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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ii ad Corinthios argumentum et homiliae 1-30 Homilien über den zweiten Brief an die Korinther (BKV)
Sechste Homilie.

III.

Was will nun Das sagen: „Der Buchstabe tödtet, der Geist aber macht lebendig“? Im Gesetze wird der Übertreter gestraft, in der Gnade geht der Sünder zur Taufe und wird gerecht; und nach der Rechtfertigung lebt er, befreit vom Tode der Sünde. Erfaßt das Gesetz einen Mörder, so tödtet es ihn; findet die Gnade einen Mörder, so erleuchtet und belebt sie ihn. Und was sage ich einen Mörder? Ein Mann sammelt Holz am Sabbate; das Gesetz ergreift und steinigt ihn. Da tödtet wahrlich der Buchstabe! Unzählige Räuber und Mörder trifft die Gnade und reinigt sie durch die Taufe von den früheren Missethaten; denn „der Geist macht lebendig“. Wer dem Gesetz verfiel, der kam vom Leben zum Tode ; die Gnade bringt den Schuldigen vom Tode zum Leben. Denn „kommet zu mir Alle, die S. 122 ihr mühselig und beladen seid,“ spricht Christus, und nicht: „Ich werde euch züchtigen,“ sondern: „Ich will euch erquicken.“1 In der Taufe werden die alten Sünden begraben, wird die Vergangenheit ausgelöscht; der Mensch empfängt da ein neues Leben, und wie auf eine Tafel wird das Gesetz der Gnade in sein Herz geschrieben. Hieraus mögen wir die Erhabenheit des Geistes ermessen! Denn seine Tafeln sind vorzüglicher als jene alten; und das Werk, das er vor unseren Augen vollbringt, ist größer als sogar die Auferstehung der Leiber. Es ist ja der geistige Tod, von dem seine Gnade befreit, schlimmer denn der leibliche, und zwar schlimmer in dem Grade, als die Seele vorzüglicher ist als der Leib; und auch die Wiederbelebung des Leibes hat ihren letzten Grund in jenem höheren Leben, das der Geist mittheilt; kann er aber das Größere geben, um wie viel mehr dann das Kleinere. Vom leiblichen Tode haben auch Propheten erweckt, nicht aber vom geistigen; denn Sünden vergeben kann Niemand als Gott allein. Und auch Das, was Jene thaten, vermochten sie nicht ohne Hilfe des Geistes. So ist es denn doppelt wunderbar, sowohl daß der Geist lebendig macht, als auch daß er sogar noch Anderen diese Macht verliehen hat. Denn Christus sagt: „Nehmet hin den heiligen Geist!“ Warum? Wäre es denn ohne den Geist unmöglich? Das nicht; aber der Herr spricht so, um zu zeigen, daß der heilige Geist an der erhabensten Gewalt Antheil habe, daß er von jener königlichen Wesenheit sei und die gleiche Macht besitze. Darum heißt es auch weiter: „Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sollen sie nachgelassen werden; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“2 —

Nachdem uns nun der Geist lebendig gemacht hat, so wollen wir denn das Leben bewahren und nicht wieder in S. 123 den früheren Zustand des Todes zurückkehren. Denn „Christus stirbt nicht mehr; denn soferne er gestorben ist, ist er einmal der Sünde gestorben.“3 Christus will nicht, daß es immer nur Gnade sei, was uns rettet, sonst blieben wir ja ohne alles eigene Verdienst; er will vielmehr, daß auch wir ein Weniges beitragen. Das wollen wir denn thun und das Leben der Seele sorgfältig bewahren.

