Aufschrift: Athanasii Alexandrini episcopi contra gentiles liber primus ad Macarium Alexandrinae eoclesiae presbyterum. Sie ist aber sicher auf ein Mißverständnis der Anrede in c. 1 .(ὦ μακάριε) zurückzuführen. Die ganz analoge Anrede in de incarnatione c. 1 .(μακάριε καὶ ἀληθῶς φιλόχριστε) verbietet allein schon, an einen Adressaten mit dem Eigennamen „Makarius“ zu denken. ↩
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K. Hoß (Studien über das Schrifttum und die Theologie des Athanasius, Freiburg 1899, S. 6) denkt sich - sicher mit Unrecht - als erste Adressaten nichtchristliche Leser. ↩
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Vgl. Hoß a. a. O. S. 6 f. ↩
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Besonders von A.. Stülcken (Athanasiana, Literar- und dogmengeschichtliche Untersuchungen. Leipzig 1899. SS. 1-23) und K. Hoß (a. a. O. SS. 1- 95). Hoß' sichere Urteile und Ergebnisse wurden für unsere „Einleitung“ vor allem berücksichtigt und angenommen. ↩
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A. a. O. S. 85. ↩
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O. Bardenhewer, Patrologie 3. Aufl.. Freiburg 1910. S. 212. ↩