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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Philippenses Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Achte (Siebte) Homilie. *Phil. II, 5—11.*

5.

Laßt uns also glauben ihm zur Ehre und leben ihm zur Ehre! Denn das eine ohne das andere nützt nichts. Wenn wir ihn also wohl recht lobpreisen, aber nicht recht leben, so bereiten wir ihm gerade dadurch am meisten Schande, weil wir ihn uns zwar als Herrn und Meister zuschreiben, tatsächlich aber ihn verachten und sein schreckliches Gericht nicht fürchten. Denn dass ein Heide unrein lebt, ist kein Wunder und nicht so verdammungswürdig; daß aber Christen, die an so erhabenen Geheimnissen teilnehmen, die so große Ehre ge- S. 113 nießen, einen so unreinen Lebenswandel führen, das ist das ärgste von allem und geradezu unverzeihlich. — Nicht wahr? Weil der Sohn Gottes den äußersten Gehorsam bewies, deswegen empfing er die Ehre dort oben; weil er Knechtsgestalt annahm, deswegen ist er jetzt Herr über alles, über die Engel und alle andern Geschöpfe. Daher dürfen auch wir nicht glauben, von unserer Würde etwas zu verlieren, wenn wir uns selbst verdemütigen. Denn gerade dann werden wir noch mehr erhöht — mit Recht —, gerade dann werden wir am meisten bewundert. Daß nämlich Selbsterhöhung zur Erniedrigung ausschlägt, Selbsterniedrigung aber zur Erhöhung, das beweist zur Genüge schon der ausdrückliche Ausspruch Christi1; indes jedoch wollen wir auch auf die Sache selbst näher eingehen. — Was heißt gedemütigt werden? Nicht wahr: getadelt, gescholten, verleumdet werden? — Und was heißt erhöht werden? Nicht wahr: geehrt, gelobt, verherrlicht werden? — Gut. Nun laßt uns sehen, wie das geschieht. — Der Satan war ein Engel; er erhöhte sich selbst. Wie nun? Wurde er nicht auf das allertiefste gedemütigt? Hat er nicht die Erde als Aufenthalt? Wird er nicht von allen gescholten und gehaßt? — Paulus war ein Mensch; er erniedrigte sich selbst. Wie nun? Wird er nicht bewundert? Wird er nicht gelobt? Wird er nicht gepriesen? Ist er nicht ein Freund Christi? Hat er nicht größere Wunder gewirkt als Christus selbst? Hat er nicht wiederholt dem Teufel geboten wie einem Sklaven? Führte er ihn nicht wie einen Schergen mit sich herum? Trieb er nicht seinen Spott mit ihm? Hatte er nicht den Kopf desselben zermalmt unter seinen Füßen? Erflehte er nicht auch andern diese Gnade mit großer Zuversicht2? — Was sage ich? Absalom erhöhte sich selbst, David erniedrigte sich selbst. Welcher wurde nun erhöht? Welcher war angesehen? Denn was kann es Demütigeres geben als diese Worte, welche dieser heilige Prophet über Semei sprach: „Laßt ihn (mir) fluchen; denn der Herr hat es ihm befohlen“3? — Doch, S. 114 wenn es euch recht ist, so wollen wir dem Kern der Sache selbst näher treten. Der Zöllner erniedrigte sich selbst — allerdings war seine Handlungsweise nicht eigentlich Selbsterniedrigung, sondern was ? demütige Selbsterkenntnis —; der Pharisäer erhöhte sich selbst4. Was nun? Laßt uns auch die Sache selber betrachten! Denken wir uns zwei Menschen, beide reich und wohlgeachtet, beide voll Selbstgefühl wegen ihrer Weisheit und Macht und sonstigen weltlichen Vorzüge. Weiter; der eine von ihnen gehe darauf aus, von allen geehrt zu werden, und ärgere sich, wenn es nicht geschieht, verlange mehr, als ihm gebührt, und erhöhe sich selbst; der andere verschmähe das, sei niemandem deswegen böse, ja schlage sogar die ihm angebotene Ehrung aus. Welcher ist mehr geehrt? Der die Ehrbezeugung ganz und gar ausschlägt. Denn die Ehre kann man nicht anders erlangen, als daß man die Ehre flieht. Solange wir sie