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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Colossenses commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Kolosser (BKV)
Vierte Homilie. *Kol. 1, 21—25.*

4.

Warum haben wir nun dieses gesagt? Weil wir uns in nichts von Kindern unterscheiden. — Willst du hören, wie auch ihre Satzungen für Kinder bemessen sind? „Aug um Aug“, heißt es, „und Zahn um Zahn1.“ (Begreiflich); denn nichts ist so rachsüchtig als das jugendliche Herz. Da nämlich die Leidenschaft aus Unverstand entspringt, auf dieser Altersstufe aber der Unverstand und der Mangel an vernünftiger Überlegung groß ist, so wird selbstverständlich das Kind leicht vom Zorn übermannt; und so heftig bricht er los, daß sie sich oft auf dem Boden wälzen und wieder aufspringen oder S. 296 vor Unmut sich aufs Knie schlagen oder den Schemel umwerfen und auf diese Weise ihre Wut auslassen und ihrem Ingrimm Luft machen. Etwas Ähnliches tat auch Gott, indem er ihnen gestattete, Aug um Aug und Zahn um Zahn auszuschlagen, und indem er die Ägypter2 und Amalekiter3, die ihnen Leid zugefügt hatten, umkommen ließ. Er macht ihnen ähnliche Zusagen, wie wenn ein Kind spräche: Vater, der und der hat mich geschlagen; und der Vater darauf antwortete: Das ist ein böser Mensch, den wollen wir aber hassen. So sagt auch Gott: „Ich will der Feind deiner Feinde sein, und deine Hasser will ich hassen4.“ — Und wiederum, als Balaam ihnen fluchen sollte5, ließ er sich zu ihnen wie zu Kindern herab. Denn gleichwie wir den Kindern, wenn sie zurückscheuend vor ganz harmlosen Dingen, z. B. Wolle oder dergleichen, plötzlich erschrecken, den betreffenden Gegenstand in die Hand geben und durch die Amme zeigen lassen, damit sich die Furcht nicht in ihnen festsetze, so machte es auch Gott. Da der Wahrsager ihnen furchtbar war, so verwandelte er die Furcht vor ihm in frohe Zuversicht. — Und wie die der Mutterbrust entwöhnten Kinder allerlei Spielzeug in Körbchen bekommen, so gab er auch jenen alles Mögliche und gewährte ihnen großen Überfluß. — Gleichwie indes das Kind nach der Mutterbrust verlangt, so sehnten auch sie sich nach Ägypten und den Fleischtöpfen daselbst. — Man geht daher nicht wohl fehl, wenn man Moses einen Lehrer, Ernährer und Erzieher nennt und die große Weisheit dieses Mannes bewundert. — Es ist aber ein gewaltiger Unterschied zwischen der Führung von Männern, die bereits vernünftiger Erwägung zugänglich sind, und zwischen der Leitung von unvernünftigen Kindern. — Und wenn es euch beliebt, noch ein anderes zu vernehmen —: Gleichwie die Wärterin dem Kinde sagt: Wenn du auf die Seite gehen mußt, so hebe deine Kleider in die Höhe, und zwar solange als du sitzest, so tat auch S. 297 Moses. — Und gleichwie6 in den Kindern alle Leidenschaften herrschen — denn sie sind noch nicht gezügelt —, Eitelkeit, Begierlichkeit, Unverstand, Zorn, Scheelsucht, so waren diese alle auch in den Juden mächtig. Sie spien den Moses an, sie schlugen ihn. — Und wie das Kind nach einem Steine greift und wir alle schreien: Halt! Nicht werfen! —, so hoben auch jene gegen ihren Vater Steine auf; doch er entwich ihnen. — Und gleichwie, wenn der Vater einen Schmuckgegenstand hat, das Kind denselben von ihm verlangt, weil es am Zierat seine Freude hat, gerade so hat es die Rotte des Dathan und Abiron gemacht, als sie sich das Priestertum anmaßen wollte7. Sie waren überaus neidisch und niedrig gesinnt und in jeder Beziehung unvollkommen. — Nun frage ich dich: Damals also hätte Christus erscheinen sollen? Damals hätte er diese erhabenen Vorschriften geben sollen, als sie vor Sinnlichkeit rasten, als sie brünstigen Rossen glichen, als sie Sklaven des Geldes, als sie Sklaven des Bauches waren? Er hätte ja die Lehren der erhabensten Weisheit umsonst verschwendet, da sie seine Worte noch nicht fassen konnten; und sie würden weder das eine noch das andere gelernt haben. Und so wie derjenige, der einem das Lesen vor dem Abc beibringen will, nicht einmal die Buchstaben je lehren wird, so wäre es auch damals gegangen. Nicht so aber jetzt; sondern durch die Gnade Gottes ist allenthalben große Bereitwilligkeit, große Tugend gepflanzt. Danken wir daher für alles und vermeiden wir vorwitziges Nachgrübeln! Denn die Zeit kennen nicht wir, sondern nur er, der Schöpfer der Zeit und der Urheber der Nationen. Stellen wir darum alles ihm anheim! Denn das heißt Gott verherrlichen, wenn man nicht Rechenschaft über seine Wirksamkeit verlangt. In dieser Weise gab auch Abraham Gott die Ehre: „Vollkommen überzeugt,“ sagt er, „daß derselbe, was immer er versprochen, auch zu tun vermag8. Jener S. 298 fragte nicht einmal nach dem Zukünftigen; wir aber forschen sogar nach dem Grunde des Vergangenen. Sieh, welch große Torheit! Welch großer Mangel an Erkenntlichkeit! Laßt uns doch von jetzt an derselben begeben! Denn daraus entspringt für uns kein Gewinn, sondern noch großer Schaden. Bewahren wir einen erkenntlichen Sinn gegen unsern Herrn, und erweisen wir Gott die Ehre; damit wir, für alles unsern Dank sagend, seiner Menschenfreundlichkeit gewürdigt werden; durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit seines Eingeborenen, mit welchem dem Vater gleichwie dem Heiligen Geiste Herrlichkeit, Macht und Ehre sei, jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.


  1. Levit. 24, 20; Deut. 19, 21. ↩

  2. Vgl. Exod. 14. ↩

  3. Vgl. Exod. 17, 8 ff.; 1 Kön. 15. ↩

  4. Exod. 23, 22. ↩

  5. Vgl. Num. 22 ff.; Deut. 23, 3 ff. ↩

  6. Die Lesart: καὶ ὥσπερ μάντα ... οὕτω καὶ ἐν τοῖς Ἰουδαίοις πάντα ταῦτα verdient den Vorzug. ↩

  7. Vgl. Num. 16. ↩

  8. Röm. 4, 21. ↩

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