72.
Wenn aber das Wort ein Werk wäre, so wäre S. 221 es jedenfalls selbst auch in Weisheit geworden, und die Schrift hätte es weder von den Werken gesondert noch die einen Werke genannt, dieses aber als eigenes Wort und eigene Weisheit Gottes verkündigt. Nun aber die Schrift es von den Werken absondert, gibt sie zu erkennen, daß die Weisheit Bildner der Werke und nicht ein Werk ist. Dieselbe Unterscheidung hat auch Paulus im Briefe an die Hebräer gemacht: "Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch bis zur Teilung von Seele und Geist, Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles liegt offen und enthüllt vor den Augen dessen, [bei] dem wir Rechenschaft zu geben haben"1. Sieh also, die entstandenen Wesen nannte er Kreatur, den Sohn aber weiß er als Wort Gottes, der von den Geschöpfen verschieden ist. Und wenn er wieder sagt: "Alles liegt offen und enthüllt vor den Augen dessen, [bei] dem wir Rechenschaft abzulegen haben, so deutet er an, daß er verschieden ist vom All. Darum richtet auch dieser, von den entstandenen Wesen aber schuldet ein jedes, ihm Rechenschaft abzulegen. Und wenn die ganze Schöpfung mit uns seufzt, um vom Verderben der Knechtschaft befreit zu werden2, so wird eben damit der Sohn als von den Geschöpfen verschieden erwiesen. Denn wäre er ein Geschöpf, so gehörte er gleichfalls zu den Seufzenden und bedürfte dessen, der auch ihn mit allen zum Sohne machte und befreite. Wenn aber die ganze Schöpfung seufzt, um von dem Verderben der Knechtschaft befreit zu werden, der Sohn aber nicht zu den Seufzenden zählt noch auch zu denen gehört, die der Befreiung bedürfen, wenn er vielmehr selbst alles an Sohnes Statt annimmt und frei macht, wie er zu den damaligen Juden sprach: "Der Knecht bleibt nicht in Ewigkeit zu Hause, der Sohn aber bleibt in Ewigkeit. Wenn nun der Sohn euch befreit, werdet ihr in Wahrheit frei sein"3, so ergibt sich auch hieraus S. 222 sonnenklar, daß das Wort Gottes nicht ein Geschöpf, sondern wahrer und von Natur echter Sohn des Vaters ist. Wenn wir nun auch nur kurz die Stelle: "Der Herr schuf mich als Anfang seiner Wege" erörtert haben, so reicht dies doch meines Erachtens hin, um den Gelehrten mehr Material zur gründlichen Widerlegung der arianischen Häresie darzubieten, Da jedoch die Häretiker auch den folgenden Vers, in dem geschrieben steht: "Vor der Zeit gründete er mich"4, unrichtig lesen und auffassen und meinen, es sei auch das in Bezug auf die Gottheit des Wortes und nicht in Hinsicht auf seine Erscheinung im Fleische gesagt, so muß man auch diesen Vers erklären und ihren Irrtum nachweisen.