Was es aber um das Leben der Seele ist, das lerne vom Leibe! Denn vom Leibe sagen wir, daß er dann lebe, wenn er einen gesunden, kräftigen Gang hat; liegt er aber kraftlos da oder macht unnatürliche Bewegungen, so ist trotz des scheinbaren Lebens und Wandelns ein solches Leben schlimmer als der Tod. Wenn einmal aus jedem Worte, das Einer spricht, der Wahnsinn leuchtet, wenn sich Alles, was er sieht, verkehrt ihm darstellt, so ist ein solcher Mensch beklagenswerther als ein Todter. Gerade so ist es mit der Seele. Wenn sie nichts Vernünftiges mehr an sich hat, so ist sie todt, und mag sie auch scheinbar leben; wenn sie z. B. das Gold nicht für Gold ansieht, sondern für ein großes und kostbares Ding, wenn sie unbekümmert um die künftigen Dinge an der Erde klebt, wenn sie statt Dessen, was sie thun soll, etwas Anderes thut. Woher wissen wir denn, daß wir eine Seele haben? Nicht aus ihrer naturgemäßen Thätigkeit? Wenn sie nun Anderes wirkt, als ihr zukommt, ist sie dann nicht todt? So wenn sie, statt sich der Tugend zu befleissen, Raub und Unzucht begeht, woher kann ich dann sagen, daß du eine Seele hast? Weil du gehen kannst? Das können auch unvernünftige Wesen. Weil du issest und trinkst? Das thun auch die Thiere. Oder weil du aufrecht auf zwei Füßen stehst? Das ist mir nur ein neuer Beweis, daß du ein Thier in Menschengestalt bist. Denn wenn du sonst S. 124 Alles vom Thiere hast und nur in der aufrechten Stellung eine Ausnahme machst, so setzt mich Das nur um so mehr in Schrecken und Bestürzung, und ich muß eher glauben, ein Ungeheuer vor mir zu haben. Würde ich ein Thier sehen, das menschliche Laute von sich gäbe, so würde ich es eben darum nicht etwa für einen Menschen halten, sondern für ein seltsames Ungeheuer unter den Thieren. Woraus soll ich nun erkennen, daß du eine menschliche Seele hast, wenn du ausschlägst wie der Esel und Rache brütest wie das Kameel, wenn du beissest wie ein Bär und raubst wie ein Wolf, wenn du gleich dem Fuchse stiehlst und arglistig bist wie die Schlange und schamlos wie der Hund? Soll ich euch den Abstand zwischen einer lebenden und einer todten Seele zeigen? Greifen wir wieder zurück auf jene Männer der Vorzeit, und wenn es beliebt, so führen wir jenen Reichen aus der Zeit des Lazarus als Beispiel auf; da werden wir sehen, was es eigentlich um den Tod der Seele ist. Denn die Seele jenes Mannes war todt; Das ergibt sich klar aus seinem Thaten. Von einem Werke, wie sie der Seele zukommen, keine Spur; seine ganze Beschäftigung war Essen und Trinken und üppiges Leben.

Jenem Prasser gleichen auch gegenwärtig noch Diejenigen, welche kein Mitleid und Erbarmen kennen; sie haben gleich ihm eine todte Seele. Denn jeder warme Hauch der Nächstenliebe ist aus ihr entschwunden, sie ist lebloser als ein entseelter Leib. Ganz anders jener Arme! Auf der höchsten Stufe der Tugend leuchtet sein Bild; mit dem Hunger liegt er in beständigem Kampfe, er hat kaum das Nöthigste zum Leben; aber aus seinem Munde kommt kein frevelndes Wort wider Gott, seinen starken Muth kann kein Ungemach beugen. Das ist keine geringe Lebensäusserung der Seele, vielmehr der höchste Beweis ihrer Kraft und Gesundheit. Sind aber solche Lebenszeichen nicht vorhanden, so sind sie offenbar darum verschwunden, weil die Seele todt ist. Oder sollen wir, frage ich, eine Seele nicht todt nennen, die der Satan mit Schlägen S. 125 und Stacheln, mit Zähnen und Fersen anfällt, ohne daß sie das Geringste davon merkt? die in ihrer todten Ruhe verharrt und keinen Gram empfindet, selbst wenn ihr Alles, was sie hat, geraubt wird? über die der Teufel herfallen darf, ohne daß sie sich rührt, ohne daß sie Etwas fühlt, gleich als wäre es ein Leib, dem die Seele entflohen ist? Ja, wo nicht strenge Gottesfurcht herrscht, da muß es so mit der Seele gehen, da wird sie noch jämmerlicher als ein todter Leib. Sie verfällt zwar nicht der Auflösung und zergeht in Staub und Asche wie der Leib, aber sie löst sich in Dinge auf, die noch widriger sind, in Trunkenheit und Zorn und Habsucht, in unlautere Liebe und unziemliche Begierden. Willst du aber noch genauer ihre Abscheulichkeit ersehen, so gib mir eine Seele, die rein ist; dann wirst du die abstoßende Widrigkeit einer häßlichen und unreinen Seele völlig erkennen. Jetzt freilich kommt es dir nicht recht zum Bewußtsein; denn so lange der gewohnte Pesthauch uns umgibt, merken wir ihn nicht; sobald wir aber anfangen, uns mit geistigen Gesprächen zu nähren, dann erkennen wir das Übel, wenn es auch leider Viele gibt, die da wähnen, es sei überhaupt gar kein Unterschied. Ich rede noch nicht von der Hölle; wir wollen, wenn es euch recht ist, beim gegenwärtigen Leben bleiben; wir wollen Einen in’s Auge fassen, der ich sage nicht Schändliches thut, sondern Schändliches redet, wie verächtlich er sich macht, wie er in erster Linie sich selbst entehrt! Wie Einer, der Unrath aus dem Munde speit, so beschmutzt er sich. Und wenn schon der Fluß so unrein ist, wie muß erst die Quelle dieses Brodems aussehen! Denn „aus der Fülle des Herzens redet der Mund.“4 Aber nicht Das allein ist es, was ich beweine, sondern daß in den Augen Mancher Dieses gar nicht für unanständig gilt. Dadurch nimmt alles Böse S. 126 so überhand, wenn wir sündigen und nicht einmal zu sündigen vermeinen.

