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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
SECHSTE HOMILIE: Kap. 1, V. 28—31 und Kap. II, V. 1—16.

3.

Nachdem der Apostel in einem erschreckenden und ernsten Ton vom zukünftigen Gericht und der Bestrafung gesprochen hat, führt er nun nicht, wie man erwarten sollte, die Schilderung dieses Strafgerichtes weiter aus, sondern er bringt die Rede auf etwas Erfreulicheres: die Belohnung des Guten. Er sagt so: „den einen, die in unerschütterlichem Dienst einer guten Sache

Herrlichkeit und Ehre und Unsterblichkeit suchen, ewiges Leben“

— Hier muntert er die auf, welche in ihren Trübsalen mutlos geworden sind, und zeigt, daß man nicht auf den Glauben allein sein Zutrauen setzen dürfe; denn jenes Gericht prüfe auch die Werke. — Beachte, wie der Apostel, wenn er vom Jenseits spricht, außerstande, die himmlischen Güter im einzelnen zu nennen, nur die Worte „Herrlichkeit“ und „Ehre“ gebraucht. Denn da jene Güter alle menschlichen Verhältnisse übersteigen, hat er kein Bild zur Verfügung, um von ihnen eine richtige Vorstellung zu geben. Er stellt sie uns dar, so gut es geht, durch Worte, unter denen wir uns etwas Großes denken, wie „Herrlichkeit“, „Ehre“, „Leben“. Das sind ja die Güter, nach denen das Streben der Menschen geht; aber jene himmlischen sind diesen nicht gleich, sondern viel besser, schon deswegen, weil sie unvergänglich und ewig sind. Siehst du, wie uns der Apostel gewissermaßen wie durch die Türspalte einen Blick tun läßt auf die Auferstehung des Leibes, indem er das Wort „Unsterblichkeit“ ausspricht? Gemeint ist die Unsterblichkeit des vergänglichen Leibes. Weil das aber noch nicht genug war, setzt er dann noch hinzu: „Herrlichkeit und Ehre“. Denn wir werden zwar alle unsterblich auferstehen, aber nicht alle zur Herrlichkeit, sondern die einen zur Bestrafung, die andern zur Herrlichkeit. S. b69

V. 8: „Für die andern dagegen, die nach ihrem Kopf weiter machen …“

Wieder spricht der Apostel denen, die im Laster dahinleben, Verzeihung ab; er zeigt nämlich, daß sie aus Hartnäckigkeit und Fahrlässigkeit in die Sünde gefallen sind —

„und der Wahrheit nicht nachgeben, sondern der Ungerechtigkeit sich überlassen.“

— Sieh da eine weitere Anklage! Denn welche Entschuldigung sollte jemand haben, der das Licht flieht und die Finsternis aufsucht? Der Apostel sagt auch nicht: „überwältigt und beherrscht“, sondern: „die sich der Ungerechtigkeit überlassen“. Daraus sollst du ersehen, daß der Fall in die Sünde eine Tat der freien Wahl, daß die Sünde nicht ein Zwang ist.

„Ungnade und Zorn, Bedrängnis und Angst über jede Seele eines Menschen, der Böses tut.“

— D. h. ob jemand auch reich ist, eine Standesperson, gar ein Herrscher, auf niemanden nimmt jener Richterspruch Rücksicht. Da gilt nicht Rang und Würde.

Nachdem nun der Apostel die übergroße Schwere der Krankheit dargelegt und die Entstehungsursache derselben festgestellt — daß sie von der Fahrlässigkeit der Kranken selbst kommt —, auf den Ausgang hingewiesen — daß diese Kranken zugrunde gehen müssen — und die Leichtigkeit der Heilung betont hat, spricht er den Juden wieder eine größere Strafe zu. Denn wer mehr Unterweisung genossen hat, der verdient eine größere Strafe, wenn er das Gesetz übertritt. Darum werden wir, wenn wir sündigen, um so mehr gestraft, je gescheiter oder je mächtiger wir sind. Bist du reich, so verlangt man von dir mehr Geld als von einem Armen, bist du gescheiter, so mehr Achtung auf das Gesetz, bekleidest du ein Amt, hervorstechendere gute Taten; so wird überall deine Leistung nach deiner Kraft bemessen.

V. 10: „Herrlichkeit und Ehre und Friede jedem, der das Gute betreibt, dem Juden in erster Linie und dem Heiden.“

Welchen Juden meint er da, und von welchem Hei- S. b70 den ist da die Rede? Von denen, die vor der Ankunft Christi lebten. Noch ist nämlich die Erörterung nicht bis in die Zeiten der Gnade gediehen, sondern es ist noch die Rede von den Zeiten vorher. Trotzdem räumt der Apostel schon jetzt mit dem Unterschied zwischen Juden und Heiden auf. Er tut es schon hier, damit man nicht meine, wenn er später, von der Gnadenzeit sprechend, es tut, daß er etwas Neues und etwas Lästiges vorbringe. Denn wenn in den Zeiten vorher, wo die Sonne der Gnade noch nicht so erstrahlte, wo das Judentum bei allen angesehen und hochberühmt war und als eine Auszeichnung galt, wenn damals kein Unterschied bestand, was ließe sich für ein Grund dafür geltend machen für die spätere Zeit, da die Gnade in solcher Fülle erschienen war? Darum legt der Apostel hier mit solchem Nachdruck den Finger darauf. Denn ist der Leser einmal darüber belehrt, daß dies schon in früherer Zeit so gewesen ist, wird er es um so mehr für die Zeit des Glaubens zugeben. Unter „Heiden“ meint hier der Apostel nicht die Götzenanbeter, sondern jene Gottesverehrer, welche dem natürlichen Gesetze nach alles, was zur Frömmigkeit gehört, beobachteten mit Ausnahme der Satzungen des Judentums. Solche waren Melchisedech und seine Leute, ein solcher war Job, solche waren die Niniviten, ein solcher war Kornelius. So arbeitet also der Apostel schon jetzt der Niederlegung der Scheidewand zwischen Beschnittenen und Unbeschnittenen vor. Er hebt diese Unterscheidung schon jetzt auf, und zwar so, daß man seine Absicht kaum merkt und meint, er sei durch den notwendigen Zusammenhang der Rede darauf geführt worden. Es ist dies eine stete Eigenheit des klugen Verfahrens des Apostels. Hätte er nämlich dies [die gleiche Behandlung von Juden und Heiden seitens Gottes] von der Zeit der Gnade behauptet, so wäre diese Behauptung verdächtig erschienen. Weil er aber da im Zusammenhange darauf zu sprechen kommt, wo er von der Sündhaftigkeit spricht, die von der ganzen Menschheit Besitz genommen hatte, und von der Lasterhaftigkeit, die von den damaligen Menschen auf die Spitze getrieben worden war, macht er seine Lehre unverdächtig. S. b71

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