1.
II. Rede.
Gregor verteidigt seine nach der Priesterweihe erfolgte Flucht in den Pontus und seine Rückkehr und spricht über die Bedeutung des Priestertums1.
Ich bin besiegt und gebe meine Niederlage zu, „Ich habe mich dem Herrn unterworfen und zu ihm gebetet2.“ Mit dem seligen David oder vielmehr mit dem, der durch ihn gesprochen hat und immer noch durch ihn spricht, soll die Rede beginnen. Denn wer eine Rede oder eine Handlung unternimmt, tut am besten, mit Gott anzufangen und in Gott zu enden. Über mein anfängliches Aufbegehren und meinen Kleinmut, die mich zur Flucht in die Ferne und zu einer den Freunden wohl zu langen Abwesenheit von euch verleiteten, oder über meine jetzige Gefügigkeit und S. 6 Sinnesänderung, welche mich euch wieder zurückgaben, mag der eine so, der andere anders denken und urteilen, je nachdem er von Haß oder Liebe sich führen läßt. Der eine kennt keine Verzeihung, der andere nimmt mich ohne weiteres auf3. Am liebsten reden ja die Menschen über fremde Angelegenheiten, vor allem, wenn sie eben von Wohlwollen oder Haß geleitet werden, von Gefühlsstimmungen, bei denen die Wahrheit in der Regel zu kurz kommt. Ich aber werde furchtlos der Wahrheit die Ehre geben und unparteiisch sowohl gegenüber unseren Anklägern wie gegenüber unseren eifrigen Verteidigern entscheiden, mich selbst teils anklagend, teils verteidigend.
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Diese Rede Gregors, welche bald nach Rede I in Nazianz gehalten ist, und die aus ihr schöpfende Schrift des hl. Chrysostomus „De sacerdotio“ ist ins Deutsche übersetzt von G. Wohlenberg, Gotha, 1890 (Bibl. theol. Klassiker 29). Die Schrift Gregors und Chrysostomus’ vergleicht J. Volk, „Die Schutzrede des Gregor von Nazianz und die Schrift über das Priestertum von Joh. Chrysostomus“: Zeitschr. f. prakt. Theol. 17, 1895, 56―63. Nur eine Inhaltsangabe der Rede bietet Menn, „Zur Pastoraltheologie Gregors von Naz.“: Revue internat. de Théol. 12, 1904, 427―440. ↩
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Vgl. Ps. 36, 7 [hebr. Ps. 37, 7]. ↩
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Die überlieferte Form προσαποδεχόμενος [prosapodechomenos] korrigiert A. Misier (Revue de philologie 25, 1901, 253) in προαποδεχόμενος [proapodechomenos]. ↩