• Start
  • Werke
  • Einführung Anleitung Mitarbeit Sponsoren / Mitarbeiter Copyrights Kontakt Impressum
Bibliothek der Kirchenväter
Suche
DE EN FR
Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam ad Colossenses commentarius Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Kolosser (BKV)
Zwölfte Homilie. *Kol. IV, 12—18.*

5.

Siehst du nicht, wie es im Kaiserpalaste zugeht? Daß die Geehrten drinnen beim Fürsten sind, die Nichtgeehrten aber draußen? Sei auch du drinnen bei der Braut! Bleibe jedoch keusch im Hause! Stelle die Jungfräulichkeit nicht an den Pranger! Beide Chöre stehen da: die Jungfrauen zum Zeichen, daß sie die Braut unversehrt übergeben; die Frauen, um sie unversehrt zu bewahren. Warum würdigst du die Jungfräulichkeit herab? Denn wenn du dich so aufführst, so wird der Bräutigam auch von jener solches vermuten. – Wenn du dich um jeden Preis verlieben willst, so ist dies das Gehaben einer Trödlerin, Gemüsehändlerin, Mehlspeisköchin. Ist das nicht eine Schande? Die Unehrbarkeit im Benehmen ist und bleibt eine Schande, selbst bei einer kaiserlichen Prinzessin. Bildet etwa die Armut ein Hindernis? oder die Lebensstellung? Eine Jungfrau muss unter allen Umständen keusch und eingezogen bleiben, mag sie auch eine Sklavin sein. Denn „in Christus Jesus ist weder Sklave noch freier1“. Die Eheschliessung ist S. 412 doch nicht etwa eine Theatervorstellung? Sie ist ein Geheimnis und das Sinnbild einer erhabenen Wahrheit. Selbst wenn du vor ihr keine Ehrfurcht hättest, so habe wenigstens Ehrfurcht vor dem, was sie sinnbildet! „Dieses Geheimnis“, spricht der Apostel, „ist groß; ich sage das aber in Hinblick auf Christus und auf die Kirche2.“ Die Vermählung ist ein Abbild der Verbindung Christi mit der Kirche; und du führst leichtfertige Mädchen ein? — Wenn nun, höre ich fragen, weder Mädchen noch verheiratete Frauen tanzen dürfen, wer soll dann tanzen? — Überhaupt niemand. Muß denn getanzt sein? Bei den Mysterien der Heiden finden Tänze statt, bei den unsrigen dagegen herrscht Stille und Anstand, Züchtigkeit und würdevolle Ruhe. Ein großes Geheimnis wird gefeiert: hinaus mit den Dirnen, hinaus mit den Unreinen! — Inwiefern ist es ein Geheimnis? Sie kommen zusammen, und die zwei bilden nur eins. Als die Braut einzog, warum gab es da keinen Tanz, keine lärmende Musik, sondern tiefes Schweigen, tiefe Ruhe: wenn sie aber zusammen kommen, um nicht ein lebloses Ebenbild, noch das Ebenbild eines irdischen Wesens, sondern das Ebenbild Gottes selbst, und zwar nach seinem Gleichnisse, zu erzeugen, warum veranstaltest du da einen solchen Heidenlärm, störst die Neuvermählten und erfüllst ihre Seele mit Scham und Verwirrung? — Sie gehen hinein, um ein Leib zu werden. Sieh, abermals ein Geheimnis der Liebe! Wenn die zwei nicht eins werden, so bringen sie kein Mehr hervor, solange sie zu zweit bleiben; sobald sie sich aber zur Einheit verbinden, dann vermehren sie sich. Was lernen wir daraus? Daß in der Vereinigung eine große Kraft liegt. Gottes schöpferischer Geist hat im Anfange den einen in zwei geteilt, und um zu zeigen, daß derselbe auch nach der Teilung noch eins bleibe, nicht zugelassen, daß einer zur Zeugung hinreiche. Denn der noch nicht (ehelich Verbundene) ist nicht einer, sondern nur die Hälfte von einem; und es leuchtet ein, daß er sich ebensowenig fortpflanzen kann, wie früher (vor der Teilung). Hast du gesehen, was für ein Geheimnis die Ehe ist? Aus einem (Menschen) S. 413 machte Gott noch einen, und indem er diese zwei wiederum eins machte, stellt er so den einen wieder her. Daher wird der Mensch auch jetzt aus einem geboren. Denn Mann und Weib sind nicht zwei Menschen, sondern der eine Mensch. Dafür ließen sich viele Beweise erbringen; so z. B. Jakob, so Maria, die Mutter Christi, so das Wort der Schrift: „Als Mann und Weib schuf er sie3.