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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Philippenses Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Philipper (BKV)
Dreizehnte (Zwölfte) Homilie. *Phil. III, 13—17.*

4.

Haben sich die Apostel nicht durch all das hindurchgerungen? „Durch Ehre und Schmach, durch schlechten und guten Ruf1“? Das ist es, was den Athleten ausmacht, daß er auf alles gefaßt ist. Das liegt auch in der Natur der Tugend. Wenn du aber sagst: Ich bin nicht imstande, über viele die Aufsicht zu führen, ich muss für mich allein leben, so beschimpfst du die Tugend. Denn diese vermag sich in alle Verhältnisse zu finden und überall durchzuleuchten; nur muß sie der Seele innewohnen. Herrscht Hungersnot? Herrscht Fülle? Sie be- S. 189 tätigt in beiden Lagen ihre Kraft, wie Paulus sagt: „Ich weiß sowohl Überfluß zu haben als Mangel zu leiden2.“ Mußte er arbeiten? Er schämte sich dessen nicht, sondern arbeitete zwei Jahre lang. Mußte er Hunger leiden? Er verzagte nicht und zweifelte nicht. Mußte er sterben? Er wurde nicht kleinmütig. In allen Verhältnissen legte er seine edle Gesinnung und seine Kunst an den Tag. — Ihm wollen wir also nacheifern, dann werden wir keinen Grund zur Traurigkeit haben. Denn sage mir, was sollte einen solchen Charakter betrüben können? Nichts auf der Welt. Solange man ihm nicht die Tugend raubt, wird er der glücklichste aller Menschen sein, und zwar schon hienieden, nicht bloß im Jenseits. Denn gesetzt, der Tugendhafte besitze Weib und Kinder und Vermögen und großes Ansehen: er bleibt bei alledem gleichmäßig tugendhaft; nimm es ihm, und er wird wiederum gerade so tugendhaft sein. Er läßt sich weder durch Trübsale niederbeugen, noch durch das Glück aufblähen; sondern gleichwie ein Fels sowohl bei hochgehender See als bei herrschender Windstille unbeirrt feststeht, weder von den Wogen zermürbt noch von der Windstille irgendwie angegriffen: ebenso bleibt auch die (in der Tugend) gefestigte Seele unerschütterlich bei Windstille und Wogendrang. Und gleichwie die Kinder auf einem Schiffe leicht in Bestürzung geraten, der Steuermann aber lachend und ohne zu wanken dasitzt und sich an ihrer Bestürzung weidet: ebenso sitzt auch die tugendhafte (φιλόσοφος) Seele, während alle anderen die Fassung verlieren und beim Umschlag der Dinge hinwiederum zur Unzeit lachen, ohne Wanken an der Frömmigkeit wie an dem Griffe eines Steuerruders. — Denn sage mir, was könnte eine gottesfürchtige Seele in Verwirrung bringen? Der Tod? Aber dieser ist ja mir der Anfang eines besseren Lebens. Oder Armut? Aber diese verhilft ihr ja zur Tugend. Oder Krankheit? Aber sie achtet dieselbe für nichts, wenn sie sich einstellt, noch die Erholung, noch die Trübsal; denn sie hat vorher schon freiwillig Trübsal auf sich genommen. Oder Schmach? Aber die ganze Welt ist ihr gekreuzigt3. S. 190 Oder Verlust der Kinder? Aber sie fürchtet sich nicht davor, wenn sie von der Auferstehung vollkommen überzeugt ist. Was also ist imstande, sie zu überwältigen? Nichts auf der ganzen Welt. Oder macht der Reichtum sie hochmütig? Durchaus nicht; denn sie kennt die Nichtigkeit des Geldes. Oder die Ehre? Aber sie ist unterrichtet, daß alle menschliche Herrlichkeit der Blume des Heues gleicht4. Oder Üppigkeit? Aber sie hat den Ausspruch des heiligen Paulus vernommen: „Die der Üppigkeit ergebene ist lebendig tot5.“ Wenn sie nun weder aufgeblasen noch niedergeschlagen ist, was ließe sich mit dieser Gesundheit vergleichen? —

Nicht so die anderen Seelen; sie verändern sich vielmehr häufiger noch als das Meer und das Chamäleon. Es ist daher höchst lächerlich, ein und dieselbe Person bald lachen, bald weinen, bald voll Sorgen, bald übermäßig ausgelassen zu sehen. Deshalb sagt der Apostel: „Werdet nicht gleichförmig dieser Welt!“6, denn unser Wandel soll im Himmel sein7, wo kein Wechsel stattfindet8. Der Kampfpreis, der uns verheißen ist, dauert unveränderlich fort. Laßt uns (denn) einen entsprechenden Wandel führen, laßt uns schon hier das wahre Glück empfangen! Warum sollen wir uns selbst ins klippenreiche Meer, in die Brandung, in Sturm und Unwetter stürzen? Laßt uns doch im windstillen Hafen bleiben! Nicht im Reichtum, nicht in der Armut, nicht im Ruhme, nicht in der Schande, nicht in der Krankheit, nicht in der Gesundheit, nicht in der Schwäche, sondern in unserer eigenen Seele liegt das alles. Wenn sie fest und in der Wissenschaft der Tugend gut unterrichtet ist, dann wird ihr alles leicht werden. Selbst hienieden schon wird sie Ruhe und den stillen Hafen sehen, und, wenn sie von der Erde geschieden ist, drüben unendliche Seligkeit erlangen; deren wir alle teilhaftig werden mögen durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit S. 191 unseres Herrn Jesus Christus, mit welchem dem Vater gleichwie dem Heiligen Geiste Herrlichkeit, Macht und Ehre sei, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.


  1. 2 Kor. 6, 8. ↩

  2. Vgl. Phil. 4, 12. ↩

  3. Vgl. Gal. 6, 14. ↩

  4. Is. 40, 6. ↩

  5. 1 Tim. 5, 6. ↩

  6. Röm. 12, 2. ↩

  7. Phil. 3, 20. ↩

  8. Jak. 1, 17. ↩

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