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Wollte nun einer recht gescheit sein und sagen: Ja, der Leib unseres Erlösers war besonders bevorzugt [sc. und empfing die Auferstehung als speziellen Vorzug vor den anderen Menschen], weil er allein aus Maria ohne Mannessamen geboren war, so wird niemand in der S. 144Lage sein, dies zu behaupten und zu beweisen. Mit der weiteren Einwendung aber, daß nur der Leib Christi ganz auferstanden sei, von uns aber nicht derselbe Leib auferweckt werden wird, sondern an seiner Statt ein anderer, ist unvereinbar das Schriftwort: „Christus ist auferstanden als der Erstling der Entschlafenen“1 . Es ist ein und derselbe Leib, und dadurch auch der Erstling der Auferweckten. Inwiefern aber Christus der Erstling der Entschlafenen gewesen sei, mögen sich die Irrlehrer recht zu Gemüte führen, damit sie nicht von einem Irrtume in den anderen fallen und schließlich die anderen Bücher der Hl. Schrift der Lüge beschuldigen. Christus hat nämlich schon vor seiner eigenen Auferstehung den Lazarus auferweckt und den Sohn der Witwe in Naim. Auch Elias hat einen Toten auferweckt, Elisäus aber zwei Tote ins Leben zurückgerufen, von denen der eine noch nicht bestattet war, der andere schon im Grabe ruhte. Aber alle diese sind nach ihrer Auferweckung wiederum gestorben und erwarten jetzt auch die eine allgemeine Auferstehung. Christus aber ist [im Gegensatze zu diesen] der Erstling der Entschlafenen, „weil er nach seiner Auferstehung nicht wieder stirbt und der Tod nicht mehr über ihn herrscht“2 , um mit den Worten der Schrift zu reden. Einmal nämlich ist er für uns gestorben3 und hat so unsere Leiden für uns gelitten; einmal hat er für uns den Tod gekostet und zwar „den Tod des Kreuzes“, einmal hat er, das Wort, sich freiwillig uns zuliebe in den Tod hingegeben, damit er durch seinen Tod den Tod töte. Er, „das Fleisch gewordene Wort“, hat nicht in der Gottheit gelitten, sondern mitgelitten mit der Menschheit; das Leiden wird ihm zugerechnet, während er selbst leidensunfähig blieb; der Tod wird ihm zugerechnet, während er selbst unsterblich blieb; oder besser gesagt: seine ganze Person ist Unsterblichkeit. Denn er selbst sagt ja: „Ich bin das Leben“4 . [Das Leben aber stirbt niemals, sondern es S. 145kam, um Leben zu spenden, indem es für uns in den Tod ging; denn nicht von einem Menschen kommt uns das Leben,] noch vom Fleische die Hoffnung. Denn „verflucht ist, wer vertraut auf einen Menschen; denn er wird sein wie die wilde Wald-Tamariske“5 .