“ Wenn der Mann das Haupt, das Weib aber der Leib ist4, wie könnten sie zwei sein? Deswegen nimmt das Weib die Stelle des Schülers, der Mann dagegen die Stelle des Lehrers ein; er die des Vorgesetzten, sie die der Untergebenen. Auch aus der Bildung des Leibes kann man ihre Zusammengehörigkeit ersehen; denn das Weib entstand aus der Seite des Mannes, so daß beide gleichsam zwei Hälften sind. Deswegen nennt er sie auch seine Gehilfin, um zu zeigen, daß sie eins seien; deswegen zieht er auch das Zusammenleben mit ihr dem Zusammenleben mit Vater und Mutter vor5, um zu zeigen, daß sie eins seien. Und der Vater freut sich gleicherweise, wenn Tochter und Sohn heiraten, da der Leib sich mit dem zu ihm gehörigen Gliede zu vereinigen trachtet. Es ist für ihn mit so großen Kosten und mit so bedeutender Verringerung seines Vermögens verbunden, und dennoch kann er es nicht ertragen, seine Kinder unverheiratet sehen zu müssen. Denn gleich als ob der Leib dadurch in zwei Hälften gespalten wäre, ist jedes Geschlecht für sich unzureichend zur Fortpflanzung, unzureichend zur Gründung des Familienlebens. Deshalb sagt auch der Prophet: „Sie ist die Ergänzung (ὑπόλειμμα) deines Geistes6.“ – Wie werden sie aber auch zu einem Fleische? Als wenn man das lauterste Gold nimmt und mit anderem Golde zusammenschmilzt, geradeso verhält es sich auch hier: die Gattin hegt und nährt den befruchtenden Keim, den sie in der ehelichen Vereinigung mit Lust empfängt, und indem sie von dem Ihrigen dazu beiträgt, gibt sie dem Manne das S. 414 erhaltene Kleinod wieder zurück. Das Kind läßt sich mit einer Brücke vergleichen. So daß die drei ein Fleisch werden, indem das Kind die beiden Eltern innig miteinander verbindet. Denn gleichwie zwei Städte, welche ein Fluß vollkommen voneinander trennt, durch eine beide Ufer verbindende Brücke zu einer Stadt werden: so ist es auch hier der Fall; ja noch mehr, wenn unter diesen Umständen die Brücke selbst sich aus dem Wesen beider herausgestaltet. Wie der Rumpf und das Haupt einen Leib ausmachen; denn sind sie auch durch den Hals geschieden, so werden sie dadurch doch nicht sowohl getrennt als verbunden; denn der Hals vermittelt den Zusammenhang beider. Es geschieht hier dasselbe, wie wenn die zwei Hälften eines Chores sich dadurch zu einem Reigen zusammenschlössen, daß die Linke des einen Teiles die Rechte des andern erfaßte; oder wie wenn diese, in Reih und Glied aufgestellt, durch Ausstrecken der Hände zur Einheit würden. Denn indem sie sich an den ausgestreckten Händen fassen, heben sie die Trennung in zwei Teile auf. Deshalb drückt sich denn auch die Hl. Schrift sehr genau aus; es heißt nicht: sie werden ein Fleisch sein, sondern: „zu einem Fleische7“, indem sie das (Fleisch) des Kindes mit sich verbinden. — Wie nun, wenn sie kein Kind bekommen? Werden die zwei dann nicht (zu einem Fleische) werden? Doch; denn die eheliche Beiwohnung bringt diese Wirkung hervor, da sie die Leiber der Gatten zu einer unzertrennlichen Einheit verbindet. Und gleichwie der, welcher wohlriechende Salbe in Öl mischt, daraus ein einziges Ganzes macht, geradeso verhält es sich auch hier.


  1. Gal. 3, 28. ↩

  2. Eph. 5, 32. ↩

  3. Gen. 1, 27. ↩

  4. Vgl. Eph. 5, 23. 28. ↩

  5. Gen. 2, 24. ↩

  6. Vgl. Malach. 2, 15. ↩

  7. Gen. 2, 24. ↩

pattern
  Drucken   Fehler melden
  • Text anzeigen
  • Bibliographische Angabe
  • Scans dieser Version
Download
  • docxDOCX (174.63 kB)
  • epubEPUB (156.47 kB)
  • pdfPDF (602.60 kB)
  • rtfRTF (477.51 kB)
Übersetzungen dieses Werks
Commentaire sur l'épître aux Colossiens vergleichen
Kommentar zum Briefe des hl. Paulus an die Kolosser (BKV)
Kommentare zu diesem Werk
Einleitung

Inhaltsangabe

Theologische Fakultät, Patristik und Geschichte der alten Kirche
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Impressum
Datenschutzerklärung