9.
Nimmst du aber an, ein anderer kompakterer Körper als die Erde verhüte das Versinken der Erde, so bedenke wohl, daß auch dieser einer gleichen Stütze bedarf, die ihn nicht in die Tiefe sinken läßt. Und wenn wir ihm eine Unterlage erdichten, so würde unser Verstand wieder nach deren Unterlage suchen, und wir werden uns so ins Unendliche verlieren und zu den gefundenen Unterlagen immer neue ersinnen. Und je weiter wir den Gedanken fortspinnen, eine desto größere Tragkraft müssen wir annehmen, damit sie der ganzen darüberliegenden Masse ein Widerlager böte. Setze daher deinem Denken Grenzen, damit nicht wegen deines Vorwitzes, das Unerforschliche zu ergründen, dich der Ausspruch Jobs strafe und du von ihm gefragt werdest, „worauf ihre Kreise gefestigt seien1”. Hast du aber einmal in den Psalmen gehört: „Ich habe festgestellt S. 21 ihre Säulen2”, so bedenke, daß unter „Säulen” die sie zusammenhaltende Kraft gemeint sein will. Was will ferner die Stelle: „Auf die Meere hat er sie gegründet3”, anders besagen, als daß die Erde von allen Seiten von Wasser umflossen ist? Woher kommt es nun, daß das Wasser, das doch flüssig ist und von Natur abwärts fließt, in der Höhe bleibt und nirgends abfließt? Du bedenkst wohl nicht, daß die Erde, die frei in der Luft schwebt, obschon ihr spezifisches Gewicht schwerer ist, dem Verstande dieselbe oder noch größere Verlegenheit bringt. Doch, mögen wir zugeben, die Erde bestehe für sich selbst, oder mögen wir sagen, sie schwimme auf dem Wasser, auf keinen Fall dürfen wir von der frommen Meinung abweichen, vielmehr müssen wir bekennen, daß alles zugleich durch des Schöpfers Macht zusammengehalten wird. Wir müssen sowohl uns selbst als auch den Fragestellern, worauf diese ungeheure und unerträgliche Last der Erde gestützt sei, antworten: „In der Hand Gottes sind die Grenzen der Erde4.” Das ist unser sicherster Weg zur Erkenntnis und den Hörern von Nutzen.