Vorwort: Zweck und Entstehung der Vita. S. 687
Leben und Wandel unseres frommen Vaters Antonius, verfaßt und abgesandt an die Mönche in der Fremde von unserem heiligen Vater Athanasius, Bischof in Alexandria.1
Einen trefflichen Wettstreit habt ihr mit2 den Mönchen in Ägypten begonnen, da ihr euch vornahmt, jenen gleich zu werden oder sie womöglich noch zu übertreffen durch eure Übung in der Tugend. Denn auch bei S. 688 euch gibt es jetzt Klöster,3 und der Name "Mönch" hat Geltung. Diesen euren Vorsatz kann man mit Recht loben, und Gott wird auf euer Gebet hin die Erfüllung gewähren. Ihr habt euch aber auch an mich gewandt wegen des Lebenswandels des seligen Antonius und wollt erfahren, wie er mit der Askese anfing, wie er vor ihr gewesen ist und welches sein Lebensende war, ferner, ob das, was man von ihm berichtet, wahr sei - um nach seinem Vorbild eure Bahn zu wandeln -; euren Auftrag habe ich mit großer Bereitwilligkeit übernommen; denn auch für mich ist schon die bloße Erinnerung an Antonius ein großer und nützlicher Gewinn.4 Ich weiß dazu, daß auch ihr, wenn ihr alles gehört habt, diesen Mann nicht nur bewundern, sondern ihm auch S. 689 nacheifern werdet in seinem Vorsatz; denn das Leben des Antonius ist für Mönche ein treffliches Vorbild der Askese. Dem, was ihr von anderen über ihn habt berichten hören, sollt ihr nicht mißtrauen, glaubt vielmehr, daß ihr nur wenig von ihnen vernommen habt; übrigens haben sie wohl kaum so vieles von ihm erzählt. Denn auch ich sende euch auf eure Bitte nur einen dürftigen Bericht aus einer Erinnerung, wie viel das auch sei, was ich in diesem Schreiben erzähle. Ihr aber laßt nicht ab, die zu befragen, welche von uns zu euch kommen. Denn vielleicht wird nur so, wenn jeder sagt, was er weiß, die Darstellung seines Lebens seiner annähernd würdig. Nachdem ich euer Schreiben empfangen hatte, wäre es mein Wunsch gewesen, einige von den Mönchen kommen zu lassen, die besonders häufig seines vertrauten Umganges genossen; ich hätte mich so selbst besser unterrichtet und euch ein reicheres Lebensbild entwerfen können. Aber die Reisezeit neigte sich ihrem Ende zu und der Bote hatte es eilig; daher habe ich es mir angelegen sein lassen, eurer Heiligkeit das zu berichten, was ich selbst weiß - denn ich habe ihn ja oft gesehen - und was ich von ihm erfahren konnte, als ich ihm geraume Zeit danach nachfolgte und Wasser über seine Hände goß5- überall bemüht um die Wahrheit, damit man nicht zuviel vernehme6 und mißtrauisch werde, andererseits aber auch nicht weniger als sich gebührt erfahre7 und dann den Heiligen verachte.
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Der handschriftliche Titel wechselt. So lautet eine andere Fassung: Leben und Wandel unseres frommen Vaters und Lehrers der Wüste Antonius, verfaßt von Athanasius, dem Erzbischof von Alexandria. Euagrius schickt folgenden Prolog voraus: Presbyter Euagrius seinem teuersten Sohne Innozentius Gruß im Herrn. Die wortwörtliche Übersetzung aus einer Sprache in die andere verhüllt den Sinn und erstickt das Korn wie mit üppigem Grase. Während nämlich die Darstellung sich sklavisch den Wort- und Redeformen anschmiegt, legt sie auf einem langen Umweg das nur mit Mühe dar, was sie sonst mit einem kurzen Ausdruck bezeichnen könnte. Um diesen Fehler zu vermeiden, habe ich auf Deine Bitte das Leben des seligen Antonius so übersetzt, daß nichts vom Sinne fehlt, wenn auch manches von den Worten. Andere mögen nach Silben und Buchstaben jagen, Du frage nur nach dem Sinne. ↩
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Das Begleitschreiben ist gerichtet "an die Mönche in der Fremde." Wenn etwas mehr dahintersteckt als bloß eine literarische Fiktion - und es scheint so -, so läßt sich mit größter Wahrscheinlichkeit vermuten, daß damit der Westen des Mittelmeeres gemeint ist, vielleicht Italien oder Gallien. In Gallien wurde die Vita des Athanasius schon bald nach ihrer Abfassung gelesen. Auch hätte dieser rege literarische Verkehr zwischen Morgen- und Abendland weiter nichts Auffallendes; vgl. Krumbacher, Geschichte der byzantinischen Literatur, 2. Aufl. München 1897, S. 1191 unter Übersetzungen; dazu die Bibliographie S. 1097. Besonders noch Vorlesungen und Abhandlungen von L. Traube, herausgegeben von F. Boll. Zweiter Band: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters. Herausgegeben von Paul Lehmann, München 1911, S. 83 ff. Über die Angabe des Titels ἐν τῇ ξενῇ hat man mancherlei Vermutung angestellt; man meinte u.a., es sei ein Kloster namens Ξενή. Es ist wohl am besten, das Wort so einfach wie möglich zu fassen, und dann heißt es nicht weiter als "die Fremde", ein Sprachgebrauch, der oft belegt ist. Vgl. die Stellen Migne, P.G. 26, 823. Über das Mönchtum vgl. Wetzer-Welte, Kirchenlexikon 2. Aufl. Bd. 8 Sp. 1689 ff. Über das Einsiedlerleben ebd. Bd. 4 Sp. 330 ff. Ferner K. Krumbacher a.a.O. S. 139 ff. Litteratur S. 1090. Byz. Zeitschr. Generalregister (ein ausgezeichnetes Nachschlagewerke für alle in Betracht kommenden Fragen) zu Bd. 1-12 S. 309 ↩
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Euagr.: sehr viele Klöster. ↩
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Vgl. Xenophon, memorabilia 4,1,1 (ed. maior von W. Gilbert, Teubner 1903): "Die Erinnerung an ihn (Sokrates), wenn er auch nicht mehr unter uns weilt, gewährt keinen geringen Nutzen denen, die gewohnt waren, mit ihm zu verkehren"; aus Migne. - Platon Phaedon p. 58 D: "Denn die Erinnerung an Sokrates, wenn ich selbst erzähle oder einen anderen erzählen höre, ist mir immer das Allerliebste"; aus Migne. ↩
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4Kön 3,11. ↩
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Euagr.: und infolge der Häufung der Wunder nicht glaube … ↩
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Ebd.: und dann glaube, es sei des Wunders nicht wert bei einem so berühmten Manne. ↩