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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Thessalonicenses homiliae 1-11 Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)
Vierte Homilie.

6.

S. 612 V. Ihr dürft auch glauben, daß jenem liebetrunkenen Weibe, nachdem sie einmal sich auf’s Bitten verlegt, kein Wort, keine Bitte zu erniedrigend gewesen. Ja, trotz ihres kostbaren Schmuckes, trotz ihres königlichen Ranges mochte sie sich wohl ihrem Diener und Sklaven zu Füßen geworfen und unter Thränen zu wiederholten Malen um seinem Gunst gefleht haben. Und da sie darauf ausging, mit einer ganzen Menge von Netzen das Lamm Christi zu fangen, wie zauberisch wird ihr Auge gestrahlt haben, mit welchen Reizen wird sie sich geziert haben! Dazu dann noch alle Künste der Magie! Und dieser unbeugsame, unüberwindliche, felsenfeste Mann sieht nun seine Brüder, die ihn in die Cisterne geworfen, die ihn verkauft, die seinen Tod beabsichtigt hatten, die Ursache seiner Gefangenschaft und Erhebung gewesen waren. Sobald er aber aus ihrem Munden hört, welches Leid sie dem Vater angethan (Lasset uns sagen, der Eine sei von einem wilden Thiere zerrissen1 worden), da ward er gerührt, erweicht, ergriffen und weinte. Und seiner Gefühle nicht mehr Meister, ging er in seine Kammer und weinte. Dann aber ermannte er sich wieder und wischte die Thränen ab. — Du weinst, o Joseph? Und doch verdienten die Thaten deiner Brüder keine Thränen, sondern Zorn, Wuth, Entrüstung, Vergeltung und Rache. Jetzt sind sie in deinen Händen, die Feinde, die Brudermörder, jetzt kannst du deinen Rachedurst sättigen. Und thust du Dieß, so begehst du gar nicht einmal ein Unrecht, da du nicht zuerst ungerechter Weise Hand anlegst, sondern nur Vergeltung übest für Das, was sie dir angethan. Sieh nicht auf deinen hohen Rang, denn diesen hast du nicht nach ihrer Absicht, sondern von Gott, der seine Gnade über dich ausgegossen hat. Du weinst, Joseph? — Er aber entgegnet: Ferne sei es von mir, der ich von Allen so hochgeschätzt bin, diese gute Meinung von mir durch solche Unversöhnlichkeit zu beeinträchtigen. Jetzt S. 613 gerade ist Zeit zum Weinen. Ich bin doch nicht grimmiger als die wilden Thiere, welche sich nach natürlichem Triebe wieder an einander anschließen, wenn sie einander alles mögliche Schlimme zugefügt haben. Gerade weil sie mir Solches zugefügt haben, weine ich. — Sein Beispiel sollen wir auch nachahmen und Diejenigen betrauern, die uns Böses zugefügt. Nimmermehr wollen wir ihnen zürnen, denn sie sind in der That beweinenswürdig, weil sie sich der Strafe und Verdammung werth gemacht haben.

Ich bemerke, wie ihr jetzt weint, wie ihr freudig den Apostel Paulus bewundert und den ägyptischen Joseph anstaunet und selig preiset. Wenn aber Jemand von euch einen Feind hat, so soll er sich jetzt diesen ins Gedächtniß rufen und sich lebhaft vorstellen, auf daß er, so lange sein Herz noch glüht im Andenken an diese Heiligen, den finstern Groll verscheuche und seinen bittern Unmuth besänftige!


  1. I. Mos. 44, 28. ↩

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