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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In epistulam i ad Timotheum argumentum et homiliae 1-18 Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)
Elfte Homilie.

III.

Das Geld hat den Namen davon, daß es für uns Etwas gilt,1 nicht davon, daß wir dessen Herren sind. Der Besitz ist Gebrauch, nicht Eigenthum. Sage mir, wie viele Herren jedes Grundstück gehabt hat, und wie viele es noch haben wird. Es gibt darüber ein ganz treffendes Sprüchwort. Man darf nämlich die Sprüche des Volkes nicht unterschätzen, wenn sie treffend sind. „Äckerlein,“ sagt man, „wie vielen gehörst du, und wie vielen wirst du noch gehören?“ Das läßt sich auch zu den Häusern und zum Gelde sagen. Die Tugend allein ist im Stande, mit uns aus der Welt zu gehen, sie allein wandert mit uns in’s Jenseits hinüber. Lassen wir endlich einmal die Gier nach dem Gelde versiegen und verlöschen, damit sich die Sehnsucht nach den Gütern des Jenseits in uns entzünde. Diese beiden Neigungen können nicht neben einander in einer Seele leben. „Entweder wird er den Einen lieben,“ heißt es, „und den Andern hassen; entweder wird er dem Einen anhängen und den Andern vernachlässigen.“2

Du siehst einen Mann über den Markt stolz daher kutschieren. Ein Troß von Dienern folgt ihm. Er hat seidene Gewänder an, prunkt mit seinem Pferde, trägt den Kopf hoch. Laß dich nicht blenden, sondern lache ihn aus! S. 140 Wie du lachst, wenn kleine Kinder große Herren spielen, so mußt du auch lachen über einen solchen Menschen. Das letztere Schauspiel unterscheidet sich in Nichts von dem ersteren, oder vielmehr dieses ist ergötzlicher, weil es vom kindlichen Alter mit vieler Naivetät in Scene gesetzt wird. Hier lacht man und hat ein Vergnügen dabei. Dort aber wird bloß ein Hohngelächter provocirt, und es ist kein Witz bei der Sache. Danke Gott, daß er dir eine solche Schaustellung von Aufgeblasenheit erspart hat! Denn wenn du willst, so stehst du, indem du auf dem Boden gehst, höher als der Andere, der im Wagen sitzt. Wieso? Weil der Andere zwar mit dem Körper ein wenig über dem Boden erhaben ist, mit der Seele aber platt auf demselben daliegt. „All’ meine Kraft,“ heißt es, „hängt an meinem Fleische.“3 Du aber wandelst mit deinen Gedanken im Himmel. Aber es stolzirt ein zahlreiches Gefolge neben ihm? Wer wird damit mehr geehrt, das Pferd oder sein Herr? Was für ein Unsinn! Leute müssen mitlaufen, damit das Thier bequemen Platz zum Traben hat! Aber das Fahren mit Rossen hat etwas Vornehmes! Die Bedienten fahren ja auch mit. Es gibt Leute so aufgeblasen, daß sie ohne alle Nothwendigkeit Bediente hinter sich darein gehen lassen. Was kann es Unsinnigeres geben? Pferde, prächtige Kleider, Bediente sollen ihnen ein Relief verleihen! Welch armseliger Glanz, der von Pferden und Bedienten ausgeht!

Willst du ein tugendhafter Mensch sein? Gib dich nicht mit solchen Dingen ab. Lege einen Schmuck an, der dir wirklich gehört, schmücke dich nicht mit fremden Federn! Auch böse Menschen, Verbrecher, ungebildete Leute und wer sonst Geld hat, können solche Dinge besitzen. Auch die Schauspieler und Tänzer fahren mit Pferden und lassen einen Diener vor sich hergehen. Und doch sind es nur Schauspieler und Tänzer, und Pferde und Bediente verschaffen S. 141 ihnen keine geehrte Stellung. Wenn bei solchem Zeug nicht schöne Eigenschaften der Seele daneben vorhanden sind, so sind das rein nutzlose Äusserlichkeiten. Da ist’s wie bei einer schwachen Mauer oder einem morschen Körper. Mag Einer noch so viel herumlegen und herumhängen, sie bleiben schwach und morsch. Ebenso hat auch die Seele keinen Nutzen von solchen äusserlichen Anhängseln, sondern sie bleibt sich gleich, mag Einer Zentner Goldes umhängen. Lassen wir uns also durch solche Dinge nicht blenden, geben wir uns nicht mit zeitlichen Dingen ab, wenden wir uns Größerem zu, dem Geistigen, Dem, was uns wirklich Hoheit gibt, damit wir der ewigen Seligkeit theilhaftig werden u. s. w.

S. 142


  1. So läßt sich vielleicht das griechische Wortspiel übersetzen: χρήματα λέγεται παρὰ τὸ κεχρήσθαι. ↩

  2. Matth. 6, 24. ↩

  3. Ps. 101, 6. ↩

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Homilien über den I. Brief an Timotheus (BKV)

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