2.
Wenn du also in der Taufe gestorben bist, so bleibe tot; kein Toter kann ja mehr sündigen. Wenn du dennoch sündigst, so machst du das Geschenk Gottes zunichte. — Nachdem der Apostel eine solche (entsagungsvolle) Lebensweisheit von uns verlangt hat, stellt er auch gleich die Siegeskrone in Aussicht, indem er spricht:
V. 8: „Wenn wir aber mit Christas gestorben sind.“
Schon das ist der Siegeskronen größte, ein gemeinsames Los zu haben mit dem Herrn. Außerdem aber, sagt er, gebe ich dir noch einen andern Kampfpreis. Welchen? — Das ewige Leben.
„… so glauben wir“, fährt er fort, „daß wir auch leben werden mit ihm.“
— Und woraus erhellt das? —
V. 9: „Weil Christus, auferweckt von den Toten, nicht mehr stirbt.“
Beachte hier wieder die Schlagfertigkeit des Paulus, und wie er den Beweis führt vom Gegenteil. Es war nämlich anzunehmen, daß manche bei den Worten „Kreuz“ und „Tod“ erschrecken würden; darum zeigt er, daß man sich gerade deswegen vielmehr freuen dürfe. Schließe nicht, will er sagen, daraus, daß Christus gestorben ist, er sei sterblich. Gerade deswegen bleibt er unsterblich. Des Todes Tod ist S. b193 sein Tod geworden; und nachdem er gestorben ist, stirbt er eben deswegen nicht mehr; denn er ist ja diesen Tod
V. 10: „Für die Sünde gestorben“.
— Was heißt: „für die Sünde“? — Das heißt, er war ihr nicht unterworfen, sondern er starb unserer Sünde wegen. Er starb dafür, daß er unsere Sünde hinwegnehme, daß er ihr die Nerven zerschneide und ihr alle Kraft benehme. — Siehst du, wie der Apostel (durch diese Begründung) auch Furcht einjagt? Wenn Christus nicht ein zweites Mal stirbt, so gibt es auch kein zweites Taufbad; wenn es aber kein zweites Taufbad gibt, dann halte dich fern von der Sünde! Das alles sagt der Apostel, um jenem Einwand zu begegnen: „Wir wollen Böses tun, damit Gutes daraus hervorgehe“, und dem andern: „Wir wollen verharren in der Sünde, damit die Gnade sich um so mehr erweise.“ Um eine solche (irrige) Meinung mit der Wurzel auszurotten, stellt er alle diese Sätze auf.
„Insoweit er aber lebt, lebt er Gott“,
fährt er fort; d. h. er lebt, ohne eine Auflösung befürchten zu müssen, da er nicht mehr unter der Herrschaft des Todes steht. Denn wenn er das erstemal den Tod erlitten hat, obwohl er ihm nicht unterworfen war, sondern wegen der Sünde anderer, so wird er um so weniger jetzt sterben, nachdem er die Erlösung von der Sünde gebracht hat. Dasselbe sagt der Apostel im Briefe an die Hebräer: „Einmal ist Christus nach Ablauf der (von Gott festgesetzten) Zeit erschienen, um die Sünde durch sein Opfer hinwegzunehmen. Und so wie es den Menschen bestimmt ist, nur einmal zu sterben, so ist auch Christus nur einmal geopfert worden, um die Sünden vieler zu tilgen; das zweitemal wird er ohne Beziehung auf die Sünde denen zum Heil erscheinen, die ihn erwarten“ 1. Damit macht der Apostel einerseits die Kraft des Lebens nach Gott, andererseits die Gewalt der Sünde begreiflich. Die Kraft des Lebens nach Gott (zeigt sich darin), daß Christus nicht mehr stirbt; die Gewalt der Sünde darin, S. b194 daß dieselbe den Tod auch über den gebracht hat, der (selbst) ohne Sünde war; wie sollte sie dann die nicht zugrunde richten, die ihr unterworfen sind?
