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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistula ad Romanos commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Römer (BKV)
VIERZEHNTE HOMILIE: Kap. VII, V. 14—25 u. Kap. VIII, V. 1—11.

2.

Siehst du da, wie bisher die Vernunft noch keinen Schaden erlitten, sondern in ihrer Betätigung den ihr eigenen sittlichen Adel bewahrt hat? Denn wenn sie auch dem Bösen nachgeht, so tut sie es doch unter Haß gegen dasselbe. Es ist dies das größte Lob sowohl für das Naturgesetz wie auch für das geschriebene. Daß das Gesetz gut ist, will der Apostel sagen, geht aus meiner Selbstanklage hervor, daß ich nämlich dem Gesetze zwar nicht gehorche, aber dann doch meine Tat hasse. Wenn gleichwohl das Gesetz schuld ist an der Sünde, wie kann jemand, der mit ihm einverstanden ist, doch das hassen, was es zu tun befiehlt? „Ich stimme dem Gesetze bei“, heißt es ja, „daß es gut sei.“

V. 17: „Nun aber vollbringe nicht ich das, sondern die in mir wohnende Sünde.“

V. 18: „Denn ich weiß, daß in mir, d. h. in meinem Fleische, das Gute nicht wohnt.“

— Auf diese Stelle legen die den Finger, welche das Fleisch schlecht machen und es aus Gottes Schöpfung S. b243 ausscheiden 1. Was sollen wir dazu sagen? Dasselbe wie oben, wo vom Gesetze die Rede war: daß er hier wie dort alles der Sünde zuschreibt. Er sagt ja nicht, daß das Fleisch das vollbringt, sondern das Gegenteil: „Nicht ich vollbringe das, sondern die in mir wohnende Sünde.“ Wenn er oben sagt, daß „im Fleische das Gute nicht wohnt“, so ist das noch keine Anklage gegen das Fleisch; denn wenn in ihm das Gute nicht wohnt, so ist das noch kein Beweis, daß es schlecht sei. Wir gestehen zwar zu, daß das Fleisch weniger vornehm ist als die Seele und daß es ihr nachsteht, behaupten aber nicht, daß es im Gegensatz zu ihr steht, daß es ihr Feind, daß es an sich schlecht ist, sondern daß es der Seele untergeordnet ist wie die Zither dem Zitherspieler, das Schiff dem Steuermann. Diese Dinge stehen auch zu denen, die mit ihnen umgehen und sie gebrauchen, nicht im Gegensatz, sondern sind ihnen ganz gefügig; dem Künstler freilich sind sie nicht ebenbürtig. Wenn nun jemand sagt, daß nicht in der Zither und nicht in dem Schiffe die Kunst liegt, so macht er diese Werkzeuge nicht schlecht, sondern er macht nur den Unterschied deutlich, der zwischen ihnen und dem Künstler besteht. Ebenso macht auch Paulus das Fleisch nicht schlecht, wenn er sagt: "Es wohnt nicht das Gute in meinem Fleisch“, sondern macht nur den Vorrang der Seele deutlich. Sie ist es ja, welche die ganze Leitung des Schiffes und das ganze Zitherspiel in der Hand hat. Das gibt Paulus zu verstehen, wenn er der Seele die Herrschaft zuspricht. Indem er den Menschen in zwei Teile zerlegt — Leib und Seele —, sagt er, daß der Leib weniger Vernunft besitzt und auch des Gewissens entbehrt, daß er sich leidend, nicht tätig verhält. Die Seele ist der verständigere Teil; sie ist imstande zu unterscheiden, was erlaubt ist und was nicht, aber sie ist nicht stark genug, das Roß zu lenken, wie sie will. Das wäre ja wohl nicht bloß gegen den Leib, sondern auch gegen die Seele eine Anklage, als wisse sie zwar, was zu tun sei, aber als sei sie nicht imstande, das erkannte Gute ins Werk zu setzen. S. b244 „Das Wollen liegt bei mir“, sagt er, „aber das Vollbringen des Guten finde ich nicht.“

Wenn er hier wieder sagt: „Ich finde es nicht“, so meint er nicht ein Nichtwissen oder ein Zweifeln, sondern ein schädliches Beeinflußtsein, ein Hintergangenwerden durch die Sünde.

