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Da nun der Geist vom Vater ausgeht und, wie Christus spricht, „von dem Meinen“ nimmt, so möchte ich behaupten, daß, wie „niemand den Vater kennt außer der Sohn und niemand den Sohn außer der Vater“1 in gleicher Weise den Geist niemand kennt außer der Vater, von dem er ausgeht, und der Sohn, von dem er S. 118nimmt; ebenso aber kennt niemand den Vater und Sohn als der Hl. Geist, er, der wahrhaft verherrlicht, alles lehret, der Zeugnis gibt über den Sohn, der vom Vater und aus dem Sohne ausgeht und allein der Wegweiser zur Wahrheit ist; er ist der Ausleger der heiligen Satzungen, der Verkünder des geistigen Gesetzes; er ist der Führer der Propheten, der Lehrer der Apostel, der Erleuchter2 der evangelischen Boten; er erwählt die Heiligen, er ist das wahre Licht aus dem wahren Lichte. Der Sohn ist natürlicher, wahrer, echter Sohn, der Alleinige aus dem Alleinigen, mit ihm auch der Hl. Geist, der aber Geist genannt wird. Dies ist der in der Kirche gepriesene Gott, immer Vater, immer Sohn, immer Hl. Geist, der Allerhöchste, nur geistig aufzufassen, der eine unendliche Herrlichkeit inne hat, dem alle geschaffenen und gemachten Wesen unterworfen sind, auch alle vernunftbegabten, kurz, alles Endliche. Übrigens wurde eine Gottheit vorzüglich von Moses verkündet, Zweiheit von den Propheten, die Dreiheit aber im Evangelium geoffenbart, so wie in den Zeitabschnitten und Geschlechtern Erkenntnis und Glaube für die Gerechten sich schickte. Diese Erkenntnis ist Unsterblichkeit, sie heißt die Erkenntnis aus dem Glauben, sie wird zur Gotteskindschaft. Aber sie [die Gottheit] verkündet zuerst nur Rechtfertigung des Fleisches, so gleichsam in Moses nur die äußere Umfassungsmauer des Heiligtums aufführend; dann stellt sie dar die Rechtfertigung der Seele, so gleichsam das Heiligtum selbst schmückend, was durch die übrigen Propheten geschah; endlich erteilte sie Rechtfertigung des Geistes3 , so gleichsam den Gnadenstuhl und das Allerheiligste sich zur Stätte der Gegenwart aufrichtend, was durch das Evangelium geschah. Ihr heiliges Gezelte aber, ihr heiliges Volk ist nur der Gerechte, der mit ihr verbunden ist. In ihm wohnt also die eine, unendliche, S. 119unvergängliche, unbegreifliche, unerfaßliche, unbeschreibliche und unsichtbare Gottheit; jene Gottheit, die allein sich kennt und offenbart, wem sie will, und sich selbst ihre Zeugen bereitet, ruft, vorherbestimmt, verherrlicht und aus dem Totenreiche befreit und heiligt, die wiederum in eins zusammenbringt, um sich Ehre und Glauben zu verschaffen, folgende Dreiheiten: Himmlisches und Irdisches und Unterirdisches; Geist und Seele und Fleisch; Glaube und Hoffnung und Liebe; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft; die Zeit der Zeit und die Ewigkeit der Ewigkeit und den Sabbat der Sabbate; die Beschneidung des Fleisches und die Beschneidung des Herzens und „die Beschneidung Christi in Wegnahme vom Leibe der Sünden“4 . Endlich aber bereitet sie selbst alles zu ihrem Lobe, das Unsichtbare wie nicht minder das Sichtbare, die Thronen und die Herrschaften und die Fürstentümer und die Gewalten und die Mächte. Durch alles hindurch aber ertönt die eine heilige Stimme von Herrlichkeit zu Herrlichkeit: „Heilig, heilig, heilig“5 , lobsingend dem Vater im Sohne, dem Sohn im Vater mit dem Hl. Geiste, dem die Ehre und die Stärke von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Und wer so glaubt, wird sagen: Es geschehe, es geschehe.
