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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Thessalonicenses homiliae 1-11 Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)
Sechste Homilie.

4.

Wenn du glaubst, daß dein Gemahl auferstehen wird, daß er nicht verloren ist, daß der Tod nur ein Schlaf, nur ein Ruhen ist, was jammerst du so? Ich jammere, weil S. 636 ich an ihm meinen Lebensgefährten, meinen Beschützer, den Vorsteher des Hauses, meine Stütze in jeder Beziehung verloren habe. Wenn du nun aber einen Sohn verlierst, der noch jung ist, der dich noch in keiner Beziehung unterstützen kann, worüber jammerst du dann? Was vermissest du dann? Er hat zu so schönen Hoffnungen berechtigt, und ich erwartete, daß er dereinst meine Stütze sein werde. Darum vermisse ich den Gemahl, darum den Sohn, darum klage und jammere ich, nicht als ob ich nicht an die Auferstehung glaubte, sondern weil ich hilflos geworden bin, weil ich meinen Beschützer, meinen Lebensgefährten, meinen Vertrauten, meinen Tröster verloren habe. Das ist der Grund meiner Klagen. Ich weiß, daß er auferstehen wird, aber die Trennung bis dahin ist mir unerträglich. Eine Menge von Arbeiten fällt nur zu, ich bin wehrlos gegen Jeden, der mich beleidigen will; die Diener, welche sich vorher fürchten mußten, verachten und verspotten mich; wer von meinem Manne Wohlthaten empfangen hat, der hat sie vergessen; wer von ihm beleidigt worden ist, der gedenkt der Rache und läßt seinen Zorn an mir aus. Das Alles macht mir den Wittwenstand unerträglich, darum kann ich nicht still trauern, darum mein Jammern, darum mein Klagen. Wie sollen wir nun solche Frauen trösten? Was sollen wir zu ihnen sagen? Wie sollen wir ihren Schmerz lindern?

Ich will versuchen, sie zu überzeugen, daß die Ursache ihrer Klagen nicht in solcherlei Erwägungen liegt, sondern in einer ungerechtfertigten Überfülle des Schmerzes. — Wenn du nur aus diesem Grunde trauerst, dann müßtest du ja den Verstorbenen fortwährend betrauern. Wenn du ihn aber nach Verlauf eines Jahres schon vergessen hast, wie wenn gar Nichts vorgefallen wäre, so trauerst du ja nicht über den Verlust deines Vertheidigers und Beschützers. — Aber du kannst die Trennung von deinem Gatten nicht ertragen, die zeitweilige Unterbrechung des S. 637 Verkehrs mit ihm. Was werden aber dazu Jene sagen, die sich noch einmal verheirathen? Diese tragen ja nach ihrem früheren Gatten kein Verlangen mehr.

Doch von diesen wollen wir jetzt gar nicht reden, sondern nur von Jenen, welche ihrem verstorbenen Gatten in treuer Liebe ergeben bleiben. Warum also trauerst du um deinen Sohn, um deinen Gatten? Um Jenen, weil ich von ihm noch gar keinen Nutzen gezogen habe, um Diesen. Weil ich glaubte, ich könnte noch länger von ihm Nutzen ziehen. Merkst du aber nicht, was du damit für einen Unglauben kundgibst, wenn du vermeinst, deine Wohlfahrt hänge von deinem Gatten oder von deinem Sohne ab, nicht von Gott? Mußt du nicht fürchten, daß du diesen durch eine solche Gesinnung erzürnest? Gerade deßhalb nimmt oft Gott den Frauen ihre Männer, damit sie sich nicht so fest an dieselben anklammern, damit sie nicht alle Hoffnung auf diese setzen. Denn Gott ist ein eifersüchtiger Gott und will mehr als alles Andere von uns geliebt werden und zwar deßhalb, weil er uns selbst so sehr liebt. Ihr wißt ja, daß es Denjenigen, welche von leidenschaftlicher Liebe erfüllt sind, eigen ist, eifersüchtig zu sein und lieber ihr Leben zu lassen, als hinter einem Nebenbuhler zurückzustehen. Gerade weil du, o Frau, so denkst und sprichst, gerade darum, sag’ ich, hat dir Gott deinen Mann genommen.

III. Oder warum hat es vor Alters nicht so viele Wittwen und Waisen gegeben? Warum ließ Gott den Abraham und Isaak so alt werden? Weil Abraham auch bei Lebzeiten seines Sohnes Gott mehr liebte als diesen. Gott sprach: „Schlachte deinen Sohn!“ und Abraham schlachtete ihn. Warum schenkte Gott der Sara ein so langes Leben? Weil ihr Gemahl, so lange sie lebte, immer mehr auf Gott hörte als auf sie. Darum konnte auch Gott zu S. 638 ihm sagen: „Höre auf Sara, dein Weib!“1 Damals wurde Gott von Niemand erzürnt durch ungehörige Liebe zu Männern oder zu Frauen oder zu Kindern. Weil wir aber heutzutage unser Herz von Gott abgewendet haben und so tief gesunken sind, daß die Männer ihre Frauen mehr lieben als Gott, und die Frauen ihre Männer höher stellen als den Herrn, darum treibt uns Gott auch gegen unsern Willen an, ihn zu lieben. Liebe deinen Mann nie mehr als Gott, und du wirst entweder nie in den Wittwenstand gerathen, oder wenn du in denselben versetzt wirst, so wirst du ihn nicht hart fühlen. Warum? Weil du (an Gott) einen unsterblichen Beschützer hast, der dich mehr liebt als dein Gatte. Wenn du nun Gott mehr liebst als deinen Gatten, so brauchst du nicht zu trauern. Denn Derjenige, den du mehr liebst, ist unsterblich und wird dich den Verlust deines Gemahls, den du ja weniger liebst, nicht empfinden lassen.


  1. I. Mos. 21, 12. ↩

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Homilien über den I. Thessalonicher-Brief (BKV)

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