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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Sechsundzwanzigeste Homilie.

I.

Kap. XII.

1. Zu rühmen, fürwahr, frommt mir nicht. Denn ich komme nun auf die Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn.

Was soll Das? Nach so langen Ausführungen spricht jetzt der Apostel: „Zu rühmen, fürwahr, frommt mir nicht,“ gerade als wenn er bisher Nichts gesagt hätte? Nicht als hätte er Nichts gesagt, sondern er will jetzt auf ein anderes Gebiet des Rühmens übergehen, auf einen Gegenstand, der zwar weniger verdienstlich ist, der aber den Apostel, nicht zwar in den Augen der dieser Blickenden, wohl aber bei der Menge mit um so größerem Glanz umgibt; darum sagt er: „Zu rühmen, fürwahr, frommt mir nicht.“ Denn was er bisher Ruhmwürdiges aufgezählt hat, Das war auf die Drangsale gegründet; er kann sich aber auch noch anderer Dinge rühmen, nämlich der Offenbarungen und der unaussprechlichen Geheimnisse. Und warum sagt er denn: „Es frommt mir nicht“? Weil es mir, spricht er, Anlaß zur Überhebung werden könnte. Was sagst du? Wenn du es auch verschweigst, S. 410 weißt du es dann nicht? „Das wohl; aber wir kommen weniger in Gefahr der Überhebung, wenn wir es allein wissen, als wenn wir es auch Anderen mittheilen.“ Denn ruhmwürdige Thaten pflegen nicht an und für sich stolz zu machen, sondern erst, wenn das Zeugniß und die Kenntnißnahme der Menge hinzu kommt. Darum sagt nun Paulus: „Es frommt mir nicht,“ und ich möchte den Zuhörern keine allzu große Meinung von mir erwecken. Denn Jene, die falschen Apostel, legten sich auch Vorzüge bei, die sie nicht hatten; Paulus aber hält auch die wirklichen geheim, und zwar ungeachtet der dringenden Nothwendigkeit, sie zu offenbaren; und er versichert: „Es frommt mir nicht,“ um damit Alle deutlich genug zu belehren, solches Rühmen zu fliehen. Denn die Sache bringt keinen Gewinn, sondern vielmehr Schaden, ausser wenn ein nothwendiger und nützlicher Anlaß dazu antreibt.

Nachdem nun Paulus von Gefahren, von Drangsalen, von Nachstellungen, von Beängstigungen, von Schiffbrüchen gesprochen, so geht er jetzt auf ein anderes Gebiet des Rühmens über, indem er sagt:

2. 3. 4. 5. Ich weiß einen Menschen vor vierzehn Jahren, — ob im Leibe, weiß ich nicht, ob ausser dem Leibe, weiß ich nicht; Gott weiß es, — daß dieser entrückt wurde bis in den dritten Himmel. Und ich weiß, daß er entrückt wurde in’s Paradies, ob im Leibe, weiß ich nicht, ob ausser dem Leibe, weiß ich nicht, — und er hörte unaussprechliche Worte, die ein Mensch nicht verlautbaren darf. Ob Solchem will ich mich rühmen; ob meiner selbst aber will ich mich nicht rühmen.

Wahrlich eine große Offenbarung! Und sie ist nicht die einzige, die dem Apostel geworden ist, sondern noch mehrere andere; er erwähnt nur eine aus vielen. Denn daß S. 411 es viele waren, kannst du abnehmen aus den Worten: „Damit ich mich bei der Größe der Offenbarungen nicht überhebe.“ Da könnte man fürwahr sagen: Wenn Paulus die Offenbarungen geheim halten wollte, so hätte er überhaupt gar keine Andeutung davon geben und nichts Derartiges berühren sollen; wollte er aber davon reden, so hätte er ausführlich reden sollen. Wie kommt es nun, daß er weder ausführlich redet noch gänzlich schweigt? Er will auch dadurch zu erkennen geben, daß er nur ungerne an die Sache ging. Darum gibt er auch eigens die Zeit vor vierzehn Jahren an. Denn es ist nicht absichtslos, daß er der Zeit erwähnt, sondern er will damit nahe legen, daß er nach einem so langen Schweigen auch jetzt nicht gesprochen hätte, wenn es ihm nicht ein dringender Anlaß nöthig machte, daß er auch jetzt geschwiegen hätte, wenn er nicht das Verderben der Brüder sehen müßte. Wenn aber Paulus gleich von Anfang an, wo er noch keine solchen Verdienste hatte, so hoch begnadigt war, um solcher Offenbarung gewürdigt zu werden, so bedenke, zu welcher Höhe er innerhalb vierzehn Jahren emporgestiegen! Und siehe, wie er auch hier wieder der Demuth Rechnung trägt, indem er das Eine sagt und das Andere nicht zu wissen gesteht! Denn daß er entrückt wurde, sagt er; ob aber im Leibe oder nicht im Leibe, gesteht er nicht zu wissen. Es hätte ja genügt, der Entrückung allein zu gedenken und vom Übrigen zu schweigen; so aber setzt er aus Demuth auch Das hinzu.

Wie nun? Wurde der Geist und die Seele entrückt, während der Leib ohne Leben blieb? Wurde auch der Leib entrückt? Das ist und bleibt Geheimniß. Wenn nämlich Paulus selbst, der doch entrückt, der einer solchen Fülle und Größe der Offenbarungen theilhaftig wurde, wenn er selbst es nicht weiß, um wie viel weniger dann wir! Denn daß er im Paradiese war, wußte er, daß er im dritten Himmel gewesen, Das war ihm nicht unbekannt, aber die Art und Weise wußte er nicht deutlich. Und betrachte auch noch von anderer Seite seine Liebe zur Demuth! Bei S. 412 der Stadt der Damascener betheuert er feierlich die Wahrheit seiner Aussage, hier aber nicht so; denn hier lag ihm nicht daran, seine Aussage so nachdrücklich zu bekräftigen; es genügt ihm, einfach zu erzählen und anzudeuten. Darum sagt er auch weiter: „Ob Dessen will ich mich rühmen;“ damit will er nicht ausdrücken, daß es ein Anderer war, der entrückt wurde, sondern um einerseits von sich selbst zu reden und doch andererseits, soweit es anging und möglich war, die unmittelbare Beziehung von sich abzulenken, darum wählt er diese Form der Rede. Denn wie würde Das aus einander passen, wenn er mitten in der Rede von sich selbst einen Anderen einführen würde? Aus welchem Grunde nun geht er so zu Werke? Weil es nicht ein und Dasselbe war, zu sagen: Ich wurde entrückt, und: „Ich weiß Einen, der entrückt wurde;“ auch nicht ein und Dasselbe: Ob meiner selbst rühme ich mich, und: „Ob Dessen will ich mich rühmen.“ Wenn aber Jemand sagt: Wie ist es möglich, ohne Leib entrückt zu werden? so frage ich: Wie ist es möglich, mit dem Leibe entrückt zu werden? Dieß ist noch schwerer zu begreifen als Jenes, wenn man einmal die Sache mit dem Verstande prüfen und sich nicht einfach mit dem Glauben begnügen will. Weßhalb ist aber der Apostel überhaupt entrückt worden? Weil er, wie ich wenigstens glaube, gegen die übrigen Apostel im Nachtheile zu sein schien. Denn Jene waren mit Christus umgegangen, Paulus aber nicht; darum entrückte Christus auch ihn zur Verherrlichung in’s Paradies. Denn groß war der Name dieses Ortes und überall berühmt.

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