Bisher hat er von dem Leben Christi gesprochen; damit nun nicht jemand einwende: Was hat das für einen Bezug auf uns? fährt er fort:
V. 11: „So haltet auch ihr euch für abgestorben der Sünde, lebend aber für Gott.“
Treffend sagt der Apostel: „Haltet euch dafür“; denn augenscheinlich darstellen läßt sich das bisher Gesagte nicht. — Und wofür sollen wir uns halten? „Für abgestorben der Sünde, lebend aber für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn.“ Wer nämlich so lebt, der faßt alle Tugend in sich, da er ja Jesus selbst zum Bundesgenossen hat; das bedeutet das „in Christus“. Denn wenn er Tote auferweckt, wird er um so mehr imstande sein, Lebende zu erhalten.
V. 12: „Es herrsche also nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe, so daß ihr etwa derselben gehorchet, indem ihr den Begierden desselben nachgebet.“
— Der Apostel sagt nicht: „Es bleibe nicht am Leben das Fleisch“; auch nicht: „Es sei nicht kräftig“, sondern: „Die Sünde herrsche nicht“. Christus ist ja nicht gekommen, die (menschliche) Natur zu vernichten, sondern dem Willen die rechte Richtung zu geben. Ferner will der Apostel zu verstehen geben, daß wir nicht mit unwiderstehlicher Gewalt unter dem Joch der Sünde festgehalten werden, sondern mit freiem Willen; darum sagt er nicht: „Die Sünde soll nicht eine Gewaltherrscherin sein“, was auf eine unwiderstehliche Notwendigkeit hindeutete, sondern nur „sie soll nicht herrschen“. Es wäre ja auch widersinnig, wenn wir, fürs Himmelreich bestimmt, die Sünde als Gebieterin über uns hätten; wenn wir, zur Mitherrschaft mit Christus berufen, als Gefangene der Sünde erfunden würden. Das wäre so, wie wenn jemand sich die Krone (die er etwa trägt) vom Haupte risse und lieber der Sklave eines wahnsinnigen Weibes, einer in Lumpen gehüllten Bettlerin sein wollte. — Beachte ferner, wie der Apostel das (scheinbar) Schwere, nämlich der Sünde Herr zu S. b195 werden, als leicht darstellt und die Mühe durch einen Trost versüßt, indem er sagt: „In eurem sterblichen Leibe“. Dadurch deutet er an, daß es nur eine Zeitlang zu kämpfen gilt und daß es bald zu Ende sein wird. Zugleich bringt er uns damit die Übel aus der früheren (Paradieses-) Zeit und die Wurzel des Todes in Erinnerung; denn von daher, vom Anfang (der Menschengeschichte) her schreibt es sich, daß wir sterblich sind. Aber es ist auch möglich, einen sterblichen Leib zu haben und doch nicht zu sündigen. Siehst du da die Macht der Gnade Christi? Adam kam zum Falle, als er noch nicht einen sterblichen Leib hatte, du dagegen kannst dereinst gekrönt werden, obzwar du einen dem Tode verfallenen und ihm unterworfenen Leib hast. — Und wie herrscht die Sünde? fragt er. Nicht infolge ihrer ihr innewohnenden Kraft, sondern infolge deiner Lässigkeit. Darum macht er nach den Worten „sie soll nicht herrschen“ die Art dieser Herrschaft deutlich, indem er sagt: „so daß ihr etwa derselben (der Sünde) gehorchet, indem ihr den Begierden desselben (des Leibes) nachgebet“. — Es ist nämlich keine Ehre, dem Leibe im Übermaße alles zu gewähren, sondern es ist dies die größte Knechtschaft und der Höhepunkt der Schmach. Denn wenn der Leib alles tun darf, was er will, dann bringt er sich selbst um jede Freiheit; wenn er dagegen im Zaume gehalten wird, dann wahrt er am meisten seine eigene Würde.
V. 13: „Und gebt eure Glieder der Sünde nicht hin zu Waffen der Ungerechtigkeit, sondern zu Waffen der Gerechtigkeit.“
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Hebr. 9, 26—28. ↩