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Werke Gregor von Nazianz (329-390) Orationes XLV Reden (BKV)
VI. Rede

9.

S. 199 Daher soll das arme Volk, welches aus Not zu Reichtum gelangt ist, dich loben! Denn wunderbar hast du dich unser erbarmt, und zu den Berichten der Alten fügen sich neue Erzählungen. „Wo die Sünde groß war, wurde die Gnade übergroß1.“ Da ich Samen säete, erhielt ich Ähren; als ich wegen meiner Schafe weinte, erhielt ich sie und dazu noch Hirten. Wie ich wohl weiß, werde ich den würdigsten der Hirten haben, wenn er auch noch aus seelischen Gründen mit der Übernahme des Hirtenamtes zögert. Der Geist, das Wirken mit den Talenten, die Sorge für die Herde ist ihm anvertraut. Er ist mit dem Chrisma des Priestertums und der Vollendung gesalbt. Aus Weisheit schiebt er aber noch den Antritt des Amtes hinaus und stellt noch das Licht unter den Scheffel, das er aber bald auf den Leuchter stecken wird2. Die ganze Seele der Kirche wird er erleuchten; auf unseren Wegen wird er ein Licht sein. Er durchforscht Wälder, Berge und Flüsse und legt den die Seelen raubenden Wölfen Netze, um zur rechten Zeit den Hirtenstab zu erlangen und zugleich mit dem wahren Hirten diese geistige Herde zu weiden, indem er sie unter seinen ewig grünen Worten auf Wiesenplätzen lagern läßt und mit erfrischendem Wasser, d. i. dem Geiste tränkt3. Dies hoffen und wünschen wir. Nunmehr aber ist es Zeit, dem Danke auch die Mahnung beizufügen. Ich will sie möglichst kurz machen; denn größtenteils haben auch schon die Tatsachen belehrt, und, wer aus der Erfahrung klug geworden ist, bedarf nicht langer Lehren.


  1. Röm. 5, 20. ↩

  2. Vgl. Matth. 5, 15. ↩

  3. Vgl. Ps. 22, 2 [hebr. Ps. 23, 2]. ↩

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