nämlich suchen, flieht sie uns; wenn wir sie aber fliehen, sucht sie uns. Willst du geehrt sein, so geize nicht nach Ehre; willst du erhöht sein, so erhöhe dich nicht selbst! Aber noch aus einem andern Grunde läßt es sich erklären, warum denjenigen, der nicht nach Ehre strebt, alle ehren, denjenigen aber, der darnach hascht, verabscheuen. Es wohnt nämlich dem Menschengeschlechte von Natur aus eine gewisse Hinneigung zu Streitsucht und Widerspruch inne. — Laßt uns daher die Ehre verschmähen; dann wird es uns gelingen, demütig oder vielmehr erhöht zu werden. Erhöhe dich nicht selbst, damit du von andern erhöht werdest! Wer sich selbst erhöht, wird von andern nicht erhöht; wer sich selbst verdemütigt, wird von andern nicht gedemütigt. Ein großes Übel ist der Hochmut; besser töricht als hochmütig sein. Denn im ersteren Falle ist nur die Torheit des Wahnsinns vorhanden, im letzteren dagegen etwas viel Schlimmeres: die Torheit verbunden mit Wahnsinn. Die Torheit schadet sich allein; der Hochmut schädigt auch andere. Diese Leidenschaft ist eine Ausgeburt des Unverstandes. Hochmut ist gar nicht denkbar ohne Torheit; wer aber voll Torheit ist, der ist S. 115 hochmütig. Höre, was ein weiser Mann spricht: „Ich sah einen Menschen, der sich für weise hielt; aber bei einem Toren ist mehr Hoffnung als bei ihm5.“ Siehst du, daß ich nicht ohne Grund sagte, Hochmut sei ein schlimmeres Übel als Torheit? „Bei einem Toren,“ heißt es, „ist mehr Hoffnung als bei ihm.“ Deswegen warnt Paulus auch: „Haltet euch nicht selbst für klug6!“ — Sage mir, wann nennen wir einen Leib gesund? Wenn er recht aufgedunsen und von Wind und Wasser inwendig recht aufgetrieben ist, oder wenn er von bescheidenem Umfange ist und ein schmächtiges Aussehen hat? Offenbar im letzteren Falle. So verhält es sich nun auch mit der Seele: Die aufgeblasene leidet an einer Krankheit, schlimmer als (die) Wassersucht; die bescheidene dagegen ist von jedem Leiden frei. Wieviel Gutes entspringt also für uns aus der Demut? Was wünschest du? Geduld in Widerwärtigkeiten? Ruhige Gelassenheit? Menschenfreundlichkeit? Nüchternheit? Religiösen Eifer? Alle diese Tugenden wurzeln in der Demut, wie die entgegengesetzten Fehler im Hochmut. Der Hochmütige ist notwendig schmähsüchtig, rauflustig, zornmütig, leidenschaftlich, unfreundlich, mehr Tier als Mensch. — Du bist stark; und darauf bildest du dir etwas ein? Du solltest dich vielmehr deshalb verdemütigen. Warum bildest du dir etwas ein auf eine nichtige Sache? übertrifft doch der Löwe dich an Kühnheit, der Eber an Stärke; gegen diese bist du nicht einmal eine Mücke. Räuber, Grabschänder, Gladiatoren, ja vielleicht deine niedrigsten Sklaven sind stärker als du. Das also soll rühmenswert sein? Und du versinkst nicht vor Scham, daß du dir darauf etwas einbildest? — Aber du bist blühend in Jugendschönheit? Magst du dich auch brüsten wie die Krähe in der Fabel: Du bist darum nicht schöner als der Pfau, weder in bezug auf die Zierlichkeit der Gestalt noch auf die Farbenpracht des Gefieders. Der Vogel trägt den Sieg davon, sein Gefieder übertrifft dich weit an Anmut und Glanz. Auch der Schwan und viele andere Vögel sind sehr schön; mit S. 116 diesen verglichen verschwindest du ganz. Und dann können sich häufig auch ganz gewöhnliche Knaben, unverheiratete Mädchen, Dirnen und Wollüstlinge eben damit brüsten. Dies sollte also für dich ein Grund zum Hochmute sein?


  1. Vgl. Matth. 23, 12; Luk. 14, 11; 18, 14. ↩

  2. Vgl. Röm. 16, 20. ↩

  3. 2 Kön. 16, 10. ↩

  4. Vgl. Luk, 18, 9 ff. ↩

  5. Sprichw. 26, 12 (LXX). ↩

  6. Röm. 12, 16. ↩

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