V. 19: „Denn nicht das Gute, was ich will, tue ich, sondern was ich nicht will, das Böse, das tue ich.“

V. 20: „Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, so vollbringe nicht ich es, sondern die in mir wohnende Sünde.“

— Siehst du, wie der Apostel sowohl das Wesen der Seele als auch das Wesen des Leibes von einer Anklage freispricht und das Ganze auf Rechnung der schlechten Tat setzt? Denn wenn die Seele das Böse nicht will, so ist sie ohne Schuld, und wenn es der Leib nicht vollführt, so ist auch er frei davon, und das Ganze ist einzig und allein Sache des bösen Willens. Seele und Leib und Wille sind nämlich nicht ein und dasselbe; die beiden ersteren sind Schöpfungen Gottes, der letztere ist eine Bewegung, die von uns selbst ausgeht nach dem Ziele hin, zu dem wir sie führen wollen. Die Willenskraft ist uns angeboren und von Gott, die einzelne Willensentschließung jedoch ist unser Werk und Sache unseres Gutdünkens.

V. 21: „Ich finde also das Gesetz auf meiner Seite, wenn ich das Gute will, und daß das Böse mir anhaftet.“

— Eine unklare Stelle. Was soll damit gesagt sein? Ich billige das Gesetz, will der Apostel sagen, nach meinem innersten Bewußtsein; ich finde es als Bundesgenossen an meiner Seite, wenn ich das Gute will, und fühle es als Ansporn für meinen Willen. Wie ich mit ihm einverstanden bin, so heißt es andererseits wieder meine Anschauung gut. Siehst du, wie der Apostel zu verstehen gibt, daß die Erkenntnis des Guten und Bösen von Anfang an in uns hineingelegt war und daß das Gesetz des Moses einerseits diese Erkenntnis gutheißt und andererseits selbst von ihr gutgeheißen wird? Oben S. b245 hat er ja nicht gesagt: Ich werde belehrt durch das Gesetz, sondern: „Ich stimme dem Gesetze bei“, weiter unten nicht: Ich werde erzogen durch das Gesetz, sondern: „Ich bin einverstanden mit dem Gesetze.“ Was heißt: „Ich bin mit ihm einverstanden“? Ich pflichte ihm bei, daß es etwas Gutes an sich hat, wie es auch mir beipflichtet, wenn ich das Gute will. Das Gute zu wollen und das Böse nicht zu wollen, ist also von vorneherein in uns hineingelegt; als das Gesetz dazu kam, trat es nur als strengerer Tadler bei schlechten und als größerer Belober bei guten Handlungen auf. Siehst du, wie der Apostel überall dem Gesetze nur eine steigernde, eine vermehrende Wirkung zuerkennt, nichts mehr? Denn wenn es auch mich lobt, wenn auch ich einverstanden bin mit ihm und ich das Gute will, so „haftet mir doch das Böse an“, und sein Wirken ist nicht aufgehoben. Demnach wird das Gesetz demjenigen, der sich vornimmt, etwas Gutes zu tun, bloß insofern ein Bundesgenosse, als er selbst dasselbe will. —Nachdem der Apostel dies nun hier etwas unklar ausgesprochen hat, deutet er es im folgenden weiter aus und macht es klarer; er zeigt, wie das Böse (dem Menschen) anhaftet und wie das Gesetz demjenigen, der von selbst das Gute tun will, ein Gesetz ist.

V. 22: „Denn ich bin einverstanden mit dem Gesetze Gottes dem inneren Menschen nach.“

— Ich wußte ja, will er sagen, das Gute auch schon vorher; wie ich es aber auch in der Schrift enthalten finde, so pflichte ich ihm bei.

V. 23: „Ich sehe aber ein anderes Gesetz, das dem Gesetze meiner Vernunft widerstreitet.“


  1. Die Manichäer ↩

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