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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Thessalonicenses homiliae 1-11 Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)
Fünfte Homilie.

6.

Ich habe nun den Vätern ans Herz gelegt, daß sie ihre jungen Söhne frühzeitig in den Stand der Ehe treten lassen sollen; aber darum entgehen im Falle der Verschuldung die Jünglinge noch nicht der Verantwortlichkeit und Bestrafung. Denn wenn es nicht viele Taufende von Jünglingen gäbe, die da rein und keusch gelebt haben, in alten Zeiten, wie in der Gegenwart, so hattet ihr vielleicht eine Ausrede und Entschuldigung. Wenn es aber deren viele gibt, wie werdet ihr dann behaupten können, ihr seiet nicht im Stande gewesen, die Flamme der Leidenschaft niederzukämpfen? Als eure Ankläger werden Jene auftreten, welche die nämliche Natur hatten, wie ihr, und dennoch die Reinheit der Seele bewahrt haben. Höret die Worte des heiligen Paulus. „Strebet nach Frieden und Reinigkeit, denn ohne diese wird Niemand den Herrn schauen!“1 Und diese Drohungen vermögen dich nicht in Angst und Schrecken zu versetzen? Andere sind, wie du bemerkst, fortwährend keusch und rein und ehrbar, und du sollst dich nicht einmal in deinen jungen Jahren beherrschen können? Du siehst, wie tausend Andere die Macht der Sünde überwinden, und du besiegst sie nicht ein einziges Mal? Wenn ihr die Ursache davon hören wollt, will ich sie euch sagen. Nicht die Jugend trägt die Schuld, sonst müßten alle jungen Leute schlecht und lüderlich sein. Nein, etwas Anderes ist es. Wir selbst sind es, die sich in den glühenden Brand stürzen. Wenn du dich ins Theater begibst und deine Augen an den nackten Gliedern der Schauspielerinnen weidest, so ist das allerdings nur vorübergehend. Aber du hast damit einen mächtigen Zunder in dein Herz gelegt. Und wenn du da die Weiber fast nackt siehst, und wenn die Schauspiele und Gesänge nichts Anderes zum Gegenstande S. 627 haben als unsinnige Liebe, — wo es heißt: Diese und Jene hat Den und Den geliebt und ihn nicht bekommen und sich dann aufgehängt, — ja sogar schändliche Liebeshändel mit den eigenen Stiefmüttern; wenn du da solche Eindrücke empfängst durch schlechte Reden und Lieder, durch die Geberden der Weiber, ja selbst älterer Männer, — denn selbst solche spielen oft Rollen in weiblicher Maske, — sag’ an, kann man da keusch bleiben, wenn die gehörten und gesehenen Dinge die Seele in Besitz nehmen, so daß sie sogar Gegenstand der Träume werden? Es liegt nun einmal in der menschlichen Natur, daß jene Dinge, welche unter Tags den Gegenstand der Thätigkeit und des Strebens bilden, auch das Traumleben beherrschen. Empfängst du nun im Theater schlechte Eindrücke, so sind das gleichsam Wunden. Wendest du nun keine Heilmittel an, so muß die Fäulniß weiter um sich greifen; so wird die Krankheit absichtlich herbeigeführt und zwar in höherem Grade als in Bezug auf den Körper. Denn auf dem Gebiete des Geistes läßt sich durch kräftige Bethätigung des freien Willens gar Manches leichter wieder in Ordnung bringen, als am menschlichen Körper. Denn der kranke Körper bedarf zu seiner Gesundung Arzneien, Ärzte und Zeit. Zum Gut- oder Bösewerden der Seele reicht die Bethätigung des Willens aus. Insoferne hast du dir die Krankheit selbst zugezogen. Wenn wir nun alle schädlichen Einflüsse auf uns wirken lassen und Nichts thun, was dagegen wirkt, wie soll da Heilung eintreten? Darum sagt der hl. Paulus: „Wie die Heiden, die Gott nicht kennen.“ Ja, schämen wir uns, zittern wir, wenn Heiden, welche Gott nicht kennen, oft keusch leben, erröthen wir, wenn wir schlechter sind als diese!

Es ist leicht, ein keusches Leben zu führen, wenn wir nur ernstlich wollen und Alles von uns ferne halten, was gefährlich ist. Fehlt aber der gute Wille, dann steht allen Lastern Thür und Thor offen. Was ist leichter, als auf das Forum zu gehen? Aber aus übergroßer Bequemlichkeit ist es schon Manchem beschwerlich geworden, nicht bloß Frauen, sondern auch Männern. Was ist leichter als schlafen? Und doch haben sich Viele schon Dieses schwer gemacht. Manche Müßiggänger wälzen sich die ganze Nacht schlaflos auf ihrem Pfühl, weil sie die rechte Zeit zum Schlafen nicht beachten. Kurzum, Nichts ist bei ernstem Willen schwer, Nichts ist ohne diesen leicht. Alles steht in unserer Gewalt. Daher sagt auch die hl. Schrift: „Wenn ihr willig seid und mir gehorcht,“ und wiederum: „Wenn ihr euch weigert und mir nicht gehorcht.“2 Alles liegt also am Wollen und Nichtwollen des Menschen, und darum werden wir einmal Belohnung oder Bestrafung erhalten. Gebe Gott, daß wir zu Denjenigen gehören, welche Belohnung empfangen und zwar die verheißenen Güter der ewigen Seligkeit durch die Gnade und Liebe unsers Herrn Jesu Christi, welchem mit dem Vater und dem hl. Geiste Ehre, Ruhm, Preis und Herrlichkeit sei jetzt und allezeit und in Ewigkeit! Amen.

S. 629


  1. Hebr. 12, 14. ↩

  2. Is. 1, 19. ↩

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Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)

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