Willst du nun kennen lernen, was es Schlimmes ist um schändliche Reden? Denke nur an Die, welche dich hören, wie sie über deine Unverschämtheit erröthen! Was ist gemeiner als ein schamloser Mund? was ehrloser? Solche versetzen sich in die Reihe der Schauspieler und Buhlerinen; ja diese erröthen noch eher als ihr. Wie soll das Weib Schamhaftigkeit lernen, wenn du sie durch solche Reden zu üppigen Ausschreitungen verleitest? Besser Eiter aus dem Munde als ein unzüchtiges Wort! So aber bleibst du, wenn dein Mund übel riecht, wohl von den gemeinschaftlichen Mahlen weg; aber zum Empfang der Geheimnisse, sage mir, wagst du zu gehen mit so ecklem Dunst in deiner Seele? Würde Jemand ein unreines Gefäß auf deinen Tisch stellen, so würdest du ihn mit Knitteln von dannen jagen. Und Gott glaubst du nicht zu erzürnen, wenn du auf seinen Tisch Worte legst, abscheulicher als das unreinste Gefäß? Denn Gottes Tisch ist ja unser Mund, der so oft mit der Eucharistie sich füllt! Nichts macht so frech und schamlos als das Reden und Anhören solcher Worte. Nichts löst der Keuschheit so sehr die Sehnen als die Flamme, die von solchen Reden entfacht wird. Balsam hat Gott auf deinen Mund gelegt; du aber legst Worte darauf, die übler riechen als der Tod; und auch die Seele mordest du und nimmst ihr Thätigkeit und Regung. Denn wenn du Jemand beschimpfest, so ist es nicht die Seele, die da spricht, sondern der Zorn; wenn du schändliche Reden führst, so spricht wieder nicht die Seele, sondern die Ziellosigkeit; bei der Verläumdung redet die Mißgunst, bei der Nachstellung die Habsucht. Solche Dinge sind nicht Ausfluß der Seele, sondern ihrer Krankheiten und Gebrechen. Gleichwie nämlich die Verwesung nicht unbedingt zum Leibe gehört, sondern eine Folge des Todes und des Verderbnisses ist, das im Leibe liegt, so sind auch jene Dinge eine Folge der Krankheiten, die zur Seele sich gesellen.

S. 127 Willst du die Sprache einer lebendigen Seele hören, so merke auf Paulus, wenn er sagt: „Haben wir Nahrung und Kleidung, so laßt uns damit zufrieden sein;“5 und wieder: „Ein großer Erwerb ist die Frömmigkeit;“6 und ferner: „Mir ist die Welt gekreuzigt und ich der Welt.“7 Höre auf Petrus, der da spricht: „Gold und Silber habe ich nicht; was ich aber habe, Das gebe ich dir.“8 Das sind die Worte einer Seelen die ihre eigene naturgemäße Thätigkeit entfaltet. So sprach einst auch Jakob: „Wenn Gott mir Brod gibt, zu essen, und ein Gewand, mich zu kleiden; so auch Joseph: „Wie sollte ich dieses böse Wort thun und sündigen im Angesichte meines Gottes?“9 Aber nicht so jenes heidnische Weib, sondern wie trunken und wahnsinnig rief sie: „Schlafe bei mir!“

Indem wir nun Dieses wissen, so wollen wir uns das Leben der Seele recht angelegen sein lassen und ihren Tod fliehen, damit wir einst auch des künftigen Lebens theilhaftig werden. Möge dieses uns allen zu Theil werden durch die Gnade und Güte unseres Herrn Jesus Christus, — — Amen.

S. 128


  1. Matth. 11, 28. ↩

  2. Joh. 20, 22. ↩

  3. Röm. 6, 10. ↩

  4. Matth. 12, 34. ↩

  5. I. Tim. 6, 8. ↩

  6. I. Tim. 6, 6. ↩

  7. Gal. 6, 14. ↩

  8. Apostelg. 3, 6. ↩

  9. Gen. 28, 20. ↩

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