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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SIEBZEHNTE HOMILIE: Kap. IX, V. 1—33.

6.

Nun sag’ mir doch, Jude, der du so viele Zweifel hast und keinen zu lösen imstande bist, was behelligst du uns mit der Frage, warum Gott gerade die Heiden berufen habe? Ich kann übrigens den richtigen Grund angeben, warum die Heiden gerechtfertigt worden sind, ihr aber leer ausgegangen seid. Welches ist nun dieser Grund? Daß jene aus dem Glauben, ihr aber aus den Werken des Gesetzes die Rechtfertigung erhofft habt. In diesem Widerstreit habt ihr in jeder Beziehung den kürzeren gezogen. „Denn da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht erkennen“, heißt es, „und bloß ihre eigene geltend machen wollen, haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen“ 1. Darin liegt, um das Ganze noch einmal kurz zusammenzufassen, die Lösung der ganzen Schwierigkeit, wie sie diese heilige Seele gibt. Damit es aber noch klarer wird, wollen wir das Gesagte noch einmal Punkt für Punkt durchgehen und uns dabei vor Augen halten, daß das Bemühen des hl. Paulus darauf gerichtet ist, in allem, was er sagt, zu zeigen, daß Gott allein die Würdigen kennt, daß aber kein Mensch dazu imstande ist; daß, wenn ein Mensch auch noch so genaue Kenntnis zu haben scheint, er sich doch oft in seinem Urteile irrt. Nur Gott, der die Geheimnisse des Innern kennt, weiß ganz genau, wer Belohnung und wer Bestrafung und Verdammung verdient. Er hat darum auch schon gar manche, die von den Menschen für gut S. d36 gehalten wurden, überführt und bestraft, und solche, die für schlecht galten, belohnt und gezeigt, daß sie das nicht seien, als was sie galten. Er fällt eben sein Urteil nicht nach der Meinung der Menschen, sondern nach seiner eigenen ganz genauen und ganz untrüglichen Erkenntnis; er braucht nicht den Ausgang einer Sache abzuwarten, um zu sehen, wer gut und wer schlecht ist.

Um indes die Worte des Apostels nicht wieder unklar zu machen, wollen wir auf sie selbst zurückgehen. „Aber nicht allein, sondern auch Rebekka hatte Kinder von einem einzigen.“ Ich könnte ja auch, will der Apostel sagen, von den Kindern der Chettura sprechen, aber ich tue es nicht; ich will vielmehr, um einen vollständigen Sieg davonzutragen, nur die zwei anführen, die Kinder desselben Vaters und derselben Mutter waren. Beide stammten ja von Rebekka ab und von Isaak, dem vollbürtigen Sohn, dem berühmten und vor allen ausgezeichneten Manne, von dem es hieß: „In Isaak wird dir Nachkommenschaft zuteil werden“; von ihm, der unser aller Vater geworden ist. Wenn er aber unser aller Vater ist, dann sollten auch seine Nachkommen unsere Väter sein. Aber es ist nicht so. Siehst du, wie es nicht allein bei Abraham zutrifft, sondern auch bei seinem Sohn, und wie immer und überall Glaube und Tugend das hervorstechende und unterscheidende Merkmal echter Abstammung von ihnen sind? Bei den Kindern Abrahams sehen wir, daß der Name Kinder ihnen nicht mit Rücksicht auf ihre natürliche Abstammung von ihrem Vater zukommt, sondern mit Rücksicht auf die Tugend, durch die sie seiner würdig waren. Denn wenn es bloß auf die natürliche Abstammung ankäme, dann müßte Esau dieselben Rechte genießen wie Jakob. Denn auch er entstammte einem schon erstorbenen Mutterschoße, und auch seine Mutter war unfruchtbar, aber die Abstammung kommt nicht allein in Betracht, sondern auch die sittliche Führung; und das ist wichtig und kann uns zur Lehre dienen für unsern Lebenswandel. Er sagt auch nicht, weil der eine gut, der andere aber Schlecht war, deswegen wurde der eine dem andern vorgezogen, damit man ihm nämlich nicht gleich entgegenhalten könne: Ja was? Sind denn die Heiden besser als S. d37 die Beschnittenen? Wenngleich die Sache wirklich so ist, so sagt er es doch nicht geradezu. Es hätte nämlich gehässig ausgesehen. Er schiebt vielmehr alles auf das Wissen Gottes, wogegen ja doch niemand anzukämpfen wagen wird, es müßte denn sein, daß er toll wäre. „Sie waren noch nicht geboren“, heißt es, „da ward ihr schon gesagt: Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ Er weist darauf hin, daß es nicht auf eine vornehme Abstammung dem Fleische nach ankomme, sondern daß man nach seelischer Tugend streben müsse, die Gott vor den Werken vorausweiß. „Sie waren noch nicht geboren“, heißt es, „und hatten noch nichts Gutes oder Böses getan, damit der Ratschluß Gottes nach freier Wahl bestehe, da ward ihr schon gesagt: Der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“ Die Auswahl erfolgte gleich bei ihrer Geburt und war ein Werk des göttlichen Vorauswissens. „Damit die Auswahl“, heißt es, „als ein Werk der Vorsehung erscheine.“ Vom ersten Tage an wußte Gott und tat es kund, daß der eine gut sein werde, der andere nicht. Wende mir also nicht ein, will der Apostel sagen, daß du das Gesetz und die Propheten kanntest und schon so lange Zeit ihm dientest. Er, der die Seele zu beurteilen versteht, weiß auch, wer es verdient, das Heil zu erlangen. Ergib dich also in das unerforschliche Geheimnis der Auserwählung; denn er allein versteht es, genau nach Verdienst zu belohnen. Wie viele schienen wohl besser zu sein als Matthäus, so weit sich nach dem äußeren Schein der Werke beurteilen ließ? Gott jedoch, der die Geheimnisse des Herzens kennt und die im Innern verborgene Gesinnung zu beurteilen versteht, erkannte die Perle im Kot. Er blickte bewundernd auf seine innere Schönheit und, indem er an andern vorüberging, wählte er ihn aus. Zur Wohltat der Auserwählung fügte er noch seine Gnade hinzu und erklärte ihn als bewährt. So richten sich ja auch Fachleute in irdischen Künsten und andern Dingen nicht nach dem Urteil von Nichtkennern und treffen nicht darnach ihre Auswahl, sondern nach ihrer eigenen Sachkenntnis. Sie verwerfen oft das, was Nichtkenner anpreisen, und wählen aus, was diese verwerfen. So machen es oft Pferdekenner, Sachverständige im Abschätzen von Juwelen und Fachleute S. d38 in andern Künsten. Um so mehr wird der gegen die Menschen so liebevolle Gott, die unergründliche Weisheit, der allein alles klar sieht, sich nicht an das Gutdünken der Menschen klammern, sondern nach seiner eigenen und untrüglichen und unbegrenzten Weisheit sein Urteil über alle fällen. So hat er den Zöllner und den Schacher und die öffentliche Sünderin auserwählt, dagegen die Priester und Ältesten und Vorsteher des Volkes beiseite gesetzt und verworfen.


  1. Röm. 10, 3. ↩

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