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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
DREIZEHNTE HOMILIE: Kap. VI, V. 19—23 u. Kap. VII, V. 1—13.

8.

Wenn es beliebt, wollen wir das näher betrachten in bezug auf solche, die fremdes Gut sich anzueignen trachten, oder solche, die wie immer Reichtum zusammenscharren. Wir wollen absehen von den Befürchtungen und Gefahren, der Angst, der Unruhe, der Sorge und allem dem; wir wollen annehmen, es sei einer ohne sein Zutun reich geworden und habe keine Sorge betreffs der Erhaltung seines Besitzes. Es kommt das zwar nicht vor, aber immerhin, nehmen wir es an! Was für ein Vergnügen hat nun ein solcher? Daß er viel zusammengescharrt hat? Aber das an und für sich gibt keine Befriedigung. Solange er nach mehr verlangt, wächst seine Folterqual. Die Begierde macht nämlich erst dann Freude, wenn sie stille steht. Auch die Dürstenden erquicken sich erst dann, wenn sie trinken, soviel sie wollen. Solange sie aber dürsten, wird ihre Qual immer größer, wenn sie auch alle Quellen leer tränken; wenn sie ungezählte Ströme austränken, ihr böser Zustand wird nur schlimmer. Und so auch du; wenn du auch die ganze Welt gewännest, wenn du noch Begierde hast, so hast du deine Qual um ebensoviel vergrößert, als du mehr zusammengetragen hast. Sei also nicht der Meinung, von dem vielen Zusammenscharren werde dir eine Freude kommen. Im Gegenteil, von dem Nichtreichwerdenwollen. Wenn du begierig darnach verlangst, reich zu werden, wirst du nie aufhören, den Stachel zu spüren. Denn diese Gier ist unersättlich. Je weiter du auf diesem Wege gehst, desto weiter entfernst du dich vom Ziele.

Ist also die Habsucht nicht ein Rätsel, ein Unsinn, ja der größte Wahnsinn? Laßt uns also abstehen von diesem Anfang der Übel! Oder vielmehr laßt uns einer solchen Begierde gar nicht nahe kommen! Oder wenn wir nahe gekommen sind, laßt uns gleich wieder zurückspringen von ihr! So ermahnt der Verfasser des Buches der Sprüche betreffs einer Buhlerin: Spring zurück ohne Zaudern, betritt nicht die Schwelle ihres Hauses! 1 Dasselbe sage auch ich betreffs der Geldgier. Wenn du hineingerätst und nur ein paar Schritte in das Meer dieser S. b234 Leidenschaft hinein machst, wirst du schwerlich wieder zurück können. Es wird sein wie in einem Strudel; wenn du dich noch so sehr anstrengst, du kommst nicht leicht heraus. So und noch viel schlimmer ergeht es dir, wenn du einmal in die Untiefe dieser Gier gerätst. Du richtest dich und all das Deine zugrunde. Darum rufe ich: Hüten wir uns vor dem Anfang! Fliehen wir auch die kleinen Sünden! Denn die großen entstehen aus den kleinen. Wer sich gewöhnt hat, bei jeder Sünde zu sagen: „Das ist nichts“, der richtet bald alles zugrunde. Das hat dem Laster Eingang verschafft, das hat dem Räuber die Türe geöffnet, das hat die Mauern der Stadt zum Einsturz gebracht, dieses jedesmalige: „Das ist nichts“. Auch im Körper wachsen sich die Krankheiten zu großen aus, wenn man sie, solange sie noch klein sind, vernachlässigt. Wenn Esau nicht sein Erstgeburtsrecht verkauft hätte, wäre er des Vatersegens nicht unwürdig geworden; hätte er sich des Vatersegens nicht unwürdig gemacht, so hätte ihn nicht die Begierde erfaßt, zum Brudermord zu kommen. Hätte Kain nicht den ersten Platz einnehmen wollen, sondern hätte die Sache dem Willen Gottes überlassen, so hätte er nicht den zweiten einnehmen müssen; und hätte er auf diesem zweiten Platz dem göttlichen Einspruch Gehör geschenkt, so wäre es nicht zum Mord gekommen. Und hätte er auch nach Vollbringung des Mordes noch Reue gezeigt und nicht, als Gott ihn anrief, eine freche Antwort gegeben, so wäre ihm nicht das schreckliche Los geworden, das ihn nachher traf.

Wenn nun die Menschen vor dem Gesetze durch ihre eigene Fahrlässigkeit nach und nach in den Abgrund des Lasters gerieten, dann stelle dir vor, was mit uns geschehen wird, die wir auf eine größere Rennbahn berufen sind, wenn wir sorgfältig auf uns achthaben und die Funken der Sünden, bevor sie zur Flamme emporschlagen, vorweg austreten. Z. B. du schwörst öfter falsch? Bleib nicht dabei stehen, das Falschschwören zu unterlassen, sondern meide das Schwören überhaupt, und es wird dich weiter keine besondere Mühe kosten. Es ist nämlich viel schwerer, keinen Meineid zu schwören, als überhaupt nicht zu schwören. S. b235 — Du verunglimpfst oft andere, beschimpfst und schlägst sie? Mach dir’s zum Gesetze, überhaupt nicht zornig zu werden und zu schreien, und du hast mit einem Schlage Wurzel und Frucht zugleich beseitigt. — Du bist zur Geilheit und Wollust geneigt? Mach dir’s wiederum zum Gebot, nicht einmal auf ein Weib zu schauen, nicht ins Theater zu gehen, dich nicht auf der Gasse nach fremden Schönheiten umzusehen. Denn es ist viel leichter, ein schönes Weib gleich nicht anzuschauen, als, wenn man es einmal angeschaut und Begierde nach ihr bekommen hat, den dadurch erregten Aufruhr (der Gefühle) zu stillen. Im Anfang sind die Kämpfe immer leichter; oder vielmehr es braucht überhaupt keinen Kampf, wenn wir dem Feinde gleich die Tore versperren und nicht den Samen des Bösen in uns aufnehmen. Darum nennt Christus den schon strafbar, der ein Weib unzüchtig anschaut, um uns größere Mühe zu ersparen; er befiehlt uns darum, den Feind aus dem Hause zu werfen, da er sich noch leicht hinauswerfen läßt. Was braucht man sich eine überflüssige Arbeit zu leisten und sich mit den Gegnern herumzuschlagen, wenn man auch ohne Kampf siegen und schon vor dem Ringen den Siegespreis haben kann? Es kostet nicht soviel Überwindung, schöne Frauen nicht anzuschauen, als sich nachher zurückzuhalten; ja das erstere kostete eigentlich gar keine Anstrengung, wählend es nach einem solchen Anschauen viel Schweiß und Mühe kostet, sich zu erhalten.


  1. Sprichw. 5, 8. ↩

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