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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
DREIZEHNTE HOMILIE: Kap. VI, V. 19—23 u. Kap. VII, V. 1—13.

6.

Das Geschehnis, daß etwas zum Schaden war, was zum Nutzen sein sollte, war doch ganz gegen alle Erwartung. Darum sagt der Apostel:

„Und es zeigte sich, daß das Verbot, welches zum Leben gegeben war, zum Tod gereichte.“

— Er sagt nicht: Es ward Tod, auch nicht: Es brachte den Tod, sondern: „Es zeigte sich“. Dadurch drückt er das Überraschende, das Unerwartete dieser merkwürdigen Erscheinung aus und setzt sie ganz auf Rechnung der damaligen Menschen. Wenn man das Ziel betrachten wollte, zu dem das Gesetz hinführen sollte, will er sagen, so war dies das Leben; dazu war es gegeben. Wenn in Wirklichkeit der Tod davon ausging, so trifft die Schuld daran die, welche das Gebot bekommen hatten, nicht das Gebot selbst, welches zum Leben führen sollte. — Noch deutlicher drückt er dasselbe durch den nachfolgenden Satz aus:

V. 11: „Denn die Sünde nahm Anlaß durch das Gebot, verführte mich und brachte mir durch dasselbe den Tod.“

— Siehst du, wie der Apostel es immer gegen die Sünde hat und dabei das Gesetz von jeder Anklage losspricht? Darum fährt er auch fort:

V. 12: „Und so ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut.“

— Wenn es euch recht ist, so wollen wir auch die fal- S. b228 schen Auslegungen anführen; dadurch wird die unsrige klarer werden. Einige meinen, der Apostel spreche an dieser Stelle nicht von dem Gesetze des Moses, sondern, wie die einen meinen, vom Naturgesetze, nach der Ansicht der andern von dem im Paradiese gegebenen Gebote. Aber dem Paulus schwebt doch immer und überall als Ziel vor, darzutun, das alttestamentliche Gesetz habe aufgehört; von den beiden andern Gesetzen spricht er niemals. Und ganz mit Recht; denn gerade vor dem alttestamentlichen Gesetze hatten die Juden zitternde Ehrfurcht und kämpften darum gegen die Gnade an. Für das Gebot im Paradiese erscheint weder bei Paulus noch bei irgendeinem andern der Name „Gesetz“. Damit dies aber aus seinen eigenen Worten klarer werde, wollen wir etwas weiter auf dieselben zurückgehen. Nachdem der Apostel zu seinen Zuhörern ausführlich über den christlichen Wandel gesprochen hat, fährt er fort: „Wisset ihr nicht, Brüder, daß das Gesetz über den Menschen Herr ist, solange er lebt? Demnach seid auch ihr tot geworden für das Gesetz.“ Wenn der Apostel das von dem Naturgesetze sagt, so folgt daraus, daß wir ein solches nicht haben. Ist das aber wahr, dann sind wir in unserem Handeln weniger von Vernunft bestimmt als die unvernünftigen Tiere. Doch nein, das ist nicht so. Über das Gebot im Paradiese sich in einen Streit einzulassen, ist unnötig; man würde da nur eine überflüssige Mühe auf sich nehmen und gegen eine ausgemachte Sache sich ereifern. — Wie ist das nun zu verstehen, wenn es heißt: „Die Sünde erkannte ich nicht außer durch das Gesetz“? — Damit ist nicht eine vollständige Unkenntnis gemeint, sondern nur (das Nichtvorhandensein) einer genaueren Erkenntnis. Denn wenn er das vom Naturgesetze verstände, welchen Sinn hätten dann die folgenden Worte: „Denn ich lebte einst ohne Gesetz“? Hat ja doch weder Adam noch irgendein anderer Mensch jemals ohne Naturgesetz gelebt. Gleich bei seiner Erschaffung legte er ihm dieses Gesetz ins Herz und gab es der ganzen menschlichen Natur zum verläßlichen Begleiter. Außerdem kommt bei Paulus nirgends der Name „Gebot“ vor für das Naturgesetz; dagegen nennt er das alttestamentliche Gesetz „Gebot“ S. b229 auch „gerecht“ und „heilig“ und ein „Gesetz des Geistes“. Das Naturgesetz ist uns aber nicht vom Hl. Geiste gegeben worden; denn auch die Barbaren und die Heiden, kurz alle Menschen haben es. Daraus geht hervor, daß der Apostel oben und unten und überall vom mosaischen Gesetze spricht. Dieses Gesetz ist es auch, welches er „heilig“ nennt, wenn er sagt: „Und so ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig und gerecht und gut.“ Denn wenn auch die Juden, nachdem sie das Gesetz erhalten hatten, unrein, ungerecht und habsüchtig waren, so tut das der Kraft des Gesetzes keinen Abbruch, ebensowenig wie ihr Unglaube die Treue Gottes nicht hinfällig macht. So ist denn aus allem dem ersichtlich, daß Paulus hier vom Gesetze des Moses spricht.

V. 13: „So ist also das Gute mir zum Tod geworden? Mit nichten, sondern die Sünde, damit sie in Erscheinung trete als Sünde.“

D. h. damit sich zeige, ein wie großes Übel die Sünde ist, der leichtfertige Wille, der Drang zum Bösen, die Tat selbst und die verderbte Gesinnung; diese ist ja schuld an allem Übel. Der Apostel macht das Übel der Sünde noch deutlicher, indem er hinweist auf das Übermaß der Gnade Christi und klar macht, von welch großem Übel er das Menschengeschlecht befreit habe, ein Übel, das durch die Heilmittel nur noch verschlimmert, durch die Verbote nur vergrößert wurde. Darum fährt er auch fort:

„Damit die Sünde über die Maßen sündhaft werde durch das Verbot.“

Siehst du, wie der Apostel überall sich mit dem Gesetze beschäftigt und wie er gerade durch das, was er diesem vorwirft, immer mehr dessen Kraft hervorleuchten läßt? Nicht wenig trägt zu diesem Ziele bei, daß er aufzeigt, ein wie großes Übel die Sünde sei, und daß er ihr ganzes Gift enthüllt und kundmacht. Dies geschieht durch die Worte: „Damit die Sünde über die Maßen sündhaft werde durch das Verbot.“ D. h. damit in Erscheinung trete, was für ein großes Übel, was für ein großes Verderben die Sünde sei; und gerade das ist zutage getreten durch das Verbot. Hieraus beweist er S. b230 zugleich die höhere Macht der Gnade gegenüber dem Gesetze; die höhere Macht, nicht den Gegensatz. Schau nicht darauf, daß die, welche das Gesetz empfangen hatten, schlimmer wurden, sondern lenke dein Augenmerk darauf, daß das Gesetz die Sünde nicht steigern wollte, sondern bemüht war, die vorhandene auszurotten. Wenn es dazu nicht genug Kraft hatte, so reiche ihm doch den Lorbeer für die gute Absicht. Um so mehr aber fasse anbetendes Staunen über die Macht Christi, die ein so vielgestaltiges und schwer zu bekämpfendes Übel zum Verschwinden gebracht, es an der Wurzel abgeschnitten und vertilgt hat. Wenn du aber von Sünde hörst, so denke nicht an eine für sich bestehende Macht, sondern an eine schlimme Handlung, die immer entsteht und vergeht, die nicht war, bevor sie entstand, und wieder verschwindet, nachdem sie entstanden ist. Deswegen war denn auch ein Gesetz gegeben. Ein Gesetz wird ja niemals gegeben, um die Natur aufzuheben, sondern um die freiwillige schlechte Tat in die rechte Bahn zu lenken.

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