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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
DREIZEHNTE HOMILIE: Kap. VI, V. 19—23 u. Kap. VII, V. 1—13.

4.

Es ist darum nicht dieselbe Rennbahn, die vor den Alten lag und die vor uns liegt; damals war der Wettlauf nicht so leicht. Daher verlangt Christus von uns, daß wir uns nicht bloß vom Morde freihalten, wie von den Alten, sondern auch vom Zorne; er befiehlt, daß wir uns nicht bloß des Ehebruches, sondern auch lüsterner Blicke enthalten; daß wir nicht bloß den Meineid unterlassen, sondern den Eid überhaupt; er befiehlt, neben den eigenen Angehörigen auch unsere Feinde zu lieben. So hat er in allen andern Dingen die Rennbahn weiter gemacht. Wenn wir nicht folgen, droht er mit der Hölle; damit zeigt er an, daß das, was er fordert, nicht in das Belieben der Wettkämpfer gestellt sei, wie die Jungfräulichkeit und die freiwillige Armut, sondern notwendig geleistet werden müsse. Denn es sind notwendige und streng verlangte Dinge; wer sie unterläßt, hat die strengste Strafe zu gewärtigen. Daher sagt er: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen“ 1. Wer auf das Himmelreich nicht sieht, der wird sicher der Hölle verfallen. Darum spricht auch Paulus: „Die Sünde wird über euch nicht herrschen; denn ihr seid nicht unter dem Gesetze, sondern unter der Gnade“; und hier wiederum: „Damit wir Gott dienen in einem neuen Geiste, nicht in dem alten Buchstaben.“ Es gibt ja keinen verdammenden Buchstaben mehr, d. i. das alte Gesetz, sondern einen helfenden Geist. Darum war es bei den Alten etwas ganz Seltenes, wenn jemand die jungfräuliche Keuschheit bewahrte; jetzt ist dies eine allenthalben auf dem Erdkreise verbreitete Erscheinung. Den Tod haben damals nur einige wenige Männer verachtet; jetzt gibt es in Dörfern und Städten unzählige Scharen von Märtyrern, die nicht allein aus Männern, sondern auch aus Weibern bestehen.

Nach diesen Worten löst der Apostel wieder einen S. b222 auftauchenden Einwand und beweist in der Lösung selbst das, was er will. Er gibt darum die Lösung nicht direkt, sondern in Form einer Widerrede, um durch die Notwendigkeit einer Antwort Gelegenheit zu bekommen, das, was er will, zu sagen. Nach den Worten: „In einem neuen Geiste, nicht in dem alten Buchstaben“, fährt er fort:

V. 7: „Was sollen wir nun sagen? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne!“

Im vorausgehenden hat der Apostel Sätze ausgesprochen wie folgende: „Die sündhaften Lüste wirkten wegen des Gesetzes in unsern Gliedern.“ — „Die Sünde soll euch nicht beherrschen; denn ihr seid nicht unter dem Gesetze.“ — „Wo kein Gesetz ist, da ist auch keine Übertretung.“ — „Das Gesetz kam dazu, damit die Sünde sich mehre.“ — „Das Gesetz bringt Zorn hervor.“ — Alle diese Sätze scheinen einen Vorwurf gegen das Gesetz zu enthalten. Um den daraus entstehenden Verdacht zu beseitigen, macht sich der Apostel selbst einen Einwand und sagt: „Was nun? Ist das Gesetz Sünde? Das sei ferne!“ Bevor er an den Beweis geht, verneint er (die gestellte Frage) lebhaft, um den Zuhörer für sich einzuwenden und ihn, wenn er sich etwa gestoßen fühlen sollte, zu beschwichtigen. Denn wenn dieser eine solche Verneinung hört, geht er, voll überzeugt von der guten Gesinnung des Apostels, mit ihm lieber auf die Untersuchung des scheinbaren Widerspruches ein und hat keinen Verdacht gegen seine Rede. Aus demselben Grunde bringt auch der Apostel den Einwand in einer eigenen Form. Er sagt nämlich nicht: Was soll ich also sagen? sondern: „Was sollen wir also sagen?“ Es gewinnt den Anschein, als handle es sich um eine Beratschlagung oder einen Meinungsaustausch, als werde die Schwierigkeit der versammelten Gemeinde vorgelegt und als gehe sie nicht von ihm aus, sondern ergebe sich aus dem Zusammenhang der Rede und aus der Wahrheit der Tatsachen. Daß der Buchstabe tötet, dem widerspricht niemand, will er sagen; ebenso ist es ganz klar, daß der Geist lebendig macht, und auch das dürfte niemand in Abrede stellen. Wenn nun das zugestanden S. b223 wird, was sollen wir vom Gesetze sagen? Daß es Sünde ist? Das sei ferne! Löse also den Widerspruch? Siehst du, wie sich Paulus neben sich einen Gegner vorstellt und wie er, die Miene des Lehrers annehmend, zur Lösung schreitet? Welches ist nun die Lösung? Sünde ist zwar das Gesetz nicht, spricht er:

„allein ich hätte die Sünde nicht erkannt außer durch das Gesetz.“

— Merkst du die hohe Weisheit des Apostels? Er stellt zunächst in Form einer Antwort auf einen Einwand fest, was das Gesetz nicht ist. Indem er diesen Einwand behebt, redet er den Juden zu Gefallen und macht sie geneigt, einen weniger schwerwiegenden Vorwurf gegen das Gesetz zuzugeben. Und welcher ist dieser weniger schwerwiegende Vorwurf? "Ich hätte die Sünde nicht erkannt außer durch das Gesetz.“

"Ich hätte ja von der Begierde nichts gewußt, wenn das Gesetz nicht sagte: Du sollst nicht begehren“ 2.

— Siehst du, wie der Apostel allmählich aufzeigt, daß das Gesetz nicht bloß ein Ankläger der Sünde ist, sondern daß es ihr auch Förderung und Vorschub geleistet habe? Allerdings macht er auch ersichtlich, daß dies keineswegs durch Schuld des Gesetzes so gekommen sei, sondern durch die undankbare Sinnesart der Juden. Auch den Manichäern möchte er den Mund stopfen, die als Ankläger des Gesetzes auftraten 3. Nachdem er nämlich gesagt hat: „Ich hätte die Sünde nicht erkannt außer durch das Gesetz, und von der Begierde nichts gewußt, wenn das Gesetz nicht sagte: Du sollst nicht begehren“, fährt er fort:

V. 8: „Die Sünde bekam aber Anlaß durch das Gebot und wirkte in mir jegliche Begierde.“


  1. Matth. 5, 20. ↩

  2. Exod. 20, 17. ↩

  3. Nach August. de haeres. 46 lehrten sie, daß der Gott, welcher durch Moses das Gesetz gegeben bat, nicht der wahre Gott, sondern ein Fürst der Finsternis sei. ↩

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